Ich sehe den Mann deiner Träume

Komödie | USA/Spanien 2010 | 98 Minuten

Regie: Woody Allen

Eine Frau, deren Ehemann nach der schönen Nachbarin schielt, verliebt sich ihrerseits in ihren Chef. Derweil wird ihre Mutter vom Vater sitzen gelassen und sucht Lebenshilfe bei einer Wahrsagerin. Einmal mehr lässt Woody Allen seine Figuren bei der Jagd nach Lebens- und Liebesglück an allerlei perfiden Wendungen genüsslich scheitern. Dabei gelingt ihm dank amüsanter Dialoge, einiger schöner Szenen und prominenter Darsteller eine unterhaltsame Farce. Dabei wird die Verzweiflung am Dasein freilich mit so viel Behagen zelebriert, dass Biss und Verve etwas zu kurz kommen. - Ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
YOU WILL MEET A TALL DARK STRANGER
Produktionsland
USA/Spanien
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
Mediapro/Versátil Cinema/Gravier Prod./Dippermouth
Regie
Woody Allen
Buch
Woody Allen
Kamera
Vilmos Zsigmond
Schnitt
Alisa Lepselter
Darsteller
Antonio Banderas (Greg) · Josh Brolin (Roy) · Anthony Hopkins (Alfie) · Gemma Jones (Helena) · Freida Pinto (Dia)
Länge
98 Minuten
Kinostart
02.12.2010
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Komödie
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Diskussion
Auch in Woody Allens neuem Film sind die Kirschen in Nachbars Garten so süß und rot, dass niemand ihnen widerstehen kann. Am allerwenigsten der erfolglose Schriftsteller Roy, der im Fenster gegenüber eine betörende junge Frau in Rot zu Bett gehen sieht oder spanische Gitarrenstücke spielen hört. Seine Ehefrau Sally hat sich derweil in ihren neuen Boss, den unglücklich verheirateten Galeristen Greg, verguckt. Sallys Vater wiederum ließ sich nach langer Ehe scheiden, um ohne Ballast in den Jungbrunnen zu steigen; allerdings findet er dort nur ein blondes Dummchen, das immerhin klug genug ist, sich teuer zu verkaufen. Womit wir bei der ersten, aber nicht der letzten verlassenen Ehefrau des Films wären: Sallys Mutter sucht seit ihrer Scheidung Halt bei einer Wahrsagerin, deren Gabe vor allem darin besteht, ihrer Kundin das zu sagen, was sie hören will. „Ich sehe den Mann deiner Träume“ ist ein durchaus passender Filmtitel, auch wenn die doppeldeutige Prophezeiung „You Will Meet a Tall Dark Stranger“ (Originaltitel) noch ein bisschen besser zu Woody Allens pessimistischem Weltbild passt: Am Ende wartet auf uns alle der Tod, und wie Scheherazade scheint Allen ihn mit seinen Erzählungen abwenden zu wollen. Doch nach der grandiosen Tour de Force von „Vicky Cristina Barcelona“ (fd 39 023) und der vergnüglichen Narretei von „Whatever Works“ (fd 39 613) reiht sich sein neuester Film in die eher schwachen Allen-Komödien ein. Im Gegensatz zu seinen Figuren ist er nämlich etwas zu glücklich mit dem, was er hat. Am Anfang begrüßt Allen durch einen jener allwissenden Erzähler, die auf dem neuesten Stand einer von vornherein zum Scheitern verurteilten Sinnsuche halten. Die Botschaft klingt im doppelten Sinne vertraut, weil der selten um einen literarischen Gewährsmann verlegene Allen aus Shakespeares „Macbeth“ zitiert: Das Leben ist eine „Geschichte voller Lärm und Wut und bedeutet nichts“. Danach steigt Sallys Mutter aus einem Londoner Taxi und lässt sich zum ersten Mal von der Wahrsagerin übers Ohr hauen. Mit frischem Mut stolpert sie ins Zuhause ihrer Tochter, wo Roy gerade mit seinem neuesten Roman ringt und den Spott über die Schwiegermutter kaum zurückhalten kann. Sally findet die esoterische Macke hingegen okay, so lange der Aberglauben ihrer Mutter hilft. Tatsächlich hilft er ihr nach dem Motto „Selig sind die geistig Armen“ so gut, dass sich Sally für ihre Nachsicht noch verfluchen wird. Ähnlich süffisant führt der Off-Erzähler durch die teils haarsträubenden Geschichten der anderen Figuren: Er findet vergiftete Worte der Anteilnahme, als Roys Roman vom Verlag abgelehnt wird, und schüttelt missbilligend den Kopf, als er stattdessen das Manuskript eines Toten einreicht – und prompt dafür gefeiert wird. Die ehelichen Eskapaden von Sallys Vater provozieren entsprechend feinfühlige Kommentare, am schlimmsten trifft es dabei die einzige sympathische Figur des Films: Sally selbst. Gleich zwei Mal sieht man in Großaufnahme dabei zu, wie ihre nicht unbescheidenen Träume an denkbar perfiden Drehbucheinfällen zerschellen. Natürlich ist das Absicht: In seinem Kosmos ist Allen strafender Gott und Folterknecht in einer Person. Es ist wirklich erstaunlich, wie man einerseits an der Sinnlosigkeit des Lebens verzweifeln und gleichzeitig dem Scheitern seiner menschlichen Versuchskaninchen dermaßen selbstzufrieden zusehen kann. „Ich sehe den Mann deiner Träume“ fehlt nicht nur – wie vom Erzähler angekündigt – die höhere Bedeutung, sondern es fehlen auch die für die menschliche Komödie unerlässlichen Zutaten Lärm und Wut. Stattdessen bietet Allen zaghafte Ansätze einer Ehefarce, ein bisschen Amüsement über die Narrheiten erwachsener Menschen und wie üblich eine Starbesetzung, von der andere nur träumen. Richtig gut ist allerdings Naomi Watts – vielleicht, weil sie als Sally ein überaus dankbares Opfer abgibt. Der Rest des Ensembles scheint seinen Part vom Blatt zu spielen, wobei es Gemma Jones immerhin gelingt, der im Grunde unmöglichen Rolle von Sallys Mutter die nötige Würde zu verleihen. Josh Brolins Roy hat eine schöne Szene, als er in die Wohnung seiner Geliebten zieht und im Fenster gegenüber seine Ex-Frau in Unterwäsche auftaucht. Jetzt wachsen die Kirschen in Nachbars Garten auf der anderen Straßenseite – und für einen Moment scheint ihn diese Erkenntnis zu überwältigen.
Kommentar verfassen

Kommentieren