Lieb mich! - die 3. Kurzfilmrolle (queer shorts)

- | USA/Deutschland/Großbritannien/Argentinien/Finnland/Dänemark 2008-2011 | 138 (gek. 95) Minuten

Regie: Alain Hain

Kompilation mit acht Kurzfilmen um schwule Jungs und Männer, die ernst, problemorientiert und auch für Nicht-Homosexuelle interessant sind, geht es doch vorrangig um Kommunikationsschwierigkeiten in Beziehungen. Die Hälfte der Filme hat dokumentarischen Charakter; es finden sich aber auch eine schöne Komödie sowie ein Beitrag, der sich mit dem Thema Gewalt auseinandersetzt. Titel der einzelnen Filme: 1. "Curious Thing" (USA 2009, 9 Min.); 2. "Hinterbliebene" (Deutschland 2009, 22 Min.); 3. "The In-Between" (USA 2010, 10 Min.); 4. "We Once Were Tide" (Großbritannien 2011, 18 Min.); 5. "El Reloj" (Argentinien 2008, 14 Min.); 6. "Small-Time Revolutionary" (Finnland/Großbritannien 2010, 18 Min.); 7. "XY Anatomy of a Boy" (Dänemark 2009, 29 Min.); 8. "Go Go Reject" (USA 2010, 20 Min.). (Die Rolle wird auch in einer kürzeren Fassung ohne die Filme 5 und 7 verliehen; teils O.m.d.U.)
Zur Filmkritik

Filmdaten

Produktionsland
USA/Deutschland/Großbritannien/Argentinien/Finnland/Dänemark
Produktionsjahr
2008-2011
Regie
Alain Hain · Alexander Pfeuffer · Jason Bradbury · Marco Berger · Miikka Leskinen
Buch
Jason Mills · Alexander Pfeuffer · Matt Baskott · Marco Berger · Miikka Leskinen
Kamera
Tom McWilliam · Heiko Kalmbach · Adam Scarth · Tomás Pérez Silva · Kate Reid
Musik
Neonkrieger · Pedro Irusta · Chris White · Green Panda · Martin Pedersen
Schnitt
Christian Fibikar · Jason Mills · Yasuyuki Otsuki · Marco Berger · Pablo Paniagua
Darsteller
Danny Bernardy (Jared) · Matthew Wilkas (Sam) · Rebecca Pappa (Becky) · Maximilian Giertler (Paul) · Peter Drager (Dresen)
Länge
138 (gek. 95) Minuten
Kinostart
02.06.2011
Fsk
ab 16; f

Heimkino

Verleih DVD
Pro-Fun (16:9, 1.78:1, DD2.0 diverse)
DVD kaufen

Diskussion
Es wäre ein Jammer, wenn diese Kurzfilm-Kompilation nur in einschlägigen Nischenprogrammen gezeigt würde, nur weil „queer shorts“ drunter steht. Zwar befassen sich alle Beiträge mit schwulen Jungs und Männern, doch der rote Faden, der sich durchs Programm zieht, heißt: Das Schwierigste in einer Beziehung ist immer, offen miteinander zu reden, was bekanntlich auf jede Liebesbeziehung zutrifft, unabhängig von der sexuellen Orientierung. „Mehr als Sex brauche ich jemanden, der mir sagt, alles wird gut“, meint einer der beiden Protagonisten in „The In-Between“. Mit dem Problem konfrontiert, dass derjenige, der zum ersten Mal eine homosexuelle Beziehung eingeht, an der Treue des erfahrenen Partners zweifelt, verbinden sich Wunsch- und reale Welt auf engstem Raum. Der (nicht schwule) US-Regisseur Alain Hain verwendet in den dialoglosen Paarszenen vorwiegend Close-ups mit zartem Weichzeichner, denen er aus dem Off authentische Statements schwuler Männer über ihre Monogamie-Erfahrungen beigesellt. Trotzdem wirkt alles wie aus einem Guss. Während „The In-Between“ fast wie ein Fotoroman daherkommt, erzählt der ebenfalls mit Off-Stimmen unterlegte zweite Hain-Film „Curious Things“ eine Liebesgeschichte chronologisch als Rückblende. Es geht um die erste Begegnung zweier Männer, um die Gefühle und Ängste des homosexuellen Mannes, den anderen für sich zu gewinnen, mit dem er so viel lacht und zusammen trinkt. Doch der andere ist hetero und wird es wohl auch bleiben. Ohne Groll, mit ein bisschen Wehmut erzählt, findet Hain stimmungsvolle Bilder und Gesten auf dem schmalen Grat zwischen Kunst und Kitsch. Den witzigsten der Filme, in denen schwule Männer über ihre Erfahrungen sprechen, stammt von einer Frau. Die Dänin Mette Carla Albrechtsen setzt in „XY Anatomy of a Boy“ jeweils zwei Männer um die 20 in zwei Badewannen, die nebeneinander stehen. Beim Planschen sehen sie sich nur selten in die Augen, aber sie lachen und reden so cool, dass man dauernd schmunzeln muss. Einmal sitzen zwei in einer Wanne, Sekt trinkend und dekadent, als der eine bekennt, dass er noch Jungfrau sei. „Es hat etwas gefehlt bei meinen Dates, das Gefühl einer gemeinsamen Geschichte, das es mir erlaubt hätte, mich in ihm zu verlieren“, erklärt er freimütig. Die Offenheit und Natürlichkeit der Paare wie der kurzen Selbstporträts überrascht ebenso wie abwechslungsreiche Kameraführung und die ungewohnte Helligkeit der Räume – die mit Abstand schlüssigste Mischung zwischen Dokumentar- und Spielfilm unter den acht Filmen der Kompilation. Wie mangelnde Kommunikation in Gewalt umschlagen kann, demonstriert der deutsche Regisseur Alexander Pfeuffer in „Hinterbliebene“. Ein 18-Jähriger ist wütend, als sein Vater stirbt, zu dem er keine Beziehung hatte, und irrt durch die Straßen. Bis er von einem älteren Mann angesprochen wird, der offenbar häufiger Jungs mit zu sich nach Hause nimmt. Der Junge erschlägt den Älteren nach der Liebesnacht beinahe, weil er anders mit sich und seinen Gefühlen nicht klarkommt. Subtil gefilmt, ist dies der einzige Beitrag, dessen Geschichte wohl auch einen Langfilm tragen würde, weil sich so viel hineininterpretieren lässt. Natürlich dürfen „klassische“ Homo-Geschichten nicht fehlen. In „Small-Time Revolutionary“ des Finnen Miikka Leskinen muss ein Teenager 1988 in England zwischen Anti-Diskriminierungsdemo und spießigem Elternhaus erst zu sich finden, bevor er es wagt, sich seinen Eltern zu offenbaren. „We Once Were Tide“ des Briten Jason Bradbury zeigt die letzten schönen Momente, bevor sich ein heimlich liebendes Paar trennen muss, weil einer der beiden die Stadt verlässt. Als seltener Fall einer poetischen Aufreißer-Geschichte entpuppt sich „El reloj“ (Die Uhr) des Argentiniers Marco Berger. Das Beste kommt dann erst zum Schluss: die verrückte Komödie „Go Go Reject“. Der 20-minütige Film über einen schwulen jungen Mann, der sich nichts mehr wünscht als ein Go-Go-Tänzer zu werden, seit er Jennifer Beals in „Flashdance“ (fd 24 178) sah. Obwohl er toll mit den Hüften schwingt, holt er sich einen Korb nach dem anderen; angeblich sei er zu dünn, um bei anderen Männern Fantasien zu wecken. Doch der begnadete Tänzer findet dennoch seinen Weg. US-Regisseur Michael J. Saul nutzt den Plot, um auf liebevolle Art mit schwulen Klischees zu spielen. Gedreht nach der Lebensgeschichte des Drehbuchautors und Hauptdarstellers Heath, dürfte es daher der Film sein, der der schwulen Community am nächsten ist. Denn im Prinzip ist die Zusammenstellung (die dritte und bislang umfangreichste, die von Pro-Fun herausgebracht wird) recht ernst und problemdominant. Auch enthält sie vergleichsweise wenige und eher softe Sexszenen, die Heterosexuelle nicht abstoßen. Vor allem aber sind die Filme handwerklich gut gemacht und überraschen durch ihre Natürlichkeit, die so gar nichts von der Tuntigkeit anderer Kompilationen hat.
Kommentar verfassen

Kommentieren