KZ - Willkommen in Mauthausen

Dokumentarfilm | Großbritannien 2005 | 102 Minuten

Regie: Rex Bloomstein

Dokumentarfilm über das oberösterreichische Städtchen Mauthausen und dessen Umgang mit seiner Nazi-Vergangenheit: Von 1938 bis 1945 kamen im örtlichen KZ rund 100.000 Menschen ums Leben; heute ist das ehemalige Lager eine Gedenkstätte, die zahlreiche Besucher anlockt. Der Film verzichtet auf einen Off-Kommentar und emotionalisierende Musik ebenso wie auf die gängigen Archivbilder zugunsten genauer Beobachtungen der Stadt, verschiedener Bewohner und Touristen und riskiert damit einen Blick auf eine widerspruchsvolle Normalität zwischen Erinnern und Vergessen. - Ab 14 möglich.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
KZ
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
Rex Ent.
Regie
Rex Bloomstein
Buch
Rex Bloomstein
Kamera
Alexander Boboschewski
Schnitt
Richard Rhys Davies
Länge
102 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14 möglich.
Genre
Dokumentarfilm

Diskussion
An Dokumentarfilmen, die sich redlich mühen, die unfassbaren Vorkommnisse in Konzentrationslagern der Nationalsozialisten in adäquate Bilder zu fassen, herrscht nicht unbedingt Mangel. Und eigentlich darf man von einer Produktion mit dem schlichten Titel „KZ“ getrost einen weiteren Versuch erwarten, das Grauen nicht dem Vergessenwerden anheim fallen zu lassen. Doch der britische Filmemacher Rex Bloomstein hat einen etwas anderen Weg gewählt, um sich dem Sujet zu nähern. Am Beispiel des oberösterreichischen Städtchens Mauthausen versucht er zu erkunden, wie die Bewohner mit der Tatsache umgehen, dass die Nazis zwischen 1938 und 1945 unweit des Ortes ein KZ unterhielten, in dem rund 100.000 Menschen ermordet wurden. Dabei kommt Bloomstein nicht nur ohne jeden Off-Kommentar und emotionalisierende Musik aus, sondern verzichtet auch konsequent auf die gängigen Archivbilder. Stattdessen streift er wie ein neugieriger Tourist durch das idyllische Städtchen an der Donau, hält hier ein Schwätzchen am Gartenzaun, registriert die Filiale einer amerikanischen Burger-Kette, über der in Leuchtschrift „McDrive Mauthausen“ prangt, oder schaut in einem Biergarten vorbei, in dem sich Touristen an den fröhlichen Darbietungen alpiner Trachtengruppen erfreuen. Und Touristen, die anreisen, um die örtliche Sehenswürdigkeit zu bestaunen, gibt es viele in Mauthausen. Mit der Besonderheit, dass es sich bei der Sehenswürdigkeit eben um Gebäude des ehemaligen Lagers handelt, die heute als Gedenkstätte dienen. Oft folgt die Kamera unterschiedlichen Besuchergruppen, beobachtet ein junges Paar, das sich im Krematorium per Selbstauslöser fotografiert, als stände es vor dem Eiffelturm, oder sie registriert das zunehmende Entsetzen in den Gesichtern von Besuchern, die den nüchternen, aber schonungslos detaillierten Berichten während einer Führung lauschen. Einer dieser Angestellten der Gedenkstätte ist Harald Brachner, der als Ortskundiger in gewisser Hinsicht durch den Film führt. Ein Mann mittleren Alters, der u.a. an dem Widerspruch zerbrochen zu sein scheint, mit der täglichen Erinnerung an die Gräueltaten der Nazis seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Andere scheinen diesbezüglich weit weniger Skrupel zu haben. So etwa die Betreiber eines nahen Ausflugslokals namens „Frellerhof“, in dem seinerzeit schon die SS-Offiziere gern tafelten und heute die Busladungen von KZ-Touristen Rast machen. Und im Innenhof der Kneipe spielt denn auch die grausigste Szene des Films. Da intoniert ein volkstümliches Duo vor im Takt klatschenden Gästen die Hymne des traditionsreichen Hauses, deren erste Zeile so geht: „Die Moststub’n heroben beim KZ, die ist wirklich herrlich und nett.“ Wohlgemerkt: Die Musikanten bringen das Stück nicht zu Dokumentationszwecken für das Filmteam zu Gehör, sondern zur Unterhaltung des Publikums. Vermutlich irgendwo zwischen „Kufstein-Lied“ und „Edelweiß-Polka“. Es spricht eindeutig für den Film, dass der Regisseur diese Szene einfach so stehen lässt und nicht etwa der Versuchung erliegt, Musiker und Gäste nach ihrer Geistesverfassung zu befragen. Desgleichen läuft Bloomstein nie mit dem erhobenen Zeigefinger durch den Ort. Wenn jüngere Einwohner erklären, sie hätten keinerlei Problem damit, im schönen Mauthausen oder gar in Häusern ehemaliger SS-Offiziere zu leben, gibt der Dokumentarfilmer nicht vor, er wüsste, wie man in dieser Stadt ethisch korrekt zu leben hätte. Natürlich kommen auch hier ein paar ewig Gestrige zu Wort. So etwa die betagte Frau, die schwärmt, was für ein fescher Mann doch ihr Ex-Gatte, ein SS-Offizier, gewesen sei und welch tolle Hochzeit man damals im Lager ausgerichtet habe. Oder der Mann, der sich erinnert, der KZ-Kommandant sei „privat ein wunderbarer Mensch“ gewesen. Doch die eigentliche Qualität des Films besteht in Bloomsteins unvoreingenommener Neugier, mit der er protokolliert, dass sich zwischen den Alternativen Wegziehen oder täglich gramgebeugt durch die Straßen zu gehen, in Mauthausen eine Normalität mit all ihren Widersprüchen entwickelt hat, die einmal mehr von der Schwierigkeit eines wahren Lebens im Falschen erzählt.
Kommentar verfassen

Kommentieren