La Vida Loca - Die Todesgang

Dokumentarfilm | Spanien/Mexiko/Frankreich 2008 | 90 Minuten

Regie: Christian Poveda

Aufrüttelnder Dokumentarfilm über eine brutale Jugendbande in El Salvador. Der Regisseur Christian Poveda begleitete mehrere Mitglieder ein Jahr lang mit der Kamera. In Interviews erfährt man viel über ihr Schicksal, doch durch die strikt beobachtende Position des Films, der keine zusätzlichen Erläuterungen gibt, bleiben viele Fragen offen. Gleichwohl ein packender Einblick in eine gewalttätige Subkultur. (Teils O.m.d.U.) - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
LA VIDA LOCA
Produktionsland
Spanien/Mexiko/Frankreich
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
El Caiman/Aquelarre Servicios Cinematograficos/La Femme Endormie
Regie
Christian Poveda
Kamera
Christian Poveda
Musik
Sebastián Rocca
Schnitt
Mercedes Alted
Länge
90 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Ascot/Elite (16:9, 1.78:1, DD2.0 span./dt.)
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Diskussion
Wie der Zufall es will, kommen in diesen Wochen gleich zwei Filme in die deutschen Kinos, die sich mit den Mara beschäftigen, jenen brutalen Jugendbanden, die in El Salvador Angst und Schrecken verbreiten: der Dokumentarfilm des Fotojournalisten Christian Poveda „La Vida Loca“ sowie Cary Fukunagas Spielfilm „Sin Nombre“ (Start: 25. März). Beide Filme nähern sich ihrem Gegenstand auf unterschiedliche Weise. Während Poveda die Jugendlichen für sich sprechen lässt und wie ein unbeteiligter Beobachter Einblick in eine gewalttätige Subkultur gibt, erzählt Fukunaga eine fiktive Geschichte, die auch die Gewalttaten nicht ausspart. Was diese Gangs für den Einzelnen bedeuten, ist für Beobachter nicht auf Anhieb ersichtlich. Die Mara garantieren weder Reichtum noch Aufstieg oder Glück. Hier fährt niemand mit großspurigen Autos durch die Nachbarschaft oder vergnügt sich mit Bikini-Schönheiten am Swimmingpool. Die Gang steht vielmehr für sich selbst, für Loyalität, Stabilität und Zugehörigkeit, der durch Tattoos im Gesicht, freiwillig oder aufgezwungen, Ausdruck verliehen wird. Einmal auf diese Weise gebrandmarkt, ist eine Rückkehr ins bürgerliche Leben undenkbar. Poveda begleitete mit Erlaubnis der Polizei und der Mara-Gang „18“ mehrere Mitglieder ein Jahr lang mit der Kamera. Dabei richtete er sich ganz nach dem Tagesablauf der Protagonisten. So verfolgt er zum Beispiel die Bemühungen mehrerer ehemaliger Gang-Mitglieder, innerhalb eines Rehabilitationsprogramms eine Bäckerei aufzubauen und von deren Einkünften zu leben. Poveda lässt die Jugendlichen erzählen. Sie sprechen über ihre brutale Kindheit, den Zusammenbruch des Familienverbandes, das Aufgefangenwerden in der Mara. Fast scheint es, als würde die Mitgliedschaft in einer Gang eine emotionale Leere füllen. Drei Schüsse und eine kurze Schwarzblende interpunktieren die einzelnen Kapitel. Wieder ein Toter, wieder eine Beerdigung, wieder weinende Frauen, wieder die Frage nach dem Warum. Poveda ist verständlicherweise nie Zeuge der Gewalttaten. Sein Film beobachtet die Konsequenzen der Gewalt, ihre Auswirkungen auf Familie und Freund und auf den Zusammenhalt der Gang. Die Trauer um verlorene Mitglieder, um Söhne oder Ehemänner, wird so zum ständigen Begleiter im Alltag. Der Staat tritt nur in Gestalt einzelner Vertreter in Erscheinung: Ärzte, Polizisten, Richter, Bewährungshelfer. Sie alle signalisieren, dass es außerhalb der Gangs ein normales Leben zu geben scheint. Doch befragt werden sie nicht. Es gibt auch keinen Off-Kommentar, der Sachverhalte klären würde. Der Zuschauer erfährt weder etwas über die gesellschaftlichen Verhältnisse noch über die politischen Zusammenhänge in El Salvador. Viele Fragen bleiben deshalb offen; einige Antworten erschließen sich nur durch eine Interpretation des Gesehenen. Man ahnt natürlich, dass die wirtschaftliche Not des Landes, die Armut der Einwohner, eine Ursache für die Bandenkriminalität ist. Benannt wird sie jedoch nicht. Trotzdem scheint es in El Salvador ein funktionierendes Gesundheitssystem zu geben, für das der Staat aufkommt. Eine junge Frau, die dringend eine Augenprothese braucht, ist weder krankenversichert noch vermögend. Trotzdem verspricht ihr der Arzt eine ausreichende Behandlung. Die eigentliche Tragik von „La Vida Loca“ verrät erst der Abspann: Christian Poveda wurde am 2. September 2009 in einem Vorort von San Salvador auf offener Straße erschossen. Sein Film wird so zum Testament, dem man sich nur schwer entziehen kann.
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