Alberto Giacometti - Die Augen am Horizont

Dokumentarfilm | Schweiz 2001 | 58 Minuten

Regie: Heinz Bütler

Porträt des in Graubünden geborenen Schweizer Bildhauers, Malers und Zeichners Alberto Giacometti (1901-66), der durch seine in die Länge gezogenen Skulpturen weltberühmt wurde. Der einfühlsame Film, in dem viele Weggefährten des Künstlers zu Wort kommen, zeichnet das Bild eines empfindsamen, von Humor und Enthusiasmus beseelten Menschen, der ein gnadenloser Kritiker der eigenen Arbeiten war. Der angenehm unvollständige, in der Schwebe gehaltene Film bietet keine abschließenden Erklärungen, sondern überzeugt als Liebeserklärung an den Künstler. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
ALBERTO GIACOMETTI - DIE AUGEN AM HORIZONT
Produktionsland
Schweiz
Produktionsjahr
2001
Produktionsfirma
Neue Zürcher Zeitung/NZZ Television
Regie
Heinz Bütler
Buch
Heinz Bütler
Kamera
Matthias Kälin
Schnitt
Anja Bombelli
Länge
58 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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IMDb

Diskussion
Das Schwierigste sei die Wölbung des Auges, sagt Alberto Giacometti; wenn ihm diese gelinge, dann habe er auch die Nasenwurzel, die Nasenspitze, die Nasenlöcher, den Mund – und ohne sich unbedingt auf das Auge konzentrieren zu müssen, habe er damit das Wichtigste: den Blick. Heinz Bütler versucht in seinem Film „Alberto Giacometti – Die Augen am Horizont“ den Blick des 1966 verstorbenen Bildhauers, Malers und Zeichners nachzuvollziehen, seinen Blick auf die Welt und auf – oder besser – in die Menschen. Denn in seiner Kunst, so vermittelt es der Film eindringlich, ging es Giacometti darum, „das Unsichtbare sichtbar zu machen, um Sein oder Nichtsein“, wie es der Galerist Jan Krugier beschreibt. Da bot sich der Surrealismus dem jungen Künstler, der mit Salvador Dalí und André Breton befreundet war, geradezu an. Ende der 1920er-, Anfang der 1930er-Jahre schuf er eine Reihe meist stark sexuell konnotierter, surrealistischer Skulpturen, zum Beispiel „Homme et femme“ (1928/29) oder „Pointe à l’oeil“ (1931): Eine bedrohliche Spitze zielt auf einen Augapfel, scheint diesen bereits durchbohrt zu haben. Nach knapp fünf Jahren kehrte Giacometti jedoch zur figürlichen Darstellung zurück und arbeitete mit Modellen; es kam zum Bruch mit den Surrealisten. Von da an fertigte Giacometti jene Skulpturen, die ihn berühmt machten: In die Länge gezogene, grob strukturierte Statuen und Büsten – anfangs winzig klein, später mannshoch. Etwas stärker als in den Künstlerporträts über den Fotografen Henri Cartier-Bresson (fd 38 226) oder den Maler Ferdinand Hodler (fd 38 232) betont Bütler die Biografie, bestimmte Einflüsse auf Giacomettis Werk, seine Herkunft aus einem abgelegenen Tal im schweizerischen Kanton Graubünden, nahe der italienischen Grenze. Das ist nicht zuletzt deshalb so, weil viele Freunde Giacomettis zu Wort kommen, der Maler Balthus, sein Biograf James Lord, der Schriftsteller Jacques Dupin, der Giacomettis Atelier in Paris mit einem Schlachtfeld vergleicht. Die persönlichen Erlebnisse und Anekdoten zeichnen ein Bild des Künstlers, das zumindest mit einem weit verbreiteten Klischee gründlich aufräumt: das des einsamen, verzweifelten Künstlers. Der Kunsthistoriker Jean Leymarie beschreibt Giacometti als Menschen voller Humor, Enthusiasmus und Neugier, wenn auch besessen von seiner Arbeit, unablässig zeichnend und gerade vollendete Arbeiten wieder verwerfend. Jan Krugier erzählt von seiner Angst, als er auf einer Ausstellung bemerkte, dass Giacometti einen Hammer in der Tasche trug – oft zerstörte er seine Kunstwerke wieder. Neben den lebendigen Schilderungen der Weggefährten untermalen Giacomettis eigene, oft poetische Aufzeichnungen, seine „Écrits“, den Film. Bütler findet die passenden Bilder dazu: Die regennasse Großstadt Paris aus dem Autofenster gefilmt, alternierend mit Einstellungen einsamer Bergstraßen und unberührter Landschaften in Graubünden. In einigen Ausschnitten aus einem Porträt der Filmemacher Ernst Scheidegger und Peter Münger aus dem Jahr 1965 erzählt Giacometti selbst und ist bei der Arbeit zu sehen. Bruchstückhaft bleibt Bütlers Film dennoch, angenehm unvollständig. Durch den selten eingesetzten, lakonischen Off-Kommentar wird nur ergänzt, was unablässig erscheint: „Die Augen am Horizont“ ist eine posthume filmische Liebeserklärung.
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