Triple Agent

Spionagefilm | Frankreich/Italien/Spanien 2003 | 111 Minuten

Regie: Eric Rohmer

Ein ehemaliger General der weißrussischen Armee betätigt sich im Pariser Exil 1936, zur Zeit der Volksfront-Regierung, als Agent der "weißen Exilregierung", verstrickt sich jedoch selbst in die vielen Fäden, die er spinnt, und opfert seinem politischen Karrierestreben die Liebe und das Leben seiner Frau. Ein ungewöhnlicher Agentenfilm nach einem halbwegs verbürgten Fall, der das Genre nutzt, um die Ohnmacht der Liebe angesichts von Halbwahrheiten, Lügen und Intrigen darzulegen. Ein detailgetreu ausgestatteter, hervorragend fotografierter Film, dessen überzeugende Darsteller schon durch ihr theaterhaftes Agieren die Künstlichkeit ihrer Situation zum Ausdruck bringen. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
TRIPLE AGENT | AGENTE SPECIALE | TRIPLE AGENTE
Produktionsland
Frankreich/Italien/Spanien
Produktionsjahr
2003
Produktionsfirma
Rézo/CER/France 2 Cinéma/BIM/Alta/Tornasol/Strada/Mentor
Regie
Eric Rohmer
Buch
Eric Rohmer
Kamera
Diane Baratier
Schnitt
Mary Stephen
Darsteller
Katerina Didaskalu (Arisinoé) · Serge Renko (Fiodor) · Cyrielle Claire (Maguy) · Grigori Manukow (Boris) · Dimitri Rafalsky (General Dobrinsky)
Länge
111 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Spionagefilm
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Verleih DVD
Universum (FF, DD5.1 frz./dt.)
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Diskussion
Der Agentenfilm definiert sich meist über ein gerüttelt Maß an Action und unüberschaubaren Finten, durch ein schwer zu durchschauendes Personenarsenal und mehr oder weniger nachvollziehbare Verschwörungstheorien. Wer all dies im vorliegenden Film erwartet, sollte einen weiten Bogen um Eric Rohmers „Triple Agent“ machen. Wer sich indes mit dem Handwerk eines wirklichen Agenten auseinandersetzen will, ist mit dem Spätwerk des nun 87-jährigen Mitbegründers der Nouvelle vague gut beraten. Erzählt wird eine wahre Begebenheit: Fiodor, ein ehemaliger General der russischen Weißgardisten, zieht im Paris des Jahres 1936 als exponierte Figur der „Föderation der ehemaligen Kämpfer der russischen Armee“, einer Art Exil-Regierung gegen Stalins Sowjetreich, selbstherrlich seine Fäden, wobei das eigene Wohl, der Aufstieg an die Spitze der Bewegung, stets oberste Priorität hat. Er befindet sich indes in einer heiklen Position; schließlich ist in Frankreich unter der Führung Léon Blums ein Volksfront-Bündnis an die Macht gekommen; die Kommunisten tragen allerdings nicht zu Regierungsbildung bei, da ihr Verhältnis zu Stalin ambivalent erscheint. In Spanien tobt der Bürgerkrieg, die französische Regierung ist in Sachen Parteinahme gespalten, schließlich sind sowohl Hitler-Deutschland als auch die Sowjetunion an verschiedenen Fronten in diesen mörderischen Konflikt involviert. Fiodor Voronin obliegt es nun, gleich auf mehreren Hochzeiten zu tanzen: Er darf es sich weder mit seinen Leuten noch den französischen Gastgebern verscherzen, muss Kontakte zum „roten Russland“ halten, darf das Deutsche Reich nicht aus den Augen verlieren – und da ist auch noch das lästige Spanien als Übungsgebiet zukünftiger potenzieller Kriegsgegner, das alle Aufmerksamkeit erfordert. Fiodors brave griechische Frau Arsinoé, eine leidenschaftliche Malerin naiver Bilder, interessiert sich erst nach und nach für die Aktivitäten ihres Mannes und tut sich dann mit Fiodors Heimlichkeiten schwer. Zunächst wird sie mit Beschwichtigungen, Lügen und Halbwahrheiten abgespeist, doch je mehr sich Fiodor in die Enge getrieben fühlt, um so mehr entwickelt sich der Geheimnisträger zur privaten Plaudertasche. Am Ende hat sich der Agent der „Weißen“ so sehr in seiner eigenen Politik verfangen, dass ihm eine Rückkehr in Stalins Reich nicht mehr ausgeschlossen erscheint: Schließlich haben die Säuberungsaktionen gegen „rote“ Generäle Platz für altgediente Militärs geschaffen. Fiodor verrät seinen Vorgesetzten, nutzt eine Kleiderprobe seiner Frau als Alibi, um sich dann in höchster Not alleine abzusetzen: sein Schicksal bleibt ungewiss, das seiner Frau ist dokumentiert. Sie wird als Mittäterin verurteilt und stirbt 1940 in Haft an Folge einer Knochen-TBC. „Triple Agent“ ist kein Film, den man von Rohmer so ohne weiteres erwartet hätte. Doch durchdringt man den historisch verbürgten Agenten-Dschungel, dessen politischer Hintergrund immer wieder durch authentische Dokumentaraufnahmen grundiert wird, so tauchen die Grundthemen seiner Filme wieder auf: Eine Liebe, die an sich selbst glaubt, doch immer wieder von Lügen und Unstimmigkeiten erschüttert wird, weitschweifige Lippenbekenntnisse, die bestenfalls zur Aufrechterhaltung des status quo taugen, Verunsicherung allenthalben. Allerdings transportieren diesmal nicht liebestrunkene Teenager seine Geschichte, sondern Erwachsene, die sowohl an ihre Mission als auch an ihre Liebe glauben, in beiden Fällen jedoch aufgrund persönlicher Unzulänglichkeiten scheitern. Ein detailgetreu ausgestatteter, sorgfältig fotografierter Liebesfilm, der hinter die Dinge und Gesten schaut. Der eine Essenz aus anfänglicher Sprachlosigkeit und späterer Sprachfülle destilliert und darauf verweist, das nur Wahrhaftigkeit zu wirklichem Glück – in Liebe und Politik – führen kann. In dieses Konzept passt sich auch das theaterhafte Spiel der überzeugenden Hauptdarsteller ein, deren bisweilen übergroße Gesten ihr Handeln und Denken innerhalb weniger Sekunden in Frage stellen. Ein großer Film, der allerdings einige Mühe fordert, entschlüsselt zu werden. Die verzwickte politische Lage spiegelt sich übrigens in einem kunsthistorischen Running gag des Films: Während Arisinoé naiv und gegenständlich malt, sie und wie ihr Mann Picasso und den Kubisten nichts abgewinnen kann, sind die französischen Kommunisten von der neuen Kunst angetan – im Gegensatz zu den „Roten“ in der UdSSR, die von Entartung reden und ihrerseits den sozialen Realismus feiern. Auch ohne die Finger in der Weltpolitik zu haben, kann das Leben ganz schön kompliziert sein.
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