Ettore Sottsass - Der Sinn der Dinge

Dokumentarfilm | Schweiz 2002 | Minuten

Regie: Heinz Bütler

Porträt des zur Entstehungszeit des Films fast 90-jährigen Designers und Architekten Ettore Sottsass, der die Design-Geschichte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts maßgeblich mitprägte. Der Dokumentarfilm stellt den spielerischen Ansatz des Künstlers in den Vordergrund, wobei er sich mehr auf die Ideen und Werke Sottsass’ und weniger auf dessen Biografie konzentriert. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
ETTORE SOTTSASS - DER SINN DER DINGE
Produktionsland
Schweiz
Produktionsjahr
2002
Produktionsfirma
NZZ Film
Regie
Heinz Bütler
Buch
Heinz Bütler
Kamera
Matthias Kälin
Musik
Noël Akchoté · Fred Frith · Leos Janácek · Guy Klucevsek · Alan Bern
Schnitt
Anja Bombelli
Länge
Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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Diskussion
Drei Palmwedel: Zwei stecken vertikal im Boden, der dritte liegt horizontal darüber und begrenzt das Konstrukt nach oben. Dahinter ragt imposant eine wüstenhafte Felsformation auf. „Entwurf für eine Tür, die in den Schatten führt“, hat Ettore Sottsass seine auf dem Schwarzweiß-Foto abgebildete Naturskulptur aus den 1970er-Jahren genannt; philosophische Überlegungen leitet er daraus ab. In seinem Künstlerporträt „Ettore Sottsass – Der Sinn der Dinge“ folgt Heinz Bütler den Überlegungen, Erinnerungen und vor allem den Ideen des Designers und Architekten. Gleich zu Beginn des Films skizziert ein lakonischer Off-Kommentar die Bedeutung Sottsass’, seinen Einfluss, den er auf die Designgeschichte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und auf Generationen junger Gestalter hatte. Im Anschluss kommt in erster Linie der in Innsbruck geborene und in Mailand lebende und arbeitende Designer selbst zu Wort, seine Aufzeichnungen fungieren als Kommentar. Am 14. September feiert Ettore Sottsass seinen 90. Geburtstag, anlässlich dessen ihn das Design Museum London in diesem Jahr mit der Ausstellung „Ettore Sottsass – A Life in Design“ ehrte. Sorgfältig, behutsam und niemals aufdringlich fasst Bütler die Inspirationen des Designers in Bilder. Oberflächen sind Sottsass wichtig – die Kamera streift über unebene Felswände, eruptive Gebilde oder hebt Details seiner Bauten und Objekte hervor: Hier ein bunter Henkel am oberen Rand der blauen Vase, dort ein aus der Wand des Hauses gestülpter Giebelquader. So nähert sich der Regisseur dem anarchischen Geist des Architekten, für den Funktionalität und die ihr entsprechende Form allein nie genug war: Die blaue Vase hat nicht einen oder zwei Henkel, symmetrisch-pragmatisch angebracht, sondern viele, bunte, in unterschiedlichen Größen, spielerisch auf dem Korpus verteilt. Auf einem Blatt Papier skizziert Sottsass für die Kamera schnell einige Keramiken, zeigt, wie man die Dominanz der Mittelachse brechen kann, überhaupt mit einem Strich alle Vorstellungen davon in Frage stellen kann, was „gutes“ rationales Design ist und was nicht. „Ein Haus muss stehen – also geht es nicht ganz ohne Rationalität“, sagt Sottsass; wichtig sei aber der Horizont, der größere Zusammenhang, die Verknüpfung „mit dem Regen, der plötzlich fällt, den niemand erwartet hat.“ Strukturell ist der Film als Reise organisiert, die wichtige Stationen von Sottsass’ Schaffen zeigt: Das Haus auf den äolischen Inseln, sein Büro „SottsassAssociati“ in Mailand, die Glaswerkstätten auf Murano, seine eigenwilligen Bauten in Colorado und Lanaken in Belgien. Manchmal erfolgen die Sprünge von einem Ort zum anderen etwas unvermittelt, es bleibt unklar, warum am Ende noch einmal die Glasskulpturen und ihre Verwirklichung in Venedig wichtig werden. Grundsätzlich funktioniert die assoziative Montage aber, wird den so unterschiedlichen Visionen und Phasen des Designers gerecht, hebt einzelne Wendepunkte und Designklassiker hervor: Ausführlich wird etwa die „Valentine“ besprochen, die von Sottsass für Olivetti entworfene, tragbare Schreibmaschine, die heute im Museum of Modern Art in New York steht. Auch die Zeit zwischen 1981 und 1988 mit dem jungen, von Sottsass mitbegründeten Design-Kollektiv Memphis spielt eine wichtige Rolle – sie brachte für ihn den internationalen Durchbruch und hat mit ihrem spielerischen Ansatz, dem Experimentieren mit Materialien und Formen das Design und die Architektur der 1980er-Jahre wesentlich geprägt. Anhand seines Fotos von der Palmwedel-Tür in der Wüste erläutert Sottsass in wenigen Sätzen humorvoll den Kern seiner Herangehensweise: „Nicht die Tür selbst ist entscheidend, sondern der Augenblick des ‚die Seite Wechselns‘“ – denn was nützt eine perfekt entworfene Tür, wenn dahinter jemand lauert, der dich umbringen will?
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