Der Fürsorger oder Das Geld der Anderen

Krimi | Schweiz/Luxemburg/Deutschland 2009 | 96 Minuten

Regie: Lutz Konermann

Ein angesehener Kinderarzt im Berner Oberland wird von der Polizei als Anlagebetrüger verhaftet, der sich in immer neuen Maskeraden lange Jahre dem Zugriff der Behörden entziehen konnte. In Rückblenden erzählter Film nach einer historischen Begebenheit aus den 1980er-Jahren, dessen konturlose Inszenierung allzu unentschlossen zwischen Drama, Kriminalfilm und Biografie laviert. Am ehesten überzeugt die Kritik an Bigotterie und Gier. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
DER FÜRSORGER
Produktionsland
Schweiz/Luxemburg/Deutschland
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Fama Film/Paul Thiltges Distributions/Elsani Film
Regie
Lutz Konermann
Buch
Felix Benesch · Lutz Konermann
Kamera
Sten Mende
Musik
Anselme Pau
Schnitt
Thierry Faber
Darsteller
Roeland Wiesnekker (Hans-Peter Stadler) · Katharina Wackernagel (Orsina Rocchi) · Johanna Bantzer (Gerda) · Claude De Demo (Beatrice) · Andrea Guyer (Ines)
Länge
96 Minuten
Kinostart
27.10.2011
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Krimi | Drama
Externe Links
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Diskussion
Ein properes Dorf im Berner Oberland. Alles ist helvetisch sauber, die Straßen sind geputzt, die Häuser ansehnlich. Am Rand des Ortes wohnt der Kinderarzt Claudius Lenz, der in zweiter Ehe verheiratet ist; zwei adrette Kinder und ein schmuckes Haus mit einer Freitreppe gehören dazu. Bis eines Tages ein Wachtmeister vor der Tür steht, der ihn höflich bittet, mit aufs Revier zu kommen. Der Arzt ist vorgeladen, weil er trotz wiederholter Aufforderung seine Papiere nicht vorgelegt hat. Eine Lappalie, wie es scheint. Doch auf der Wache platzt dann die Bombe: Lenz kann seine Papiere nicht vorlegen, weil er als entflohener Häftling und ein in der Schweiz gesuchter Betrüger keine (mehr) hat. Er erzählt den erstaunten Polizisten seine Geschichte: Eigentlich heiße er Hans-Peter Stalder und sei in einem seiner früheren Leben u.a. Fürsorger (ehrenamtlicher Sozialarbeiter) in Wengnau gewesen. Dort machte er sich einen Namen, als er das Schwarzgeld seines Freundes gewinnbringend anlegte, da er angeblich über Insider-Infor-mationen aus der „Chemie AG Schweiz“ verfügte. Das Glück ist ihm hold, doch bald rennen ihm die Anlegewilligen die Türe ein. Stadler wittert seine Chance als Anlagebetrüger. Er verspricht enorme Rendite, die er mit dem Geld des nächsten Anlegers auch einlöst; er selbst lebt auf großem Fuß, was ihm zahlreiche Frauenaffären und Heiratsschwindeleien ermöglicht, allerdings ist absehbar, dass dieses System irgendwann aus dem Gleichgewicht geraten wird. Festnahme und Gefängnis sind die Folgen, doch Stadler gelingt die Flucht; zunächst geht das süße Leben weiter. Der deutschstämmige Regisseur Lutz Konermann, der seit 20 Jahren in der Schweiz lebt, hat sich eines authentischen Falls ange-nommen, der in den 1970er- und 1980er-Jahren die Schweiz erschütterte. Auf der Grundlage des biografischen Romans von Philipp Probst („Ich, der Millionenbetrüger, Dr. Alder“) erzählt er das Leben von Hans-Peter Streit (so der wirkliche Name) in einer Abfolge von Rückblenden, in denen die „Karriere“ des Betrügers nachgezeichnet wird. Der Film ist detailverliebt ausgestattet und wartet mit überzeugenden Darstellern auf – in der Rolle des durchtriebenen Biedermanns ist Roeland Wiesnekker nahezu perfekt; visuell ist er eher dem Fernsehen als der großen Leinwand verpflichtet. Schwerer wiegt jedoch, dass das Konfliktpotenzial des Films angesichts der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise weitgehend verpufft. Das liegt auch daran, dass die Inszenierung zwischen den Genres mäandert: Als Wirtschaftskrimi ist der Film zu heiter, als Charakterstudie eines Hochstaplers zu oberflächlich, als Gesellschaftssatire fehlt der letzte Biss. Darin trifft der Film freilich noch am ehesten ins Schwarze. Er prangert Bigotterie und (Geld-)Gier an sowie die kriminelle Energie der scheinbar sittsamen Bürger, die bedenkenlos in die eigene Tasche wirtschaften – nicht nur in der Schweiz. Am besten betrachtet man „Der Fürsorger“ als Sittengemälde, zu dem auch das scheinbar verquere Frauenbild passt, das zwischen angepasstem Heimchen am Herd und sich aushalten lassenden Lebedamen changiert. Aus heutiger Sicht mag das befremdlich wirken, doch wenn man bedenkt, dass in der Schweiz das Frauenwahlrecht erst 1971 verabschie-det und in manchen Kantonen praktisch erst 1990 umgesetzt wurde, dann passt dies durchaus ins Bild einer patriarchalischen Gesellschaft, die sich die Welt so herrichtet, wie es ihr nützlich erscheint.
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