Dokumentarfilm | Deutschland 2009 | 91 Minuten

Regie: Thomas Bergmann

Dokumentarfilm über russische Juden, die im Zweiten Weltkrieg gegen Nazi-Deutschland kämpften, in der Sowjetunion Diskriminierungen ausgesetzt waren, nach der Wende nach Deutschland emigrierten und sich der jüdischen Gemeinde in Frankfurt/Main anschlossen. Er gibt ihnen viel Raum, ihre Erinnerungen mitzuteilen, und beobachtet Alltag und Feiern der Gemeinde. Daraus erwächst ein heiter-melancholisches Porträt gelebter Zeitgeschichte, getragen von dem spürbaren Respekt, den es den Protagonisten entgegenbringt. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Pilotfilm/ZDF/3sat
Regie
Thomas Bergmann · Mischka Popp
Buch
Thomas Bergmann · Mischka Popp
Kamera
Jörg Jeshel
Musik
Roman Kuperschmidt
Schnitt
Peter Przygodda · Wolfgang Weigl
Länge
91 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Dokumentarfilm

Diskussion
Soweit er sich erinnern kann, sei er immer Optimist gewesen, sagt der Mann, der sich in einem mit allerlei Orden dekorierten Sakko in seiner Frankfurter Stadtwohnung seltsam fremd ausnimmt. Dabei hätte der 98-jährige Veteran eigentlich allen Grund, das Leben eher von der pessimistischen Warte aus zu sehen. Er kämpfte in der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg gegen den Faschismus, musste zahllose Gräueltaten mit ansehen, wurde nach Kriegsende aber dennoch nicht als Held gefeiert, sondern als Jude durch die Sowjet-Ideologie diskriminiert. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus entschloss er sich, im hohen Alter nach Deutschland auszuwandern. Ausgerechnet nach Deutschland. Heute gehört er wie viele andere seiner ehemaligen Kampfgefährten zur jüdischen Gemeinde in Frankfurt am Main. Und der haben die russischen Emigranten, die während der letzten Jahre nach Deutschland kamen, nicht zuletzt einen neuen Feiertag beschert. Am 9. Mai wird dort der Tag der Befreiung, der Sieg über den Faschismus gefeiert. Wozu die Veteranen natürlich im vollen Ornat mit all ihren Orden und Tapferkeitsmedaillen erscheinen. Mischka Popp und Thomas Bergmann stellen in ihrem Dokumentarfilm einige Auswanderer vor und lassen sie von ihren Erfahrungen, Erinnerungen und Hoffnungen erzählen. Doch nicht nur die Veteranen kommen zu Wort, sondern auch Emigranten der jüngeren Generation, die in Deutschland Arbeit, aber nicht unbedingt das Glück, geschweige denn eine Heimat gefunden haben. Etwa eine Künstlerin, die Kollagen aus Einwickelpapieren macht, oder zwei Eheleute, die in Russland ihre hoch qualifizierten Jobs aufgaben und sich in Frankfurt mit einem Tante-Emma-Laden durchschlagen. So wird der Film, der ohne Off-Kommentar auskommt, von einem melancholischen Grundton getragen, aber gleichzeitig besticht er auch durch eine bewundernswerte Leichtigkeit. Die hat viel mit Dalia Moneta zu tun: Die Frau, die in der Sozialstation der jüdischen Gemeinde arbeitet, ist mit einem wunderbaren Humor gesegnet, lacht ansteckend und weiß viel über die Probleme innerhalb der Gemeinde durch die Vielzahl der russischen Emigranten zu erzählen, die von den alteingesessenen Frankfurter Juden nicht durchweg mit offenen Armen empfangen wurden. Doch auch vom Glück berichtet sie, dass mit den Veteranen erstmals keine Opfer des Faschismus, sondern stolze Sieger kamen. Alle diese Erzählungen werden so virtuos mit Szenen von Feierlichkeiten oder Alltagsbegebenheiten montiert, dass der Film einen ganz eigenen Rhythmus entwickelt, der auch dann souverän durchgehalten wird, als die Filmemacher Dalia Moneta auf einer Reise nach Israel begleiten. Einmal mehr gelingt Popp und Bergmann, was fast alle ihre Filme auszeichnet: den Protagonisten in bewundernswerter Manier eine Würde zu geben, bzw. sie ihnen zu lassen. Wenn die Veteranen mit beredten Gesichtern und all ihrem grotesk anmutenden Lametta an Brust aus ihrem Leben erzählen, dabei bisweilen in lange Pausen des Nachdenkens verfallen, hat das so gar nichts mit dem schnöden Abfragen von Erinnerungen bei Zeitzeugen zu tun, wie man es aus unzähligen Fernsehdokumentation zum Zweiten Weltkrieg kennt. Ein bewegender, melancholisch heiterer Dokumentarfilm, der die Größe hat, auch eine Kinoleinwand zu füllen.
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