Le théâtre des opérations

Dokumentarfilm | Schweiz/Frankreich 2008 | 86 Minuten

Regie: Benoît Rossel

Streng konzipierter Dokumentarfilm über einen 27-jährigen Arzt während seiner Ausbildung zum Chirurgen an der Universitätsklinik Lausanne. Minutiös beobachtet er die Vorgänge im Operationssaal und konzentriert sich auf das Handwerk der Mediziner. Der intensive und herausfordernde Film eröffnet bedrängende Einblicke ins Innere des menschlichen Körpers und meditiert an der Grenze zwischen Leben und Tod über das Leib-Seele-Verhältnis. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
LE THÉATRE DES OPERATIONS
Produktionsland
Schweiz/Frankreich
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Everybody on the Deck/PCT Cinéma & Television
Regie
Benoît Rossel
Buch
Benoît Rossel
Kamera
Séverine Barde · Stéphane Kuthy · Benoît Rossel
Musik
Karol Beffa
Schnitt
Catherine Rascon
Länge
86 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Dokumentarfilm
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Diskussion
In den ersten Einstellungen fährt die Kamera durch zwei Operationssäle – verharrt vor einem entzündeten Blinddarm, der gleich darauf entfernt wird. Wir sind im Universitätskrankenhaus Lausanne und begleiten den 27-jährigen Doktor Nikos Kotzampassakis auf seinem Weg zum Facharzt für Chirurgie. Regisseur Benoît Rossels erster Kinofilm dokumentiert Nikos’ ersten eineinhalb Jahre in einem richtigen Krankenhaus, mit einem riesigen, soeben entfernten Darmtumor, den eine Hilfskraft zerstückelt und, im Müllbeutel verpackt, entsorgt. Obwohl wenig Blut zu sehen ist, ist das sicher kein Film, bei dem Popcorn schmeckt. Zu sehen ist Nikos als ein Held des Alltags: klein, hübsches Gesicht, ruhig. Anfangs wird er eingewiesen, wie man sich professionell die Hände wäscht. Am Ende seines Praktikums bekommt er eine der heiß begehrten Assistenzstellen. An vorderster Front im Kampf gegen den Tod versagt knapp ein Viertel aller, die die Ausbildung anfangen. Kein Wunder, denn anders als auf George Clooneys „Schlachtfeld“ – so Drehbuchautor Michael Crichton über seine Fernsehserie „Emergency Room“ – gibt es hier keine Liebeleien zwischen gutaussehenden Ärzten und süßen Schwestern. Operieren geschieht vor trister Kulisse in einem Plattenbau; keine Liebschaften allenthalben; Nikos raucht einsam auf dem Dach des Krankenhauses. So etwas wie ein Privatleben scheint er nicht zu haben. Er spielt nichts weiter als eine Rolle im so genannten „operating theater“ – einem Synonym für den Operationssaal, wo alle Anwesenden ihren Part erfüllen. Anders als die Vorläufer der cinéma-vérité-Krankenkaus-Filme, etwas Frederick Wisemans „Hospital“ (1970), der den Alltag im New Yorker Metropolitan Hospital dokumentierte, menschelt dieser Film nur auf kleiner Flamme. Stattdessen setzt Rossel auf Cronenberg-ähnliche Repräsentationen von Organen. Wenn man ins Innere des Körpers sieht, erscheint er als wabernde Masse irrealer Objekte, die den Tod im Leben – oder umgekehrt – konnotieren. Man kann froh sein, dass die moderne Medizin sie in die Schranken weist! Nur einmal, beim morgendlichen Rapport, tritt der Tod tatsächlich auf. Auf dem Halbprofil einer jungen Ärztin spiegelt sich Trauer angesichts einer lapidar vorgetragenen Todesnachricht. Um dramatische Effekte sind auf der Tonebene in erster Linie die schrillen Geigen- und sonoren Cello-Klänge bemüht. Benoît Rossel sagt zu Beginn des Films, er habe Angst vor dem Tod. Am Ende dieser Reise durch den Operationsbetrieb befindet er: „Der Körper ist nur ein Körper. Es ist nicht die Person, die im Körper wohnt. Die Chirurgen operieren den Leib und nicht die Seele. Sie sind Mechaniker, die versuchen, das Leben zu erhalten. Die Seele werde ich woanders finden können. Solange ich da bin, ist der Tod nicht da!“ Rossels Film überzeugt durch seine hervorragende Handhabung aller filmtechnischen Möglichkeiten und liefert ein Dokument, das in seiner Intensität unter die Haut geht.
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