Hinter dem Zuckervorhang

Dokumentarfilm | Kuba/Spanien/Frankreich 2006 | 82 Minuten

Regie: Camila Guzmán Urzúa

Mit Hilfe ehemaliger Schulkameraden sucht die chilenische Regisseurin nach Spuren ihrer Kindheit im kubanischen Exil in der Zeit des wirtschaftlich prosperierenden Sozialismus. Der sehr persönliche Dokumentarfilm reflektiert durch die Spannung zwischen Erinnerung und Gegenwart den Niedergang der Zuckerrohrinsel, wobei er keine Analyse des sozialistischen Traums bietet, sondern eine Reise in die Biografie der Regisseurin, die die politische Situation auf privater Ebene spiegelt. (O.m.d.U.) - Ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
EL TELÓN DE AZÚCAR
Produktionsland
Kuba/Spanien/Frankreich
Produktionsjahr
2006
Produktionsfirma
Paraïso Prod./Luz Films/TVE
Regie
Camila Guzmán Urzúa
Buch
Camila Guzmán Urzúa
Kamera
Camila Guzmán Urzúa
Musik
Omar Sosa
Schnitt
Camila Guzmán Urzúa · Claudio Martínez
Länge
82 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm

Diskussion
„Pioniere für den Kommunismus. Seid wie der Che!“, skandieren die kleinen kubanischen Grundschüler in den typischen Schuluniformen, den weißen Hemden und den roten Halstüchern. Dieses Ritual ist geblieben, auch wenn sich sonst alles geändert hat. Die 35-jährige Filmemacherin Camila Guzmán erinnert sich in ihrer sehr persönlichen Dokumentation an ihre Jugend im kubanischen Exil und spannt den Bogen vom kindlichen Idealismus zur illusionslosen Gegenwart. Ein Großteil ihrer ehemaligen Schulkameraden hat die Insel mittlerweile verlassen. Der Titel des Films bezieht sich sowohl auf den „eisernen Vorhang” als auch auf den Zucker, den bedeutendsten Exportartikel des sozialistischen Kubas, der auch als Metapher für eine süße, mitunter verklärende Kindheitserinnerung steht. Die Tochter des chilenischen Dokumentarfilmers Patricio Guzmán kam im Alter von zwei Jahren nach Kuba, als die Familie nach dem Putsch der Militärs 1973 die Heimat verlassen musste. Camila Guzmán Urzúa beschreibt nicht nur ihre Schul- und Studienzeit im kubanischen Exil, sondern auch den Mythos der kubanischen Revolution. Sie charakterisiert eine verlorene Generation, die ihre Schulzeit in einer Phase des wirtschaftlich prosperierenden Sozialismus erlebte – und nach deren Ende die wirtschaftliche Krise, die auf den Zusammenbruch des Ostblocks folgte. Die Regisseurin erlebte die „goldenen Jahre“ des karibischen Sozialismus, bevor sie, auf den Spuren ihres Vaters, nach Spanien und später nach Paris ging. Für ihren Film kehrte sie nach Kuba zurück und befragte ihre ehemaligen Schulkameraden, was vom sozialistischen Traum nach dem Fall der Berliner Mauer und den Jahren der dramatischen Versorgungslage, der „periodo especial“ (der Sonderperiode), geblieben ist. Der Kontrast zwischen Wunschtraum und Realität fällt hart aus: Ein Sozialismus in der Agonie, in der nur noch der Dollar zählt, und eine Generation, die alle Perspektiven verloren hat. „Hinter dem Zuckervorhang“ ist indes kein Versuch, die politische und soziale Gegenwart oder gar die Geschichte Kubas zu analysieren, sondern ein Spiegel des Privaten in der politischen Ebene, die kontinuierliche Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart. Die aussichtslose wirtschaftliche und politische Situation wird immer wieder erörtert; die Regisseurin spricht dabei selbst den Kommentar, persönlich und betroffen – so verdichtet sich ihr Film zu einer Reise in die eigene Biografie. Sie besichtigt mit ihren Freunden die Orte der gemeinsamen Kindheit, heute oft nur noch Ruinen oder einem ganz anderen Zweck zugeführt. Offen bleibt, ob dieses Kuba der Kindheitserinnerungen nicht letztlich auch nur ein Traum war, eine Fiktion, die den heutigen Kindern und Jugendlichen fremd ist. Ein faszinierendes Dokument zwischen der Noch-Castro und der Nach-Castro Zeit.
Kommentar verfassen

Kommentieren