Die Farbe des Ozeans

Drama | Deutschland/Spanien 2011 | 92 Minuten

Regie: Maggie Peren

Eine deutsche Touristin macht Urlaub auf den Kanaren, als am Strand afrikanische Flüchtlinge angespült werden. Viele sind tot; Überlebende werden von der Polizei in ein Lager gebracht. Die Urlauberin will einem der Afrikaner helfen, während ein spanischer Grenzpolizist für die Abschiebungen sorgt. Ein mitunter konstruiertes, gleichwohl spannendes Drama, das drei Schicksale verbindet, die unterschiedliche Perspektiven auf die Flüchtlingsthematik eröffnen. Der komplexe globale Kontext bleibt durch die Fokussierung auf Einzelschicksale ausgespart. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
EL COLOR DEL OCÉANO
Produktionsland
Deutschland/Spanien
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
Südart Filmprod./Starhaus Filmprod./noirfilm/El Olivo Prod./BR
Regie
Maggie Peren
Buch
Maggie Peren
Kamera
Armin Franzen
Musik
Carolin Heiß · Marc-Sidney Müller
Schnitt
Simon Blasi
Darsteller
Sabine Timoteo (Nathalie) · Álex González (José) · Dami Adeeri (Mamadou) · Hubert Koundé (Zola) · Friedrich Mücke (Paul)
Länge
92 Minuten
Kinostart
17.05.2012
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
EuroVideo (16:9, 1.78:1, DD5.1 span./dt.)
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Diskussion
Alles könnte so schön sein: Die anrollenden Wellen der Brandung, die kleine Erfrischung im Meer, während die kanarische Sonne auf Strand und Nathalie herunter brennt. Die schlanke, man könnte auch sagen modisch abgemagerte Frau macht Urlaub. Abends chattet sie mit ihrem notorisch überbeschäftigten Freund Paul per Laptop. Nathalie ist zwar dünn und einsam, doch sie hat alles – vor allem eine Zukunft, von der sie gerade eine Pause macht. Doch was sie an diesem gleißenden Tag zu sehen bekommt, als sie nach einigen Tauchstößen wieder in die erdrückende Hitze auftaucht, ist kein Postkartenmotiv. Völlig erschöpfte Afrikaner liegen um ein gestrandetes Ruderboot herum, einige bewegen sich nicht mehr, ein Vater bittet um Wasser für seinen Sohn. Nathalie will helfen, rennt los, um noch mehr Wasser zu holen. Doch als sie zurückkommt, sind Rettungssanitäter und Polizisten da, die ihr verbieten, den Erschöpften zu helfen, und die die wenigen Überlebenden in ein von Stacheldraht umzäuntes Lager bringen. Worum es in Maggie Perens multiperspektivisch beleuchteter Geschichte geht, ist ein Clash der ersten und der dritten Welt. Es geht um die Sicherung des Wohlstands auf der einen und um die des Lebens auf der anderen Seite des Ozeans. José ist einer der spanischen Grenzpolizisten, die hartherzig Stempel zur Abschiebung auf Dokumente drücken. Die Herkunft zählt für eine Aufenthaltserlaubnis: Senegal oder Kongo, das ist entscheidend. Dabei ist José selbst vom Schicksal geschlagen. Seine Schwester ist einer Sucht verfallen, die aus einem Gefühl des Überdrusses entstanden sein muss. Statt ihr die Nadel in die ausgefransten Venen zu stechen, setzt José ihren teuren Schuss Heroin wortwörtlich in den Sand und ändert seine Telefonnummer. Die eigene Schwester wird für José zum Abschiebe-Fall. Drei Schicksale werden erzählt: das des Afrikaners Zola, der seinem Sohn Mamadou eine bessere Zukunft bieten möchte, das des gnadenlosen, nationalistischen José und das von Nathalie, die sich ihrer Liebe zu Paul nicht mehr so sicher ist, als sie Zola zu helfen beginnt. Oberlehrerhaft klärt Paul sie auf, wo die Probleme in Wahrheit beginnen; er scheint die Wurzel des Übels aus der Ferne ausgemacht zu haben und deklariert Nathalies individuelle Hilfe als sinnlos. Er ist der Prototyp des Westlers, der sich die eigene Hilflosigkeit in die prall gefüllte Tasche lügt und sich lieber abwendet, statt etwas zu tun. Paul ist die dritte Seite der Medaille, nicht so ungnädig wie der Abschieber Jose, nicht so warmherzig und mitleidig wie Nathalie. Maggie Peren gelingt es, weder „Gutmenschen“ noch Asylsuchende auf Klischees zu reduzieren. In ihrem Film ist nichts Schwarz und Weiß, nichts Gut und Böse, vor allem lässt sich das nicht an der Hautfarbe festmachen. Das erkennt auch Zola, als er von einem ehemaligen Flüchtling betrogen und beraubt wird. Das muss am Ende auch José erkennen. Ein Boot mit 80 toten Menschen sei vor der italienischen Küste gestrandet, alle Schiffe wären zuvor vorbeigefahren, ohne zu helfen. Sie hätte angehalten, und das sei alles, was zählt, sagt José am Ende zu Nathalie. Diese Wandlung mündet allerdings in den Eindruck, dass sich Peren mit ihrem Drehbuch selbst hilfesuchend an der Hypothese entlang hangelt, dass der Zwillingsbruder einer Drogensüchtigen durch die tödlichen Konsequenzen seines ignoranten Verhaltens geläutert wird. „Die Farbe des Ozeans“ ist zudem nicht so poetisch wie sein Titel, er ist eher so realistisch trocken inszeniert, wie die Sonne in Wahrheit auf den Strand knallt. Der Film gibt nicht dem Ozean seine Farbe oder dem Kino seinen Glanz zurück; er gibt dem Schicksal afrikanischer Flüchtlinge ein Gesicht, und das im Rahmen eines etwas konstruiert wirkenden Dramas. Spannend und engagiert ist dieses Porträt eines der mutigen Ozean-Überquerer, die hierzulande in der Presse nur noch als eine anonyme Anzahl von Toten erwähnt werden, dennoch. Es geht um Menschen, die auf den Kanaren zu nah am Problem sind, als dass eine mediale Vermittlung noch für emotionalen Abstand sorgen würde, um Menschen, die sich angesichts des extremen Leidens anderer verändern. Das rüttelt auf.
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