Lady Vengeance

4K UHD. | Südkorea 2005 | 115 Minuten

Regie: Chan-Wook Park

Eine Frau Anfang 30 wird nach 13 Jahren aus dem Gefängnis entlassen, sinnt auf Rache und ist zugleich von tiefen Schuldgefühlen zerrissen. Ausgelöst werden ihre widerstrebenden Gefühle von einem Kindermörder, der sie einst zwang, einen Mord zu gestehen, den sie nicht beging, und von dem sie weiß, dass er noch mehr Kinder auf dem Gewissen hat. Als sie seiner habhaft wird, überantwortet sie ihn den leidgeprüften Eltern der Ermordeten. Der (nach "Sympathy For Mr. Vengeance" und "Oldboy") poetische Abschluss der Rache-Trilogie von Regisseur Park Chan-Wook als visuell vielfach gebrochene ethische Meditation über das Wesen der Rache. Ein überwältigender Film, dessen Stilwille und Schönheit in Bann schlagen. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
CHIN-JEOL-HAN GEUM-JA-SSI
Produktionsland
Südkorea
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
Moho Films/TSJ Ent./CJ Capital Inv./Centurion Inv./Ilshin Capital Inv./Korea Capital Inv./Samsung
Regie
Chan-Wook Park
Buch
Chung Seo-kyung · Chan-Wook Park
Kamera
Chung Chung-hoon
Musik
Cho Young-wuk
Schnitt
Kim Sang-bum · Kim Jae-bum
Darsteller
Lee Young-ae (Lee Geum-ja) · Choi Min-sik (Lehrer Baek) · Kwon Yea-young (Jenny) · Kim Si-hu (Geun-Shik) · Nam Il-woo (Det. Choi)
Länge
115 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
4K UHD. | Drama | Thriller
Externe Links
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Heimkino

Die Standardausgabe hat keine erwähnenswerten Extras. Die Special Edition (2 DVDs) enthält u.a. interessante Featurettes zu den Charakteren (26 Min.) sowie der visuellen Ausarbeitung des Films (37 Min.). Des Weiteren befindet sich im Bonusmaterial ein Feature mit im Film so nicht verwendeten Szenen (14 Min.). Ebenfalls erhältlich ist eine "Limited Deluxe Edition" (3 DVDs), die zu dem erwähnten Material noch eine DVD mit der "Director's Version" des Films enthält. Diese Version ist bei gleicher Lauflänge, im Gegensatz zur Kinofassung, durchsetzt mit S/W-Sequenzen. Die "Limited Deluxe Edition" ist mit dem Silberling 2007 ausgezeichnet. Die BD Standardausgaben enthalten keine erwähnenswerten Extras. Das Mediabook enthält die Kinoversion auf 4K UHD und BD sowie die bereits oben erwähnte sog. "Fade to Black and White"-Version des Films auf BD. Die Extras umfassen jene der DVD-Special Edition sowie zwei Audiokommentare mit (1) Regisseur Park Chan-wook und Lee Yeong-ae und (2) mit Regisseur Park Chan-wook, Kameramann Chung Chung-hoon und Art Director Jo Hwa-seong. Das 4K UHD (plus BD)-Mediabook ist mit dem Silberling 2021 ausgezeichnet.

Verleih DVD
e-m-s (16:9, 2.35:1, DD5.1 korea. & engl. & jap./dt., dts dt.)
Verleih Blu-ray
e-m-s & 3L & Capelight (16:9, 2.35:1, dts-HDMA korea. & engl. & jap./dt.)
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Diskussion
Aus dem Off erklingt Barock-Musik von Vivaldi, und die Kamera bewegt sich über einen fast völlig weißen, nur als Schattenriss noch sichtbaren Frauenkörper. Zugleich sieht man die schwarz gefärbten Triebe einer Rose im Zeitraffer wachsen und mit diesem Körper verschmelzen. Schnee fällt, wird aufgewirbelt von Windböen, weißes Mehl wird geknetet, eine Messerklinge erscheint, ein weibliches Augenlied wird rot geschminkt, eine Träne löst sich, verwandelt sich in einen Blutstropfen, fällt in klares Wasser, mischt sich zu einer roten Flüssigkeit, die sich kreisförmig ausbreitet und die Form einer Blüte annimmt, um dann wieder in einen diffusen kreisrunden Körper überzugehen – eine wunderschöne surreale Vorspannsequenz voller Andeutungen und Geheimnis, die die Primärfarben dieses Films – Weiß, Rot und Schwarz – ebenso vorgibt wie einige wichtige Symbole und Leitmotive sowie, nicht zuletzt, seinen Ton, das Verfahren der Erzählweise: In „Lady Vengeance“ vermischen sich Erinnerungen der Hauptfigur mit ihren Träumen und dem realen Handlungsgeschehen und bilden ein untrennbares Ganzes. Manchmal ist nicht auf den ersten Blick erkennbar, auf welcher Erzählebene man sich gerade bewegt, doch wenn dies der Fall ist, dann hat es Methode. Souverän und noch eleganter als in seinen vorherigen Filmen bedient sich Park Chan-wook der verschiedenen narrativen Mittel. Mal bleibt alles ganz konventionell, dann wieder erinnern Splitscreens und wegklappende Bilder an Erzählweisen des Comics, oder es kommt stattdessen zu fließenden Übergängen zwischen Zeit- oder Raumebenen durch einen Kameraschwenk oder eine Überblendung. Der Gesamteindruck ist musikalisch, und zwar nicht der schneller Beats oder sich wiederholender Rhythmen: Dieser Film hat den langen Atem einer Symphonie, holt aus und lässt sich Zeit, um die ausgebreiteten Bestandteile dann im letzten Drittel zu einer Klimax zu verdichten. Auch Räume und Einstellungen sind ausgesucht virtuos stilisiert, ohne dass sich die Form hier je in den Vordergrund schieben, zum Selbstzweck würde. Immer wieder erzeugt Park filmische Augenblicke von atemberaubender Schönheit, etwa wenn man die Hauptfigur, umrahmt von zwei brennenden Kerzen in einem knallrot gestrichenen Raum vor einem Schminkspiegel sitzen sieht, dessen aufgeklappte Seiten ihr Gesicht verdreifachen. Im Zentrum der Handlung steht Geum-ja, eine junge Frau Anfang 30. Gleich zu Beginn wird sie nach 13 Jahren aus der Haft entlassen. Ernst, fast ausdruckslos wirkt sie, voller gebändigter Leidenschaft. Noch vor dem Gefängnistor weist sie einen weißen Tofu, ein Symbol moralischer Reinigung, rüde zurück. Dies ist nicht nur moralische Provokation: Geum-ja fühlt sich alles andere als „rein“, sie leidet unter tiefen Schuldgefühlen, zugleich ist sie von Sehnsucht nach Rache getrieben. Stück für Stück entfaltet der Film nun im Wechsel aus Geum-jas ersten Schritten in Freiheit, Schlaglichtern aus der Gefängniszeit, Fernsehbildern und Erinnerungsfetzen die Vorgeschichte: Geum-ja wurde erpresst, den Mord an einem Kind zu gestehen, den sie nicht beging. Jetzt will sie sich rächen und zugleich eigene Schuldgefühle verringern. Denn der wahre Täter, der Lehrer Baek, brachte noch mehrere andere Kinder um. Nebenbei entsteht auch ein Profil von Geum-jas zutiefst ambivalenter Persönlichkeit. Für die einen ist sie von Mitleid getrieben, eine weltliche Heilige, die sich für andere aufopfert und einer Mitgefangenen sogar eine Niere spendet; für andere ist sie eiskalt, eine „Hexe“, zu jeder Gewalttat fähig. Man erkennt, dass beides zutrifft. Geum-ja ist eine sehr asiatische Figur: kontemplative Rächerin voller Humanität, aber gnadenlos gegenüber jenen, die ihr Unrecht taten. Eine Kunstfigur, obwohl hier zutiefst menschliche Charakterzüge verschmelzen, aber auch die Story ist ein offenes Konstrukt. Dem Regisseur geht es nicht um Naturalismus, sondern um eine ethische Meditation über die Rache. Dann macht Geum-ja ihre Tochter ausfindig, die einst zur Adoption freigegeben wurde, und versucht dann, ihre Rache zu vollziehen. Als sie Baek in ihrer Gewalt hat, bringt sie es allerdings genauso wenig über sich, ihn zu töten, wie sie ihn wieder freilassen kann. Es gibt keine Lösung dieses moralischen Dilemmas, also wählt sie einen dritten Weg: Sie führt die Eltern der Ermordeten zusammen und überlässt die Entscheidung dem Kollektiv. Gerade diese Momente schildert Park in aufregender Weise: Man sieht eine Katze, die einen Vogel gefangen hält – was doppelt lesbar ist, auf die Opfer ebenso bezogen wie auf den Mörder, der nun seinerseits in der Falle sitzt. Mehrfach wirft die Kamera einen Blick in die Zukunft, nimmt die Reaktion und das Leid der Eltern vorweg – ein Bruch mit der Chronologie, der ebenso distanziert wie intensiviert. Nach langer Debatte über die Alternativen Rechtsstaatlichkeit und Selbstjustiz entscheiden sich die Eltern für letzteres. Gemeinsam und langsam bringen sie Baek zu Tode – und Park zeigt dieses Geschehen nicht, macht seinen Horror wie seine Banalität in wenigen, dezenten Bildern sichtbar. Geum-ja hat die ersehnte Erlösung am Ende nicht gefunden, vielleicht gerade deshalb; sie muss mit ihrer Schuld – aber was genau ist hier Schuld? – weiterleben. „Sei weiß. Lebe weiß“, sagt ihr verständnisvoll die Tochter und überreicht ihr noch einmal einen Tofu. Die Mutter beißt nicht nur zu, sie vergräbt ihr Gesicht und ihre Tränen darin. Rache ist für diesen Regisseur etwas Ernsthaftes. „Lady Vengeance“ ist der Abschluss von Parks Rachetrilogie, die mit „Sympathy for Mr. Vengeance“ (fd 37 201), dem narrativ ausgefeiltesten, vielfältigsten, an soziokulturellen Anspielungen reichsten und insgesamt intellektuellsten der drei Filme begann und mit dem wuchtigen „Crowd Pleaser“ „Old Boy“ (fd 36 666) fortgesetzt wurde und die nun hier ihre poetischste Ausformung erhält. Zugleich bietet der Film auch die weltanschauliche Summe von Parks Beschäftigung mit dem Rachethema. „Lady Vengeance“ versagt sich dabei ebenso allen Sadismen und reaktionären Zügen, die US-Filme über Rache und Selbstjustiz prägen wie reiner Ästhetisierung à la „Kill Bill“ (fd 36 195/ 36 482) – bei aller Brillanz –, wie auch umgekehrt dem Übermut des guten Gewissens, der moralisch Arroganz all jener, die jedes Rachedenken von vornherein von sich weisen. Gewiss: Es ist eine Errungenschaft der Zivilisation, Rachedenken zu überwinden; aber das bedeutet nicht, dass es verschwindet. Rachefantasien sind das Andere der Zivilisation, darauf besteht Park und spielt in seiner Trilogie deren Motivations- und Variationsbreite durch. „Lady Vengeance“ ist, wie seine beiden Vorgänger, eine moralische Fabel. Voller Zärtlichkeit für die Hauptfigur, voller Sinn für filmische Poesie und Schönheit ist dem Regisseur ein Meisterwerk gelungen.
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