Brokeback Mountain

Western | USA 2005 | 134 Minuten

Regie: Ang Lee

Zwei junge Cowboys, die 1963 am Fuß der Rocky Mountains Schafe hüten, entdecken in der Einsamkeit der Natur ihre tiefe Zuneigung füreinander. Trotz der gegenseitigen Verbundenheit und dem Wissen, dass sie die Liebe ihres Lebens gefunden haben, schlagen sie getrennte Lebenswege ein, halten ihre Beziehung aber bis in die 1980er-Jahre aufrecht und treffen sich immer wieder in der Abgeschiedenheit der Berge. Ein zutiefst anrührendes Drama, dessen Darsteller ihre Figuren mit glaubhaftem Leben erfüllen und ihnen doch ihr Geheimnis belassen. In den Hoffnungen, Sehnsüchten und Lebenslügen des Paares vermittelt der meisterhaft inszenierte, episch breite Film die Einsamkeit und Ängste seiner beiden Protagonisten. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
BROKEBACK MOUNTAIN
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
Paramount Pic./River Road Ent./Alberta Filmworks/Focus Features/Good Machine/This is That Prod.
Regie
Ang Lee
Buch
Larry McMurtry · Diana Ossana
Kamera
Rodrigo Prieto
Musik
Gustavo Santaolalla
Schnitt
Geraldine Peroni · Dylan Tichenor
Darsteller
Heath Ledger (Ennis Del Mar) · Jake Gyllenhaal (Jack Twist) · Randy Quaid (Joe Aguirre) · Anne Hathaway (Lureen Newsome) · Michelle Williams (Alma Del Mar)
Länge
134 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Western | Melodram
Externe Links
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Heimkino

Im Gegensatz zur kaum mit Bonusmaterial versehenen Standard Edition enthält die Deluxe Edition (2 DVDs) u.a. eine Reihe üblicher Kurzfeatures und Interviews, die versuchen, Thema und Produktionsprozess des Films informativ zu begleiten.

Verleih DVD
Universum (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
Weil „Brokeback Mountain“ im amerikanischen Westen angesiedelt ist und die Protagonisten Cowboy-Hüte tragen und gelegentlich reiten, wird ein solcher Film in der Regel als Western bezeichnet. Doch der Gewinner des „Goldenen Löwen“ 2005 weist mindestens ebenso viele Elemente eines Melodrams auf. Zentrales Thema ist die Bedrohung einer Liebe durch widrige gesellschaftliche Umstände. Regisseur Ang Lee verknüpft Melodie und Drama, indem er Gustavo Santaolallas sparsamen, melancholischen Score den Erzählton dominieren lässt, während Country-Songs regelmäßig das Geschehen kommentieren. Die schrillen Töne melodramatischer Zuspitzung bleiben freilich aus. Stattdessen verbindet die Inszenierung lakonische Beobachtungen mit einem langen epischen Atem, wie die Prosa Annie Proulx’, deren gleichnamige Kurzgeschichte als Vorlage diente. So gelingt es dem Film, in zumeist knappen Impressionen eine Geschichte zu erzählen, die sich über zwei Jahrzehnte erstreckt, wobei in 134 Minuten weniger Worte fallen als in jeder halbstündigen Fernseh-Sitcom. Das Schönste daran: der ruhige, dezent variierende Rhythmus lässt die hohe Kunst dieser komplexen Erzählstruktur auch noch ganz einfach erscheinen. Vergleichsweise viel Zeit nimmt sich Lee für die zögerliche Annäherung seiner Hauptfiguren, die 1963 drei Monate lang eine Schafherde in den Ausläufern der Rocky Mountains weiden. Als sich Ennis Del Mar und Jack Twist beim Warten auf ihren Auftraggeber begegnen, tauschen sie kaum einen Blick. In der Einsamkeit der Berge, deren Panorama das stupide Schäferdasein überschattet, ergibt sich indes notgedrungen eine intime Vertrautheit, wie zwei Einstellungen andeuten, in denen jeweils einer der Männer diskret ignoriert, wie im Hintergrund der andere sich wäscht oder uriniert. Nur zu ahnen ist, dass unausgesprochen auch Zuneigung entstanden ist, bevor es in einer kurzen Szene unvermittelt zum Sex kommt. Nach dem gemeinsamen Sommer gehen Jack und Ennis getrennte Wege; sie heiraten und werden Väter. Erst als sie beim Wiedersehen nach vier Jahren von ihren Gefühlen überwältigt werden, ahnen die Männer, dass sie in einander die Liebe ihres Lebens gefunden haben. Angesichts der Homophobie der provinziellen Umgebung sieht Ennis allerdings keine Chance für die von Jack erträumte gemeinsame Zukunft. Um dem Geliebten zu verdeutlichen, welche Konsequenzen ihre Beziehung haben könnte, berichtet er, wie er als Kind von seinem Vater zur Abschreckung mit der Leiche eines schwulen Lynchopfers konfrontiert wurde. Lee illustriert diese Erinnerung mit einer knappen, stummen Rückblende, lässt die mutmaßliche Homophobie der Umwelt aber in der Handlung nie konkrete Gestalt annehmen. So liegt die besondere Tragik dieser verhinderten Liebe darin, dass nicht ganz auszuschließen ist, dass es für das Paar doch eine gemeinsame Perspektive gegeben hätte. Die Liebenden haben die Homophobie selbst verinnerlicht und versichern sich nach dem ersten Sex gegenseitig, nicht schwul zu sein. Der wortkarge, verkniffene Ennis wird mit seiner sexuellen Orientierung 20 Jahre lang nicht ins Reine kommen. Ob Jack auch das Gefühl habe, die Menschen auf der Straße könnten sein Geheimnis durchschauen, fragt Ennis einmal; doch der Zuschauer wird mit solchen Blicken nie konfrontiert. Nur ein einziges Mal deutet Lee einen entlarvenden Blick an, indem er die Perspektive des bärbeißigen Schafzüchters übernimmt, der seine beiden Angestellten bei einer verliebten Balgerei beobachtet. Insofern könnte Ennis’ Sorge paranoid wirken, zumal sein Beharren auf Heimlichkeit bis in die frühen 1980er-Jahre anhält, als sich in den Metropolen schon die schwule Emanzipation durchgesetzt hat. Alle paar Monate finden die Treffen des Paares in der Abgeschiedenheit der Natur statt, wobei in Rodrigo Prietos Bildern das Freiheitsversprechen dieser Spätwestern-Landschaft regelmäßig durch dunkle Wolken eingetrübt ist. Nur beim ersten Wiedersehen, beim Nacktbaden in einem See, suggeriert die Einsamkeit der Natur kurz jenes Glück, das den Männern verwehrt bleibt. Selbst wenn Ennis’ Sorge paranoid sein mag, ist sie freilich nicht unbegründet, denn am Handlungsort Wyoming wurde noch 1998 ein Student wegen seiner Homosexualität ermordet. So findet Ennis’ traumatische Kindheitserinnerung in einer entscheidenden Szene ein Pendant in der stummen Illustration eines weiteren homophoben Lynchmordes. Gerade diese Szene führt vor Augen, wie subtil Lee der Geschichte ihre Mehrdeutigkeit bewahrt, denn der Realitätsgehalt jener Bilder ist keineswegs eindeutig. Das Drehbuch verleiht Proulx’ Vorlage zusätzliche Ambiguität und schenkt auch den Ehefrauen der Hauptfiguren deutlich mehr Anteilnahme. Wenn etwa Ennis’ Frau unvermittelt Zeugin wird, wie sich die Männer leidenschaftlich küssen, bleibt die Kamera ununterbrochen an ihrer Seite, während sie schockiert in ihre Wohnung zurückweicht. Michelle Williams liefert nicht nur in dieser Szene eine konzentrierte Bravour-Leistung und ist zu Recht, wie Heath Ledger als Ennis, für diverse Preise nominiert worden; allerdings ist die Leistung Jake Gyllenhaals kaum geringer einzuschätzen, denn ihm gelingt es, seine Figur mit zurückhaltendem Spiel besonders vielschichtig erscheinen zu lassen, obwohl man über Jacks Alltag weniger erfährt als über den von Ennis. In einigen knappen Szenen scheint Jack mit seinen homosexuellen Neigungen pragmatischer und offener umzugehen als Ennis; doch dem Geliebten gegenüber behauptet er, dass ihre Beziehung seinem Eheleben keinen Abbruch tue. Die ökonomische Meisterschaft, mit der Regisseur und Schauspieler in diesem zutiefst anrührenden Film die Figuren mit Leben füllen und ihnen doch immer wieder ihre Geheimnisse belassen, ist in einer Szene mit Jacks Frau besonders bestechend. Mit einem einzigen stummen Seufzer am Telefon lassen Anne Hathaway und Ang Lee dabei in einer Großaufnahme mehr Emotionen aufscheinen als andere Schauspieler und andere Regisseure in einem ganzen Film.
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