Liebesfilm | Österreich 2009 | 105 Minuten

Regie: Gerhard Fillei

Ausgehend von einem missglückten Bankraub, kreuzt sich das Schicksal eines verwundeten Räubers mit dem anderer Figuren im herbstlichen New York. Schließlich schickt eine alte Liebe dem Kriminellen, der in Südamerika ein neues Leben anfangen möchte, ein rätselhaftes Tagebuch zu. In Schwarz-Weiß-Bildern, mit vielen Schnitten, unruhigen Großaufnahmen und Schärfeverlagerungen entwirft der Film ein dem Film noir verpflichtetes Großstadtszenario, vor dessen Hintergrund sich ohne viele Dialoge in mehreren Handlungssträngen eine Mischung aus verrätseltem Thriller und Liebesfilm entfaltet. Daraus resultieren atmosphärische Qualitäten, die den Independent-Film trotz seiner zerfaserten Handlung zusammenhalten. (O.m.d.U.) - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
SOUTH
Produktionsland
Österreich
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
finnworks/AdriAlpe Media
Regie
Gerhard Fillei · Joachim Krenn
Buch
Gerhard Fillei · Joachim Krenn
Kamera
Jarrod Kloiber · Joachim Krenn
Musik
Sascha Selke
Schnitt
Gerhard Fillei · Joachim Krenn
Darsteller
Matthew Mark Meyer (Bruce McGray) · Claudia Vick (Millea, Dana) · Sal Giorno (Davis, Al) · Tim Kirkpatrick (Delaney, Robert) · Jimena Hoyos (Coelho, Maria)
Länge
105 Minuten
Kinostart
11.11.2010
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Liebesfilm | Tragikomödie

Diskussion
Der Plot wirft eine Menge Fragen auf. Da wären zunächst Unklarheiten der Art, wie ein dem Film noir zugeneigter Thriller sie zur Spannungserzeugung braucht: Wenn sich der Protagonist zu Beginn des Films mit einer blutigen Wunde in sein Versteck in einer abgelegenen Industrieruine schleppt, erwartet ihn auf einem Anrufbeantworter die ratlose Frage seines Komplizen, was bei dem Bankraub denn schief gelaufen sei. Natürlich teilt man die Neugier des anonymen Anrufers, und weil der gescheiterte Raub in Kalifornien stattfand, wundert man sich, warum Bruce die Flucht vom Tatort offenbar ohne Unterbrechung bis ins entfernte Oregon geführt hat. Wenn er vom Anrufer dann nach New York geschickt wird, erhofft man von der dort anberaumten Kontaktaufnahme mit einem ominösen „Kanadier“ erst recht Aufschluss über die Hintergründe des Ganzen. Doch sobald die Handlung in New York gelandet ist, beginnen die beiden österreichischen Debütregisseure Gerhard Fillei und Joachim Krenn parallel einen Subplot zu erzählen, dessen Personal sich mit Problemen herumschlägt, die einen vor völlig neue Rätsel stellen. Da wäre zunächst die junge Dana, die im selben Haus wohnt, in dem Bruce untertaucht. Wenn ihr Ex sich als prügelnder Stalker entpuppt, ist das nicht weiter erklärungsbedürftig, da es einer vergleichsweise stereotypen Dynamik entspricht. Doch worin besteht die Arbeit, der Dana nach Ladenschluss spätabends in der Musikalienhandlung von Al nachgeht? Und was für eine Beziehung verbindet Al mit dem Handlanger eines Mafioso, der ihn bedrängt, endlich seine Schulden zu begleichen? Im Verhalten des hemdsärmeligen kriminellen Fußsoldaten gegenüber dem zerknitterten Kleinunternehmer schwingt eine zärtliche Fürsorge mit, die die beiden Männer, die ein Hauch von „Hexenkessel“ (fd 19 864) umweht, unweigerlich interessanter macht als den verzagten Protagonisten, der sich derweil melancholisch mit Erinnerungslücken herumschlägt. Bruce sehnt sich danach, Richtung Süden abzuhauen, wo er einst, in der Nähe der mexikanischen Grenze, anscheinend seine Jugend verbrachte. Dort lebt offenbar immer noch die Liebe seines Lebens, Maria, die ihm seltsamerweise das Tagebuch einer Fremden zugeschickt hat. Während er sich darauf einen Reim zu machen versucht, illustrieren die Regisseure die vagen Erinnerungen, die die Tagebucheinträge bei Bruce wecken, mit kurzen Rückblenden, die den ohnehin verschachtelten, von vielen Schnitten, unruhigen Großaufnahmen und Schärfeverlagerungen geprägte Film noch verwirrender machen. Das Rätsel des Tagebuchs wird immerhin aufgeklärt. Doch interessanter als alle Fragen, die der Plot offen lässt, sind ohnehin die Umstände, die die Produktion dieses österreichischen Low-Budget-Films umgeben. Was mag in den zwölf Jahren alles vorgefallen sein, die die beiden Filmemacher gebraucht haben, bis sie ihren Film endlich fertig stellen konnten? „South“ ist ein Independent Film im ureigensten Sinn des Wortes: Die Regisseure, die in Personalunion auch alle möglichen Aufgaben übernahmen, haben ihren Film ohne Fördergelder eigenfinanziert, wobei ihnen das Geld ausging und sie überdies die Rechte am Stoff verloren. So lag zwischen den Dreharbeiten zu einzelnen Szenen offenbar eine knappe Dekade. Da ist es nicht verwunderlich, dass die Handlung mitunter zerfranst; es verwundert vielmehr, dass es Fillei und Krenn gelingt, mit den fast ausschließlich schwarz-weißen, mit einer Super16-Handkamera gedrehten Bildern, relativ wenig Dialogen und gelegentlichen inneren Monologen aus dem Off eine so verträumte, introvertierte Stimmung zu kreieren, die das Ganze – irgendwie – zusammenhält. Entscheidenden Anteil daran hat das Lokalkolorit, das sich der Tatsache verdankt, dass weitgehend in einem schmuddelig-herbstlichen New York gedreht wurde. Man ahnt, dass hier zwei Europäer den Traum vom amerikanischen Kino geträumt haben und sich durch nichts, aber auch gar nichts, davon abbringen ließen, ihn auch zu verwirklichen. Der Film wirft deshalb noch eine weitere Frage auf: Werden Fillei und Krenn auch unter anderen, nämlich konventionelleren Umständen in der Lage sein, Filme zu machen?
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