Mad Circus - Eine Ballade von Liebe und Tod

- | Spanien/Frankreich 2010 | 105 Minuten

Regie: Alex de la Iglesia

Spanien während der Franco-Ära: Als sein Vater, ein Zirkusclown, in die Wirren des Bürgerkriegs gerät und im Gefängnis endet, ergreift auch der Sohn diesen Beruf. Anfang der 1970er-Jahre gerät er in eine unglückliche Liebesaffäre mit einer Trapezkünstlerin. Ein Film voller Metaphern, Symbole und Momente von verstörender Poesie, der als bildgewaltige Groteske beeindruckt. Die blutige, gewalttätige Farce unternimmt dabei nur in Ansätzen eine surreal-horrible Abrechnung mit dem Faschismus, die sie in einer reißerischen Dreiecksgeschichte auflöst. (O.m.d.U.)
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Filmdaten

Originaltitel
BALADA TRISTE DE TROMPETA
Produktionsland
Spanien/Frankreich
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
Tornasol/La Fabrique 2/uFilm/Canal + España/Castafiore/TVE
Regie
Alex de la Iglesia
Buch
Alex de la Iglesia
Kamera
Kiko de la Rica
Musik
Roque Baños
Schnitt
Alejandro Lázaro
Darsteller
Carlos Areces (Javier) · Antonio de la Torre (Sergio) · Carolina Bang (Natalia) · Manuel Tejada (Manegenchef) · Enrique Villén (Andrés)
Länge
105 Minuten
Kinostart
08.12.2011
Fsk
ab 18; f
Externe Links
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Heimkino

Die Standardausgabe (DVD & BD) enthält keine erwähnenswerten Extras. Die 2-Disk Special Editions (Digipak, DVD & BD) enthalten indes die Dokumentation "Álex de la Iglesia in Berlin" (37 Min.), ein Kurzfeature über die Spezialeffekte (10 Min.) sowie ein Produktionstagebuch (57 Min.). Die Special Edition (DVD & BD) ist mit dem Silberling 2012 ausgezeichnet.

Verleih DVD
Koch (16:9, 2.35:1, DD5.1 span./dt., dts dt.)
Verleih Blu-ray
Koch (16:9, 2.35:1, dts-HDMA span./dt.)
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Diskussion
Der Clown im Kino, der Zirkus als Schauplatz: Oh Wonne, Schauer, Lachen, Horror und große Tristesse. Es gibt wenige Figuren, die symbolisch derart aufgeladen sind, und wenige Orte, die – man erinnere sich nur an Fellinis „La Strada“ (fd 5 249) oder „The Greatest Show on Earth“ von Cecil B. de Mille (fd 2 152) – zugleich so unheimlich und unwiderstehlich magisch sind. In der Schweiz war vor sieben Jahren der letzte Film des Basken Alex de la Iglesia zu sehen, die schwarze Komödie „Crimen ferpecto“ (2004); auch sein neues Werk ist eine rabenschwarze, politsatirische Groteske. „Balada triste de trompeta“ spielt zwischen 1937 und 1972 in Spanien, gibt sich gesellschaftskritisch und wurde in Venedig 2010 mit dem „Silbernen Löwen“ (beste Regie) ausgezeichnet; zur Freude von Jury-Präsident Quentin Tarantino, dessen „Inglourious Basterds“ (fd 39 417) de la Iglesias Film sowohl thematisch als auch in seiner poetisch überhöhten, unerschrocken derben Darstellung des unsagbar Schrecklichen nahe steht. Man schreibt das Jahr 1937, als der kleine Javier mitansehen muss, wie sein Vater, der Clown, gezwungen wird, mitten aus einer Zirkusvorstellung für Kinder heraus in den Kampf gegen die Francisten zu ziehen. Der schlägt sich wacker, scheint in seinem Clownskostüm in der Schlacht seltsam unverletzlich, landet aber im Knast, wo ihn Javier noch einmal sehen darf. Sechs Jahre später ist er noch immer ein politischer Gefangener. Bei einem Besuch redet Javier über seinen künftigen Beruf: Kein lustiger August, sondern dessen trauriger Gegenspieler, der weiße Clown, soll Javier werden, rät der Papa. Er bittet seinen Sohn, ihn zu rächen; denn neben vielen anderen maroden Gestalten geistert auch der sadistische Hauptmann durch den Film, der den Vater quälte und verlachte. Der Anschlag, mit dem Javier den Hauptmann umzubringen und seinen Vater zu befreien versucht, mutet grotesk an; außerdem kommt schließlich der Falsche ums Leben. Grauenhaft lastet in der Folge die Schuld auf Javier. Die Handlung springt nochmals, jetzt ins Spanien der frühen 1970er-Jahre. Javier heuert bei einem Zirkus als Clown an. Sergio heißt sein Partner und ist im Gegensatz zum untersetzten, Brille tragenden Javier ein wahrer Beau. Er ist der Star des Zirkus und wird vom Publikum geliebt. Doch Sergio hat auch düstere Seiten. Die brechen vor allem dann hervor, wenn er abgeschminkt ist und getrunken hat; unter seinem Jähzorn und seiner Gewalttätigkeit leidet vor allem seine Geliebte, die Trapezkünstlerin Natalia. Selbstredend ist auch Javier von Natalias blendender Schönheit angetan, und ebenso selbstverständlich kann Natalia das Spiel mit dem Feuer nicht lassen. „Balada triste de trompeta“ erinnert an „Wasser für die Elefanten“ (fd 40 432), wo zwischen den Nebenbuhlern ein ähnlich fatales Duell entbrennt, das zum Untergang des ganzen Zirkus führt. Doch wo Francis Lawrences Film in die tröstliche Romanze führt, dreht de la Iglesia die Schicksalsspirale in der Tradition böser Politgrotesken blutig-gewalttätig, bisweilen sogar unglaublich dekadent weiter, bis die beiden Clowns zur Unkenntlichkeit entstellt sind und der Frau ihres Herzen in einem infernalen Finale das letzte Mal begegnen. „Balada triste de trompete“ ist bildgewaltig, brutal, stellenweise auch degoutant; er schreibt sich in eine Reihe neuerer spanischer Filme ein, die wie „Pans Labyrinth“ (fd 38 028) symbolisch so übersteigert wie hoch politisch ein unschönes Kapitel der spanischen Geschichte aufgreifen. Und es gibt diese eine, in ihrer tiefen Wehmut ungemein schöne und berührende Szene, als der verkommene, verstümmelte und von der Liebe enttäuschte Javier auf der Flucht vor seinen Feinden in einem Kino landet, wo auf der Leinwand tatsächlich die unglaubliche „Balada triste de trompeta“-Szene aus „Sin un adios“ (Regie: Viscente Escriva, 1971) flimmert.
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