Komödie | Frankreich/Libanon 2007 | 95 Minuten

Regie: Nadine Labaki

Fünf libanesische Frauen unterschiedlichen Alters arbeiten und treffen sich in einem Friseur- und Schönheitssalon in Beirut. Dort sprechen sie über ihre Probleme mit Liebe, Sex und der Diskrepanz zwischen dem angeblich so freien Leben im modernen Libanon und den immer noch bestehenden emotionalen Fesseln aus Religion und überkommenem Rollenverständnis, das zu Vorwürfen und Schuldgefühlen führt. Eine sinnlich-verspielte, farbenfrohe Komödie, die reizvolle Einblicke in eine fremde Kultur vermittelt. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
SUKKAR BANAT
Produktionsland
Frankreich/Libanon
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
Les Films des Tournelles/CNC/Les Films de Beyrouth/Ministère des Affaires Etrangéres/RoissySunnyland/arte
Regie
Nadine Labaki
Buch
Rodney Al Haddad · Jihad Hojeily · Nadine Labaki
Kamera
Yves Sehnaoui
Musik
Khaled Mouzannar
Schnitt
Laure Gardette
Darsteller
Nadine Labaki (Layale) · Yasmine Elmasri (Nisrine) · Joanna Moukarzel (Rima) · Gisèle Aouad (Jamale Tarabay) · Adel Karam (Youssef)
Länge
95 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Komödie
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Alamode (16:9, 1.85:1, DD2.0 arab./dt.)
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Diskussion
Der Friseur- und Schönheitssalon in Beirut trägt den französischen Namen „Si belle“, was schon darauf hindeutet, dass man sich weltoffen gibt. Doch die Frauen, die hier arbeiten, sowie ihre Kundinnen und Nachbarinnen sind eher wie eine große Familie, in der man versucht, einander zu helfen, was nicht heißt, dass man sich manchmal nicht auch die schönsten Gemeinheiten an den Kopf wirft. „Was hast du gemacht? Ich sehe aus, als ob ich schiele und 60 Jahre alt wäre und eine zerzauste Hexe“, klagt Jamale. „Ja, wie eine femme fatale“, sagt Rima trocken. Immer wieder bringt die libanesische Regisseurin Nadine Labaki (geb. 1974), die auch am Drehbuch zu ihrem Spielfilmdebüt mitschrieb und die Hauptrolle spielt, mit solch sketchartigen Einwürfen die Dinge auf den Punkt. Jamale ist eine Möchtegern-Schauspielerin um die 50, die sich vor dem Casting mit einem Foto ihrer Wunschfrisur einfindet, die man ihr natürlich nicht machen kann. Jamale leidet, seit ihr Mann sie wegen einer Jüngeren verlassen hat; in einer Gesellschaft, in der die Schönheit einer Frau deren wichtigstes Kapital ist, will sie alles tun, um zu gefallen. Im Gegensatz zu Rima, der 24-jährigen Friseuse, die sich betont jungenhaft gibt. Es dauert eine Weile, bis die anderen dahinterkommen, dass sie eher Frauen als Männern zuneigt ist und deshalb spöttische Bemerkungen macht, wenn eine Frau nur der Männer wegen schön sein will. Oder gar wie ihre Kollegin Nisrine sich ihr Jungfernhäutchen wieder zunähen lassen will, weil sie einen jungen Moslem heiratet, der nicht wissen soll, dass sie keine Jungfrau mehr ist. Sonst würde er sie wohl doch nicht heiraten, fürchtet sie. Layale, Chefin des Ladens, liebt einen verheirateten Mann, den man immer nur von hinten sieht, im Gegensatz zu dem netten jungen Polizisten, mit dem Nisrine gelegentlich flirtet, oder dem eleganten älteren Charles, der sich in die 65-jährige Rose, Nachbarin der Friseuse, verliebt. Auch Männer dürfen in den Salon kommen und bekommen zuweilen die gleiche Behandlung wie die Frauen, deren Geruch allein schon alle milder stimmt: Caramel wird gemixt, heiß gemacht und genüsslich wie eine Strähne um die Hand gewickelt – zum Entfernen der Haare, auch an empfindlichen Stellen. Außerdem soll es beruhigend wirken, doch schon wenige Minuten später geht es wieder hektisch zu, wie so oft, wenn Frauen in der arabischen Welt unter sich sind. Sie reden laut, lachen und erzählen von den intimsten Dingen. Die Dialoge sind dabei oft humorvoll und karikieren das jeweilige Rollenbild. Im Gegensatz zu den Frauen in der französischen Schönheitssalon-Komödie „Schöne Venus“ (fd 34 173) sind die libanesischen Frauen weit munterer, und die Konflikte sitzen tiefer. Unterschiede zwischen dem Islam und dem Christentum – nicht alle Frauen sind Musliminnen – werden diskutiert, es geht auch um Kindererziehung, um die Behandlung von alten und behinderten Familienmitgliedern: Roses Schwester ist verrückt, aber Rose kümmert sich lieber selbst um sie, als sie in ein Heim zu geben. Feste, Hochzeiten, kleine Alltagsdramen zu Hause und auf der Straße führen immer wieder weg aus dem Salon, in dem sich der Hauptteil der Handlung abspielt. Auch das unterscheidet „Caramel“ vom engen Mikrokosmos in „Schöne Venus“ – ebenso wie die eher warmen Farben, die orientalische Instrumentalmusik und die Songs mit gelegentlich europäischen Elementen, die Khaled Mouzanar, Ehemann der Regisseurin, beisteuerte, sowie die lebensfrohen, stellenweise erotisch-verführerischen Bildausschnitte. Dass ausschließlich Laien spielen, merkt man nicht, alles wirkt natürlich. Zwei der fünf Frauen gönnt Nadine Labaki eine Weiterentwicklung – Layale und Rose lassen sich nicht mehr fremdbestimmen und ändern ihr Leben –, trotzdem hat „Caramel“ nichts mit den Frauenfilmen westlicher Prägung gemeinsam, die längst nicht so verspielt, sinnlich und bittersüß sind.
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