Das Leben, das ich immer wollte

- | Italien/Deutschland 2004 | 131 Minuten

Regie: Giuseppe Piccioni

Beim Casting für eine Kostümfilm im Stil von "Die Kameliendame" lernen sich ein Star und eine ambitionierte Nachwuchsdarstellerin kennen und lieben. Parallel zur Handlung auf dem Set entwickelt sich ihre Beziehung, in der bald gekränkte Eitelkeit und falsche Erwartungen den Ton angeben. Eine auf parallel verlaufenden Erzähl- und Zeitebenen entwickelte Film-im-Film-Geschichte, die ein wenig an ihrer Künstlichkeit erstarrt, nichtsdestotrotz aber als Schauspieler-Film beeindruckt.
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Filmdaten

Originaltitel
LA VITA CHE VORREI
Produktionsland
Italien/Deutschland
Produktionsjahr
2004
Produktionsfirma
Lumière & Co./RAI Cinema/MTM Medien & Television München
Regie
Giuseppe Piccioni
Buch
Linda Ferri · Giuseppe Piccioni · Gualtiero Rosella
Kamera
Arnaldo Catinari
Musik
Michele Fedrigotti
Schnitt
Simona Paggi
Darsteller
Luigi Lo Cascio (Stefano / Federico) · Sandra Ceccarelli (Laura / Eleonora) · Galatea Ranzi (Chiara / Vittoria) · Fabio Camilli (Raffaele) · Ninni Bruschetta (Luca)
Länge
131 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
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Diskussion
Er: reserviert und verschlossenen; sie: emotional und sensibel. Als hätte einer der Väter der Nouvelle Vague, François Truffaut, Pate gestanden, verarbeitet der italienische Regisseur Giuseppe Piccioni in seinem jüngsten Film „Das Leben, das ich immer wollte“ nicht nur die Beziehungsprobleme zweier Schauspieler, sondern übt auch leise Kritik an der Oberflächlichkeit der Filmindustrie. Im Gegensatz zu Truffauts „Die amerikanische Nacht“ (fd 18 506) konstruiert Piccioni seine Film-im-Film-Montage jedoch auf zwei parallel laufenden Erzähl- und Zeitsträngen, die das Leben der Protagonisten vor und hinter der Kamera beleuchten: Bei einem Casting für einen opulenten Kostümfilm, einer „Kameliendame“-Adaption, lernen sich der Star-Schauspieler Stefano und die ambitionierte Aktrice Laura kennen und, in weiterer Folge, lieben. Der Verlauf ihrer Liaison folgt dabei dem historischen Drehbuch – Fiktion und Realität greifen ineinander. Denn parallel zu ihren Filmfiguren, deren Glück die gesellschaftlichen Konventionen des 19. Jahrhunderts im Wege stehen, kommt es auch abseits des Filmsets zu Spannungen in der Beziehung der Schauspieler. Zunehmend treten ihre privaten Probleme in Wechselwirkung mit den Leinwandcharakteren; die Dreharbeiten werden zum Ventil für gekränkte Eitelkeiten und falsche Erwartungen. So fällt mit der letzten Klappe des Filmdrehs vorerst auch der letzte Vorhang in ihrer Beziehung: Das ungleiche Paar trennt sich; Stefano und Laura gehen ihre eigenen Wege, verlieren sich zunächst sogar aus den Augen. Doch anders als im Skript des Kostümfilms endet der Film nicht mit dem Tod der Protagonistin, sondern mit einem Neubeginn: der Geburt eines Kindes, die einen zweiten Anfang möglich machen könnte. Nach „Licht meiner Augen“ (fd 36 841) setzt Giuseppe Piccioni erneut auf das bewährte Duo Sandra Ceccarelli und Luigi Lo Cascio und bleibt auch seiner Arbeitsmaxime treu, „Geschichten über Menschen, ihre Träume und Illusionen zu erzählen“. Auffällig ist dabei die Komplexität, mit der er dies tut. Der 1953 geborene Regisseur beschränkt sich nicht darauf, einen klassischen Filmstoff – den Beziehungskonflikt zweier Liebender – auf eine zeitlose Ebene zu heben, indem er sein Liebesdrama parallel in der fiktionalen Welt des 19. Jahrhunderts und der Jetzt-Zeit ansiedelt, sondern er thematisiert auch die Bedeutung des Schauspielens als reflexive Ausdrucksform innerer Vorgänge. Besonders deutlich wird dies in den Anfangs- und Schlussszenen: Während Laura schon beim Casting sprachlich wie mimisch in ihrer Filmrolle aufgeht und einen emotionalen Zugang zur Rolle wählt, wahrt Stefano ein distanziertes, nach außen hin kühles Auftreten; er begreift seine Rolle als eine weitere leere Hülle, der er für eine gewisse Zeit Leben einhauchen soll. Doch trotz ihrer recht unterschiedlichen Selbstverständnisse eint die beiden Charaktere mehr als sie auf den ersten Blick trennt. Beide verstecken ihre Unsicherheiten und Selbstzweifel hinter Masken, die sie nur mühsam fallen lassen können, um sich ihren wahren Gefühlen zu öffnen. Was in Piccionis unspektakulärem Drama zunächst als interessante Charakterstudie funktioniert, wird mit Fortdauer der Handlung allerdings zum Problem. Durch die ständige dialogische wie szenische „Dopplung“ der beiden Filmebenen beginnt man angesichts einer Länge von 131 Minuten auf ein baldiges Happy End zu hoffen. Schade, dass es Piccioni nicht besser gelungen ist, seine Erzählung in ein adäquateres atmosphärisches Umfeld einzubetten, wenngleich dahinter auch eine Absicht steckt: Durch die reduktionistische Bildsprache und die statischen, fast porträthaften Kameraeinstellungen der „realen“ Spielszenen verschärft Piccioni auch optisch den Kontrast zwischen dem ausdrucksstarken Sprachduktus der Kostümfilm-Liebenden und den wortkargen Protagonisten der Jetzt-Zeit, was nicht zuletzt auch als Reflex auf die Hilf- und Orientierungslosigkeit postmoderner Individuen gelesen werden kann. So mancher Zuschauer hätte dennoch gerne mehr vom „dolce vita“, dem romantischen Lokalkolorit der römischen Lebenswelt gespürt und inhaliert. Und doch ist „Das Leben, das ich immer wollte“ insgesamt eine wunderschöne filmische Lektion über das Leben, die Liebe und die inneren Niederungen zweier von Unsicherheit geprägter Charaktere, wenngleich sie bisweilen auch den Blick aufs Wesentliche verstellt.
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