- | Südafrika/Frankreich 2011 | 100 Minuten

Regie: Oliver Hermanus

Ein weißer Südafrikaner begegnet auf der Hochzeitsfeier einer seiner Töchter einem jungen Mann, der ihm fortan nicht mehr aus dem Kopf geht. Sein Versuch, sich ihm in Kapstadt anzunähern, nimmt eine fatale Wendung. Stilsicher-melancholisches Drama um einen Mann, der nach außen hin den Repräsentanten einer ebenso rassistischen wie von Machismo geprägten Gesellschaft gibt, was aber von seinem homosexuellen Begehren unterwandert wird. In Sepiatönen ruhig, langsam und lauernd erzählt, gelingt ein poetischer, an wenigen wichtigen Stellen aber auch harter, quälender Film. (O.m.d.U.) - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
SKOONHEID | BEAUTY
Produktionsland
Südafrika/Frankreich
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
Moonlighting Films
Regie
Oliver Hermanus
Buch
Oliver Hermanus · Didier Costet
Kamera
Jamie Ramsay
Musik
Ben Ludik
Schnitt
George Hammer
Darsteller
Charlie Keegan (Christian) · Deon Lotz (François) · Albert Maritz (Willem) · Roeline Daneel (Anika) · Sue Diepeveen (Marika)
Länge
100 Minuten
Kinostart
08.03.2012
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Pro-Fun (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl.)
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Diskussion
Man steht beieinander, unterhält sich, lächelt, Getränke in der Hand. Ein Fest. Der Kamerablick schweift umher; es ist, als schaue man durch fremde Augen hindurch; die Geräusche, das Reden, das Lachen – fast bis zur Stille gedämpft. Dann verharrt der Blick auf einer Gruppe am anderen Ende des Raums: ein junger, sportlich-attraktiver Mann, der mit zwei Frauen flirtet. Die Kamera rückt näher an die drei heran, ganz nah an das Gesicht des Sunnyboys; gebräunt, glattrasiert, strahlend. Und dann, nach einem harten Schnitt: ein anderes, älteres Gesicht, ernst, konzentriert; der Beobachter. Schnell wechselt jetzt die Montage zwischen den Gesichtern der beiden Männern hin und her; der Jüngere schaut auf und herüber, der Ältere sieht sofort zur Seite. Mit einer Handvoll Einstellungen ist damit schon alles über den Grundkonflikt von Oliver Hermanus’ Drama gesagt. Ganz ohne Worte. Die folgen auf diese leicht surreale und irgendwie bedrohliche Exposition im nicht länger gedämpften Dialog, bis sich schließlich das, was zu sehen war, auch benennen lässt: François heißt der ältere Mann. Ende 40, verheiratet, Vater zweier hübscher, erwachsener Töchter. Eine der beiden ist frisch vermählt, es ist ihr Hochzeitsfest. Der jüngere Mann, Christian, ist der Sohn eines alten Freundes von François, ein Hochzeitsgast. Dass François schwul ist, wird schnell klar, dass das keiner wissen darf, auch. Heimlich fährt er zu einem Treffen in einem Farmhaus; und weil die verdörrte Buschlandschaft, die er unterwegs durchquert, so gar keine europäische ist, sieht man nun zum ersten Mal auch, dass „Beauty“ in Südafrika spielt. Der weißen Hochzeitsgesellschaft war das nicht so ohne Weiteres anzusehen. Weiß sind auch die Männer mittleren Alters, die sich in dem abgelegenen Haus treffen, zu schnellem, beiläufigem, emotionslosem Sex. Alles „richtige“ Männer, echte Kerle in kurzen Khakihosen mit Bauchansatz und Machoattitüde. Verlegen stehen sie um einen Tisch herum, greifen sich eine Dose Bier aus dem Kühlschrank, beäugen sich linkisch, als plötzlich einer von ihnen mit einem Begleiter auftaucht, der nicht zu ihnen gehört: einem modern gekleideten dunkelhäutigen Jungen. Ein klarer Verstoß gegen die Regeln: „Keine Schwuchteln, keine Farbigen!“ „Wir sind doch keine Schwuchteln“, empört sich François. Klar! Dafür aber Rassisten. „Beauty“ ist kein Film über Post-Apartheid oder Rassismus; trotzdem führt er mit dieser kleinen Begebenheit vor Augen, wie weit das Land noch von einer multikulturellen Gesellschaft entfernt ist. Außer diesem jungen Mann, der für wenige Sekunden verstohlen um die Ecke linst, tauchen Farbige in François’ Südafrika nicht auf; nicht, wenn François sich mit Freunden trifft, nicht bei Familienfesten, nicht in der Schreinerei, die er leitet, nicht einmal am Strand und eben auch nicht beim Stelldichein im Hinterland. Wäre François heterosexuell, würde es leichter fallen, ihn als selbstgefälligen, rassistischen Patriarchen zu verabscheuen. So aber ist es schwieriger. Mit dem Verlangen, das in ihm nagt, widerlegt er sich selbst und all das, was er nach außen repräsentiert. François, von Deon Lotz beklemmend gut gespielt, sehnsüchtig, brodelnd, zerrissen, sperrt sich vor sich selbst weg und schließt sich damit auch aus der eigenen Familie aus. Seiner Frau begegnet er stets mürrisch, wortkarg. Immer wieder kehrt er in die Rolle des Beobachters zurück, und die Inszenierung schlüpft mit ihm in diese hinein. Stumm bewegen sich die Lippen; dazwischen immer wieder: ein ungehemmtes, tonloses Lachen. Es sind keine schlüpfrigen Szenen, die François beobachtet, es sind kleine zärtliche Alltagsmomente, flüchtige Gesten. Ein Voyeur fremden Glücks; Aschenbach auf Afrikaans. Aber François will sich nicht länger damit abfinden, will nicht einfach so dahinschmelzen. Also bricht er zu einer angeblichen Geschäftsreise nach Kapstadt auf, wo Christian wohnt. Scheinbar unverfänglich meldet er sich bei Christians Vater, folgt der Einladung zum Essen, begegnet Christian wieder. Doch dann entdeckt er ihn mit einer jungen Frau am Strand: François’ eigener Tochter! Ab dann nimmt der Film eine überraschende, hässliche, hinterhältige Wendung, die im Nachhinein völlig schlüssig wirkt. „Beauty“, in Brauntönen, sonnig-schönen wie schmutzig-tristen, ruhig, langsam und lauernd erzählt, ist ein poetischer, sanfter, an wenigen wichtigen Stellen aber auch harter, quälender Film. Ein in sich geschlossenes, stilsicheres kleines Filmkunstwerk, das trotz des offenen Schlusses genau mit der letzten Szene, der letzten Einstellung, dem letzten Bild zu Ende erzählt ist.
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