Dokumentarfilm | Finnland/Deutschland 2011 | 89 Minuten

Regie: Mika Kaurismäki

Dokumentarfilm über die südafrikanische Sängerin Miriam Makeba (1932-2008), die aufgrund ihres Engagements gegen Kolonialismus und Rassendiskriminierung zum Symbol des Widerstands und zur Botschafterin der panafrikanischen Idee wurde. Über aussagekräftige Archivaufnahmen und Interviews mit Freunden, Wegbegleitern und Angehörigen zeichnet der spannende und informative Film chronologisch den Lebensweg dieser bemerkenswerten Frau nach. Trotz seiner gestalterisch betont konventionellen Herangehensweise überzeugt er vor allem dank der Qualität des präsentierten Materials. (Teils O.m.d.U.) - Ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
MAMA AFRICA
Produktionsland
Finnland/Deutschland
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
Marianna Films/Starhaus Filmprod./Millennium Films/ZDF/ARTE
Regie
Mika Kaurismäki
Buch
Don Edkins · Mika Kaurismäki
Kamera
Frank Lehmann · Eran Tahor
Schnitt
André Bendocchi-Alves · Uwe Dresch · Karen Harley
Länge
89 Minuten
Kinostart
10.11.2011
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Dokumentarfilm
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Diskussion
Von Anfang an habe sie Probleme mit der Staatsgewalt gehabt, erklärt die junge Schwarze lachend; die Polizei habe ihre Mutter wegen illegalen Bierbrauens verhaftet und ihr selbst so schon als Neugeborener die Möglichkeit gegeben, das Gefängnis von Innen kennen zu lernen. Einer von zahlreichen Wochenschauausschnitten, Momentaufnahmen aus dem Leben einer Ikone des Widerstands. Keine Sängerin ist so stark mit dem politischen Engagement für ihre Heimat und gegen das Regime der Rassentrennung verbunden wie die Südafrikanerin Miriam Makeba. 1932 in Johannesburg geboren, wuchs sie in den Townships auf, den Schlafstädten, die die weiße Regierung für die schwarzen Arbeiter bauen ließ. Mika Kaurismäki erzählt über Archivaufnahmen und Gespräche mit Freunden, Kollegen und Familienangehörigen fast chronologisch das Leben der charismatischen Sängerin, die mit verschiedenen Bands in den 1950er-Jahren bekannt wurde, zur Zeit der Rassentrennung, als weiße Freunde die schwarzen Musiker mitunter heimlich in ihre Häuser mitnahmen. Im Auto mussten sie sich dann unter die Sitze legen, damit die Polizei sie nicht sehen konnte. Gab es bei den Partys in den weißen Stadtteilen eine Razzia, mussten sie sich Schürzen oder andere Arbeitskleidung anziehen, damit sie als Kellner oder Reinigungskräfte ausgegeben werden konnten. Makebas erster politischer Konflikt mit der Staatsgewalt endete mit jahrzehntelangem Exil: Es ging um ihren Auftritt in dem dokumentarischen Anti-Apartheid Drama „Come Back, Africa“ (fd 13 350), das der US-amerikanische Filmemacher Lionel Rogosin 1958 heimlich in Südafrika drehte; der Titel entstand in Anlehnung an den Slogan des Afrikanischen National Kongresses gegen die weiße Vorherrschaft. In Europa und Nordamerika wurde der Film hoch gelobt, Grund genug für die Regierenden Südafrikas, der jungen charismatischen Sängerin nach einer Auslandstournee die Einreise zu verweigern. Nicht einmal zur Beerdigung ihrer Mutter durfte Makeba zurück nach Johannesburg. Im US-amerikanischen Exil wurde sie berühmt, trat im November 1959 in der Steve Allen Show auf, nahm ihr erstes Studioalbum auf und wurde 1962 Präsident Kennedy vorgestellt. Kaurismäki zeigt sie mit Marlon Brando und Harry Belafonte, beschreibt ihren Aufstieg in die liberale kulturelle Elite der USA, bis zu dem Moment, als sie den militanten schwarzen Bürgerrechtler Stokely Carmichael heiratet und aus der netten engagierten schwarzen Sängerin plötzlich eine geächtete Staatsfeindin wird: „Der Unterschied zwischen den USA und Südafrika ist gering, nur gibt Südafrika offen zu, was es ist“, sagt sie Jahre später in einem Fernsehinterview. Sie zog mit ihrem Mann nach Guinea und verstärkte ihren politischen Kampf gegen Rassendiskriminierung und Kolonialismus. Zwei Mal trat sie vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen auf, wurde eine Botschafterin der panafrikanischen Idee, der afrikanischen Kultur generell und, so ein langjähriger Mitstreiter, zum „Bindeglied zwischen den afrikanischen Präsidenten“. Der Film zeigt auch ihre politischen Enttäuschungen über die korrupten Regimes, die oft auf die Unabhängigkeit der schwarzafrikanischen Staaten folgten, über der Verfall der Idee eines gemeinsamen Afrikas; er zeigt aber immer wieder auch die Frau, die stark an ihren Idealen festhält. Sie sagte, dass sie nicht nicht über Politik, sondern nur die Wahrheit singe, erinnert sich ihr Enkel, und ihre Familienangehörigen berichten von ihrem Heimweh, das immer stärker wurde. Erst 1990, nach Nelson Mandelas Freilassung und dem Ende des Apartheid-Regimes konnte Miriam Makeba nach 30-jährigem Exil nach Südafrika zurückkehren. Mika Kaurismäki zeigt die lebendige und sensible Frau hinter der charismatischen Kämpferin, ihre politischen Niederlagen wie ihre familiären Tragödien, den Tod von Enkel und Tochter. Vor allem aber eine starke Frau, die das Leben aus vollem Herzen bejaht. „Mama Africa“ zieht in Bann, trotz seiner sehr konventionellen Machart. Er verwendet umfangreiches ausdrucksstarkes Archivmaterial und viel Musik, politisches und populäres Liedgut, darunter das Tanzlied „Pata-Pata“, das Miriam Makeba gar nicht so besonders mochte. Am Ende steht ihr Tod wie das Finale einer tragischen Oper: Am 9.11.2008 starb Miriam Makeba im Alter von 76 Jahren in Italien – nach einem Konzert gegen die Bedrohung des italienischen Schriftsteller Roberto Saviano durch die Mafia.
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