Alive! - Gjallë

Drama | Albanien/Österreich/Frankreich 2009 | 90 Minuten

Regie: Artan Minarolli

Ein albanischer Student, der in Tirana ein Leben nach westlichen Maßstäben führt, wird nach dem Tod seines Vaters auf schmerzhafte Weise mit den Traditionen seiner Heimat konfrontiert, als eine Blutschuld seines Großvaters auf ihn übergeht und er im Namen des "Kanun" zum Gejagten wird. Auch wenn die Inszenierung bisweilen etwas Laientheaterhaftes hat, überzeugt der Film als Drama eines lebenshungrigen jungen Mannes, der sich den überlieferten Normen seiner Gesellschaft nicht beugen will. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
GJALLË
Produktionsland
Albanien/Österreich/Frankreich
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Agat Films/Art Film/Wildart
Regie
Artan Minarolli
Buch
Artan Minarolli
Kamera
Jacques Bouquin
Musik
Baptiste Bouquin
Schnitt
Oliver Neumann
Darsteller
Nik Xhelilaj (Koli) · Bruno Shllaku · Bessart Kallaku · Xhevdet Ferri · Eni Cani
Länge
90 Minuten
Kinostart
05.08.2010
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
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Diskussion
Eigentlich will Koli nur eines: leben. Studieren, das Leben genießen, mit seiner Freundin zusammen sein; später arbeiten, heiraten. Der 22-Jährige, der wie viele seinesgleichen zum Studieren aus den heimatlichen Bergen nach Tirana gekommen ist, repräsentiert in Artan Minarollis „Alive! – Gjallë“ eine junge, nach außen und Richtung Westen orientierte Generation Albaniens. Doch dann steht eines Tages unverhofft Kolis Schwager vor der Tür. Er holt den jungen Mann zurück ins Dorf, zur Beerdigung seines Vaters. Nach sechs Jahren fällt das Wiedersehen mit der Familie unter solchen Umständen äußerst trist aus. Und das umso mehr, als sich, kaum ist der Vater unter der Erde, die düsteren Schatten der Vergangenheit regen. Weil Kolis Großvater vor über 60 Jahren einen Mann umgebracht hat, Kolis verkrüppelter Vater aber nach dem albanischen Blutrache-Kodex „Kanun“ als unantastbar galt, bleibt die Blutschuld jetzt an Koli hängen. Koli, der von der ganzen Geschichte bislang nichts wusste, wird zum Gejagten. Es ist eine archaische Welt, geprägt von uralten Traditionen und Gesetzen, die Minarolli dem Zuschauer vor- und in die er seinen modernen Helden zurück versetzt. Dieser versucht, sein Schicksal zunächst genau so abzuwehren, wie man es von einem gebildeten jungen Mann erwartet: Er sucht den Feind auf und bittet um Vergebung und Frieden. Doch die Bergler sind nicht in der Lage, ihre Tradition und Lebensweise so einfach zu ändern; der „Kanun“, dieses ungeschriebene Gesetz, nach dem ein Mann für die Ehre lebt und sein Leben wertlos ist, wenn diese verspielt wird, steckt tief in ihnen. So bleibt Koli nichts anderes als zu fliehen. Unterzutauchen im Niemandsland: bei einem entfernten Verwandten, in einem gesichtslosen Dorf, wie es viele gibt in der weiten Ebene, die sich zwischen der Hauptstadt am Meer und den Bergen im Hinterland erstreckt, einem Ort, wo Moderne und Tradition in Form von urbanem Kitsch ungebremst aufeinander treffen. Wenn Koli viel Geduld hätte, wenn Gott es gut mit ihm meinte und der angeheuerte Vermittler tatsächlich auch verfahrene Fälle lösen könnte, dann hätte Koli vielleicht eine Chance; doch Koli ist jung, ungeduldig, liebeshungrig und will zurück nach Tirana, in sein Studentenleben, zu seiner Diana. Krass prallen die Gegensätze aufeinander; in ruhigen, landschaftsprächtigen Bildern schildert Minarolli Leben und Alltag in einem sich rasant wandelnden Land. Etwas Laientheaterhaftes haben manche, vor allem auf dem Land spielende Szenen zwar an sich, etwas sehr sprunghaft bewegt sich die Story bisweilen voran, es bleibt wenig Zeit, um einzelne Figuren zu entwickeln. Doch Nik Xhelilaj, der Koli spielt, macht seine Sache gut; er ist hübsch und hat Charisma, verströmt eine Art „unschuldigen“ Lebenshunger, wie einst James Dean in „...denn sie wissen nicht, was sie tun“ (fd 4 852). Auch wenn die beiden Filme miteinander nun gar nichts gemein zu haben scheinen und Minarolli in Interviews betont, es gehe ihm vor allem darum, eine Welt im Übergang zu zeigen, so erzählt doch auch sein Film davon, wie ein junger Mann mit offenen Augen in seinen Untergang rennt, indem er sich nicht um gesellschaftliche Normen und Gepflogenheiten kümmert.
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