Was am Ende zählt

Drama | Deutschland 2007 | 104 Minuten

Regie: Julia von Heinz

Eine von Zuhause ausgerissene junge Frau, die eigentlich Mode studieren will, strandet mittellos auf einem heruntergekommenen Kahn, der in ein Restaurant umgewandelt werden soll. Bei ihren Hilfsarbeiten lernt sie eine in ihrer Lebenshaltung gänzlich entgegengesetzte Gleichaltrige kennen, woraus sich während eines Jahres über Höhen und Tiefen hinweg eine innige Freundschaft entwickelt, die sich auch angesichts einer geheim gehaltenen Schwangerschaft bewährt. Ein intensiver Film um ein schwieriges Leben ohne soziale Absicherung und Konventionen, zwar recht konstruiert in der Handlung, was aber mühelos von den beiden überzeugenden Darstellerinnen ausgeglichen wird. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
Credofilm/WDR/arte
Regie
Julia von Heinz
Buch
John Quester · Julia von Heinz
Kamera
Daniela Knapp
Musik
Matthias Petsche
Schnitt
Florian Miosge
Darsteller
Paula Kalenberg (Carla) · Marie-Luise Schramm (Lucie) · Benjamin Kramme (Michael) · Heidrun Bartholomäus (Doris) · Vinzenz Kiefer (Rico)
Länge
104 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. ein Feature mit im Film nicht verwendeten Szenen.

Verleih DVD
Pro-Fun (16:9, 1.85:1, DD5.1 dt.)
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Diskussion
Die eine: Carla. Betont schick gekleidet, kommt die noch sehr junge Frau erwartungsfroh am städtischen Bahnhof an, um in derselben Nacht weiter nach Lyon zu reisen, wo sie eine Modeschule besuchen will. Doch mit einem ebenso simplen wie heimtückischen Trick raubt man ihr den gesamten Besitz. Anzeige erstatten ist nicht möglich: Carla ist von Zuhause ausgerissen, hat mit den Eltern gebrochen. „She’s leaving home.“ Gestrandet ohne jegliche Sicherheit. Die andere: Lucie. Sie lebt auf der Straße, und wenn auch sie überhaupt einen Lebensentwurf hat, dann besteht dieser allenfalls darin, sich irgendwie durchzuschlagen und nie den Mut zu verlieren. „Freedom is just another word for nothing left to lose.“ Lucie hängt abgöttisch an ihrem drogenabhängigen Bruder Michael, der für sie alles an Familie und „Heim“ bedeutet; sie jobbt und wohnt auf einem heruntergekommenen Frachtkahn, den Freunde zu einem schwimmenden Restaurant umbauen wollen. Deren Boss ist Rico, und der liest die mittellose Carla auf, nutzt ihre Situation sexuell aus und gibt auch ihr einen Job auf dem Kahn. So begegnen sich Carla und Lucie, die unterschiedlicher nicht sein könnten und die sich doch zusammenraufen und zu besten Freundinnen werden, die sich vertrauen und alles teilen. Nach Monaten entdeckt Carla, dass sie schwanger ist – für einen Abbruch ist es längst zu spät. Da ihre Krankenversicherung über ihren Vater läuft, entwickeln sie und Lucie einen betrügerischen Rettungsplan: Carla bekommt das Baby unter Lucies Namen, Lucie nimmt es nach der Geburt an, die Pflege wollen sich beide teilen. Dass dieser Plan zunächst tatsächlich funktioniert, die Schwangerschaft unentdeckt bleibt und man mit Michael eine Wohngemeinschaft gründen kann, nimmt sich wie ein Wunder aus. Doch es bedarf noch weit mehr, vor allem viel Erkenntnis, Kraft und Überwindung der eigenen Ängste, Ansprüche und Grenzen, um die sich existenziell dramatisch zuspitzende Krisensituation wenigstens annähernd zu meistern. „Was am Ende zählt“ handelt von zwei jungen Menschen, eigentlich Mädchen noch, „die ihr Leben in einer Parallelwelt aus eigener Kraft, ohne die Absicherung der Gesellschaft, aber auch ohne deren Konventionen“ bestreiten, wie Regisseurin Julia von Heinz erläutert. Dass beide dabei Kräfte freisetzen, die „sie in einem bürgerlichen Umfeld niemals entwickelt hätten“, veranschaulicht sich höchst intensiv vor allem dank der beiden Protagonistinnen Paula Kalenberg („Die Wolke“, fd 37 522) und Marie Luise Schramm, die sich seit „Mein Bruder, der Vampir“ (fd 35 614) immer eindrucksvoller als ebenso sensible wie „rustikal“-überlebensfähige Protagonistin profiliert. Wie die beiden miteinander agieren, aufeinander zugehen, Konflikte austragen, Grenzen überschreiten, sich und die jeweils andere in diesem bizarren gemeinsamen Jahr „aushalten“, das trägt über manche konstruierte Drehbuchsituation hinweg und zeugt von großer Intensität und Frische. Eindrucksvoll versinnbildlicht sich, wie zwei jugendliche Außenseiter an sich und der anderen wachsen und irgendwann merken, wie stark sie gemeinsam sind. Mag da auch die über die Maßen komplizierte Handlung des öfteren ins Straucheln geraten und sich inszenatorisch kein immer homogener Erzählfluss einstellen – man lebt dennoch die Handlung ein Stück weit mit und fiebert angesichts der Abstürze der beiden jungen Frauen ebenso mit, wie man ihre an bürgerlichen Maßstäben gemessene „Unreife“ durchaus auch als individuelle Stärke akzeptieren lernt. So gesehen, ist „Was am Ende zählt“ mehr als eine der im deutschen Film gängigen Coming-of-Age-Geschichten, geht es doch auch um die Freiheit und die Grenzen von individuellen Lebensentwürfen angesichts eines sozialen Systems, das sich mit Außenseitern ausgesprochen schwer tut.
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