Das große Rennen - Ein abgefahrenes Abenteuer

Abenteuer | Irland/Deutschland 2009 | 86 Minuten

Regie: André F. Nebe

Ein elfjähriges Mädchen in der ländlichen Provinz Nordirlands, Tochter eines vom Konkurs bedrohten Bauern, der sich zudem der unausweichlichen Trennung von seiner Frau stellen muss, erringt mit Mut und Durchsetzungskraft einen Platz in einem Seifenkistenrennen. Abenteuerlicher Kinderfilm um ein sensibles Mädchen, das sich in schweren Zeiten der Veränderung und des schmerzvollen Verlusts behauptet und tapfer um seine Träume und (Lebens-)Ansprüche kämpft. Die schöne, für Kinder glaubwürdig nachvollziehbare Fabel leidet an der etwas zu bieder und vorhersehbar inszenierten äußeren Handlung. - Ab 10.
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Filmdaten

Originaltitel
THE RACE
Produktionsland
Irland/Deutschland
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
zero fiction film/zero west Filmprod./Grand Pic.
Regie
André F. Nebe
Buch
Rowan O'Neill
Kamera
Dirk Morgenstern
Musik
Eike Hosenfeld · Moritz Denis · Tim Stanzel
Schnitt
Diana Karsten · Dirk Schwarz
Darsteller
Niamh McGirr (Mary Kensay) · Colm Meaney (Frank Kensay) · Susan Lynch (Katey Kensay) · Jonathan Mason (Tom) · Eoin McAndrew (Michael Magee)
Länge
86 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 10.
Genre
Abenteuer | Kinderfilm
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Irgendwann im Verlauf der Ereignisse stellt Mary Kensay einmal nachdenklich und ratlos fest: „Ich weiß nicht, irgendwie fahren alle weg...“ Womit das elfjährige Mädchen mit den leuchtend roten Haaren und seinem beharrlichen Optimismus die Entwicklung in seinem familiären wie sozialen Alltag in einer ländlichen Region Nordirlands hellsichtig auf den Punkt bringt: Nichts geht mehr, alles stockt oder verändert sich dramatisch – ob zum Guten oder Schlechten, das wird wohl erst die Zukunft zeigen, und ein Stück von ihr wird auch Mary sein. Es ist Herbst, und über der idyllischen, farbenprächtigen Provinzlandschaft mit ihren Wiesen, Schafherden und Dörfern kehrt spürbar eine Zeit des Innehaltens ein, und man erkennt: eine Region im heiklen strukturellen Wandel, der (berechtigte) Existenzängste und viel Erklärungsnotstand mit sich bringt. Der Pfarrer schimpft, dass die Gesellschaft ihren „moralischen Kompass“ weggeworfen hätte, und wettert gegen alles von der modernen „Sittenlosigkeit“ bis zur Pop-Musik. Was ebenso wenig hilfreich ist wie das verstockte Schweigen und Insichgekehrtsein von Marys Vater Frank: Der Landwirt steht vor dem finanziellen Ruin und muss zugleich das Scheitern seiner Ehe mit Katey erkennen, die sich zwar für die harte Hofarbeit und vor allem für die über alles geliebte Tochter aufopfert, aber doch von einem erfüllteren und selbstbestimmten Leben träumt. „Manchmal ist es besser aufzugeben als darum zu kämpfen“, erklärt sie Mary, ihrer kleinen Verbündeten in schweren Zeiten der Veränderung und des Verlusts. So sehr Mary das alles schmerzt und sie auch ein Stück weit überfordert, so sensibel erahnt sie, dass auch sie sich behaupten muss, um ihre Träume und (Lebens-)Ansprüche zu verwirklichen. Das mag alles so gar nicht nach einem Kinderfilm klingen, ist aber gleichwohl die substanzielle und spannungsreiche Ebene hinter der abenteuerlichen Fabel um das „große Rennen“ – und einsichtig auch für Kinder, die gewiss verstehen, dass es bei Schlagworten wie Sieg und Niederlage auch um tiefere Erkenntnisse gehen kann: nämlich um Verständnis und Einsicht, Respekt und Akzeptanz, Mut und Selbstbewusstein. Vor allem, wenn man als Mädchen in eine angestammte Männerdomäne eindringt, von den Mitschülern hämisch als „Bauerntrampel“ beschimpft und für den Traum, Ingenieurin und Rennbahn-Konstrukteurin zu werden, ausgelacht wird. Da ist es eigentlich ein schöner Kontrast, dass ausgerechnet ein altmodisches, unspektakuläres „Seifenkistenrennen“ zum zentralen „Event“ wird: ein Kart-Rennen in selbstgebauten „Boliden“, einen langen, schwierigen und kurvenreichen Parcours hinab bis zum Meer. Mary erkämpft sich ihren Rennplatz unter lauter Jungen, trainiert eifrig mit ihrem besten Freund Tom und überwindet sogar den anfänglich heftigen Widerstand ihres Vaters – weil der begreift, dass er so manches loslassen kann und auch muss, nicht aber die Solidarität mit seiner Tochter aufgeben darf. Colm Meaney spielt Vater Frank überzeugend und vielschichtig, ebenso fesselt Susan Lynch als Mutter Katey, die in ihrer schweren Entscheidung gegen ihre kleine Familie emotional transparent und nachvollziehbar wird. Dagegen bietet die äußere Handlung um das Kart-Rennen, akzentuiert von Rivalitäten und Intrigen der Jungen, freilich kaum einmal das im deutschen Untertitel versprochene „abgefahrene Abenteuer“ – alles kommt inszenatorisch doch eher bieder-brav daher und mag einem inzwischen ganz andere, weit spektakulärere filmische Erlebniswelten gewohnten Kinderpublikum eher „verschnarcht“ erscheinen. Es dürfte das größte Problem des ganz gewiss nicht unsympathischen Kinderfilms sein, dass er zu wenig Stimmung, (Renn-)Atmosphäre und äußere Spannung aufbaut, wodurch man ihm auch in seine konfliktreichen inneren Themen folgen würde.
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