- | Iran/Österreich/Frankreich 2006 | 113 Minuten

Regie: Bahman Ghobadi

Nach dem Sturz des Diktators Saddam Hussein setzt ein alter, im Norden des Iran lebender kurdischer Sänger alle Hebel in Bewegung, um ein letztes Konzert mit kurdischen Liedern im Irak geben zu können. Nur seiner Starrköpfigkeit und dem Durchhaltewillen seiner (Musik-)Truppe ist es zu verdanken, dass der Traum in Erfüllung geht. Der sehr poetische, stellenweise mit bizarrem Humor inszenierte Film nähert sich auf vielschichtige und vielfältige Weise dem Thema "Grenzen und ihre Überwindung" an. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
NIWEMANG
Produktionsland
Iran/Österreich/Frankreich
Produktionsjahr
2006
Produktionsfirma
Mij Film/New Crowned Hope/Silkroad Prod.
Regie
Bahman Ghobadi
Buch
Bahman Ghobadi · Behnam Behzadi
Kamera
Nigel Bluck · Crighton Bone
Musik
Hossein Alizadeh
Schnitt
Haydeh Safi-Yari
Darsteller
Ismail Ghaffari (Mamo) · Allah Morad Rashtiani (Kako / Busfahrer) · Hedye Tehrani (Hesho / Sängerin) · Hassan Poorshirazi (Grenzpolizist) · Golshifteh Farahani (Niwemang)
Länge
113 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Externe Links
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Diskussion
Rege Betriebsamkeit herrscht in einem kurdischen Bergdorf: Zwischen kleinen Lehmhäusern wird eine große Fahrt organisiert. Im Norden des Iran, in Kurdistan, dort wo die türkische, irakische und iranische Grenze zusammentreffen, tritt ein alter Mann seine letzte Reise an. Mamo, der berühmte und sehr eigensinnige alte Sänger, hat die Genehmigung erhalten, nach dem Sturz Saddam Husseins im Nordirak ein Konzert zu geben. Er ist entschlossen, alle Hindernisse zu überwinden. Denn bereits seit 35 Jahren wartet er darauf, wieder in den kurdischen Dörfern auf der anderen Seite der Grenze auftreten zu können, mit denen ihn intensive persönliche Erinnerungen verbindet. Sein Freund Kako organisiert einen alten Schulbus, um die zehn Söhne Mamos, die ihn mit ihren Instrumenten begleiten sollen, in ihren unterschiedlichen Bergdörfern aufzulesen und über schmale Straßen in den Nordirak zu bringen. Der Enthusiasmus des alten Sängers ist ansteckend, aber seine Söhne sind eher skeptisch; einer prophezeit sogar, dass noch vor dem nächsten Vollmond etwas Schreckliches passieren werde. Noch unbehaglicher wird es der Familie, als Mamo darauf besteht, dass für sein Konzert eine Frauenstimme unentbehrlich sei, denn das ist im Iran streng verboten. Dennoch fahren sie in das abgelegene Bergdorf, in das 1334 Sängerinnen geflohen sind, um Hesho abzuholen. Es ist nicht einfach, die junge Frau zu überzeugen, denn sie hat in der Verbannung fast ihr Selbstbewusstsein und den Glauben an ihre Stimme verloren. Doch sie kann überzeugt werden, muss aber wegen des iranischen Verbots im Schulbus versteckt werden, was zu erheblichen Spannungen führt. Niemand weiß, was sie an der irakischen Grenze erwartet, und so verläuft die Irrfahrt durch verlassene Dörfer und unwegsame Einöden voller Überraschungen, denen die Gruppe mit List begegnet. Bahman Ghobadi gehört zu den eigenwilligsten Regisseuren aus dem Iran und hat mit Filmen wie „Die Zeit der trunkenen Pferde“ (fd 35 110) und „Auch Schildkröten können fliegen“ (fd 37 023) ebenso skurrile wie poetische und engagierte Filme über die Gegenwart der Kurden geschaffen. Sein neuer Film erzählt die Geschichte einer Reise, in der sich die kurdische Musik und die karge Hochgebirgslandschaft ergänzen und bedingen und einen dynamischen Gesamteindruck hinterlassen, wobei die kargen, felsigen Panoramen der teilweise mit Schnee bedeckten Berge im kurdischen Niemandsland die überwältigende Kulisse liefern. Der Film entstand als Auftragsarbeit zum Mozart-Jahr im Rahmen des „New Crowned Hope“-Projekts und erzählt von der Liebe zur Musik über den Tod hinaus und gegen alle religiösen, politischen und geografischen Widrigkeiten. Im Iran konnte er bis heute nicht aufgeführt werden. Wie „Auch Schildkröten können fliegen“ ist auch „Half Moon“ ein Ensemble-Film. Diesmal steht ein fröhlich-zerstrittener Familienclan im Mittelpunkt, der zähneknirschend seinem starrköpfigen Patriarchen folgt. Immer wieder verbindet der Film komische Elemente mit aktuellen Hintergründen, die für eine ernste Grundierung sorgen. So thematisiert er etwa die Unterdrückung der Frau im Iran, die korrupte Polizei und natürlich die schlichte Unmöglichkeit, Grenzen zu überqueren. Wieder entfaltet Ghobadi mit schlafwandlerischer Sicherheit ein melancholisch-leichtes Spiel, das mit einem sehr poetischen, sehr authentischen und stellenweise recht bizarren Humor inszeniert ist. Etwa wenn sich der Alte für einen Moment in ein ausgehobenes Grab legt oder der Busfahrer an der türkischen Grenze scheitert: „Half Moon“ ist eben ein Film über Grenzen. Grenzen zwischen Staaten und zwischen den Geschlechtern, aber auch eine Parabel über die Grenze zwischen Leben und Tod, denn Mamo reist auch durch sein eigenes biografisches Niemandsland, spürt, wie ihm durch die Erinnerung auch die Nähe des Todes gegenwärtig wird.
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