- | Indien 1995 | 141 Minuten

Regie: Mani Ratnam

Ein Journalist aus streng religiöser Hindu-Familie verliebt sich in eine Muslimin. Beide heiraten gegen den Willen ihrer Eltern und ziehen ins multireligiöse Bombay. Obwohl sie auch dort vor Anfeindungen nicht sicher sind, finden sie ihr Glück, das durch die Geburt von Zwillingssöhnen gekrönt wird. In den Jahren 1992/93 flammt der Konflikt zwischen Hindus und Moslems auf, es kommt zu Anschlägen und Straßenkämpfen, in deren Wirren die Kinder verloren gehen, wodurch der Religionskonflikt für alle Beteiligten nebensächlich wird. In Romanze, Komik, Tanz- und Gesangseinlagen nutzt der Film die Zutaten des Bollywood-Kinos, zeichnet sich aber zugleich durch Realitätsnähe aus; auch die semidokumentarische Verwendung einer Handkamera in den Straßenszenen bricht mit Traditionen. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
BUMBAI
Produktionsland
Indien
Produktionsjahr
1995
Produktionsfirma
A.B.C.L/Madras Talkies
Regie
Mani Ratnam
Buch
Mani Ratnam · Umesh Sharma
Kamera
Rajiv Menon
Musik
A.R. Rahman
Schnitt
Suresh Urs
Darsteller
Arvind Swamy (Shekhar Mishra Narayan) · Manisha Koirala (Shaila Brano) · Tinnu Anand (Shakti Samaj Leader) · Akash Khurana · Sonali Bendre
Länge
141 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
REM (16:9, 2.35:1, DD2.0 Hindi)
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Diskussion
Als der tamilische Regisseur Mani Ratnam 1995 seine filmische Geschichtslektion „Bombay“ in die indischen Kinos brachte, saß der Schock über die Zerstörung der Babur-Moschee durch radikale Hindu-Nationalisten in Ayodhya am 6. Dezember 1992 noch tief. Das Attentat löste in vielen Städten und Regionen Indiens religiöse und nationalistische Unruhen aus und führte unter anderem auch in Bombay zu regelrechten Straßenschlachten. Vor diesem Hintergrund erzählt Ratnam eine zarte Liebesgeschichte zwischen Shekhar Mishra Narayan, dem Sohn einer streng religiösen Hindu-Familie, und Shaila, einer von den Eltern sorgsam bewachten Muslimin. Für die grenzüberschreitende Liebe auf den ersten Blick ist der Wind verantwortlich, der Shailas Burka für einen Moment lüftete, sodass Shekhar einen verbotenen Blick in das bezaubernde Gesicht der jungen Frau werfen konnte. Eine von der Natur gestiftete große Liebe als Konfliktfall zwischen zwei verfeindeten Häusern nach dem „Romeo und Julia“-Modell nimmt ihren Lauf und wird von den traditionell denkenden Vätern mit autoritärem Gehabe und Verboten abgestraft. Das Liebespaar flieht aus der kleingeistigen Provinz in die nur scheinbar tolerante Metropole, heiratet dort ohne den Segen der beiden Familien und bekommt zwei Söhne: eineiige Zwillinge. Shaila und Shekhar taufen im Zuge der Gerechtigkeit ihre sich zum Verwechseln ähnlich sehenden Kinder nach den beiden Großvätern, erziehen sie in beiden Religionen und erschaffen somit ein lebendiges Mahnmal für Toleranz, ein Akt, der für die beiden Jungen um ein Haar zum schrecklichen Verhängnis werden wird. Mani Ratnams „Bombay“ endet mit einem ebenso überraschenden wie entschiedenen Bekenntnis zu Humanität und Frieden. Formal scheint der Film auf den ersten Blick in zwei Teile zu zerfallen: in die Liebesgeschichte und das großstädtische Massaker, in dem die Familienmitglieder sich verlieren und um ihr nacktes Leben kämpfen müssen. Doch der zweite Part gibt überraschende Antworten auf die innerfamiliären Konflikte im ersten Teil, vor allem, weil sich die wegen der Unruhen besorgten Großeltern nach vielen Jahren der Trennung von ihren Kindern und Enkeln auf die Reise nach Bombay begeben. Sie statten dort einen Überraschungsbesuch ab, der zu innerfamiliärer Versöhnung führt, während auf der Straße der besinnungslose Mob tobt. Im Folgenden wird vor allem die vormals unerbittliche Elterngeneration mit den grausamen Konsequenzen einer unreflektierten Traditionsverbundenheit konfrontiert. Doch die Starrköpfigkeit und Engstirnigkeit der dörflichen Welt lässt sich in ihren Folgen durch das Eingreifen von Freunden und Nachbarn immer noch steuern und sogar bremsen, während der anonyme Ausbruch des irrationalen Volkszorns in der Megacity nur durch staatliche Gewalt brutal niedergeschlagen werden kann. „Bombay“ handelt von Liebe, Familie, Religion, Glück und Unglück – und ist dennoch kein romantischer Familienfilm. Dazu sind vor allem die Straßenszenen im zweiten Teil zu schonungslos in der Gewaltdarstellung. Der Film enthält choreografisch ausgefeilte Tanzszenen und wird nicht zuletzt durch die suggestive Filmmusik aus der Feder des berühmtesten indischen Filmkomponisten A.R. Rahman zum Ausnahmefilm. Rahman und Ratman verbindet eine lange und kongeniale Arbeitsgemeinschaft. Die zwölf Jahre nach dem Kinostart von „Bombay“ erschienene DVD-Edition enthält den Film im Originalton mit deutschen Untertiteln und darüber hinaus keine weiteren Extras. Entscheidend ist, dass der Anbieter, Spezialist für qualitativ hochwertige indische Filme, dieses Meisterwerk in einer guten Bild- und Tonqualität auf den deutschen Markt gebracht hat und so mit seinem Programm einmal mehr dem Vorurteil entgegenwirken kann, das indische Kino produziere nur leichte Kost. Die DVD ist unbedingt zu empfehlen, schlicht darum, weil es Mani Ratnams „Bombay“ verdient, zu den Klassikern des indischen Films gezählt zu werden. Wer nach „Bombay“ weitere Filme des Regisseurs sehen möchte, sei auf „Dil Se –Von ganzem Herzen“ (fd 37 090), „Yuva“ (fd 37 802) und „Guru“ (2007) hingewiesen.
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