Komödie | Belgien/Türkei 2012 | 98 Minuten

Regie: Guy Lee Thys

Die Lebenswege und Zukunftsplanungen dreier Menschen kreuzen und durchkreuzen sich: Ein belgisch-türkischer homosexueller Moslem sucht nach seiner Identität, sein jüngerer Bruder, ein Kleinkrimineller, versucht sich als fundamentalistischer Moslem im Kaftan, seine Verlobte, die in Anatolien auf dem Land lebt, erhofft sich von der arrangierten Hochzeit ein freieres, westlicheres Leben in Antwerpen. Was als heiter-beschwingte Multikulti-Komödie beginnt, entwickelt sich zunehmend ernster und bedrohlicher zum facettenreichen kulturkritischen Sozialdrama ohne jeden erhobenen Zeigefinger. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
MIXED KEBAB
Produktionsland
Belgien/Türkei
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
Fact & Fiction
Regie
Guy Lee Thys
Buch
Guy Lee Thys
Kamera
Björn Charpentier
Musik
Michelino Biseglia · Buscemi
Schnitt
Marc Wouters
Darsteller
Cem Akkanat (Ibrahim / Bram) · Simon Van Buyten (Kevin) · Gamze Tazim (Elif) · Karlijn Sileghem (Marina) · Lukas De Wolf (Furkan)
Länge
98 Minuten
Kinostart
20.09.2012
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Komödie | Drama
Externe Links
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Diskussion
Der Titel klingt nach Multikulti-Komödie: heiter, beschwingt, turbulent. Und so fängt es auch an. Mit einer Nahaufnahme der Hauptfigur. Ein bisschen spitzbübisch, ein wenig schmollend schaut er drein, während er sich gleich vier Mal hintereinander vorstellt. Einmal als Ibrahim und Türke, dann als Bram und Belgier, ein drittes Mal als Moslem und zuletzt als Schwuler. Mischt man das alles – und noch viel mehr – munter durcheinander, kommt am Ende so etwas wie Identität heraus. Bürokratische Sozialdebattenbegriffe wie „Belgier mit türkischem Migrationshintergrund“ greifen da zu kurz. Sie verfehlen vor allem den einzelnen Menschen, der eben jeweils noch ganz andere, unterschiedliche Hintergründe hat. Das deutet der belgische Filmemacher Guy Lee Thys zumindest an, indem er neben Ibrahim bzw. Bram auch die Lebensentwürfe einiger anderer Figuren beleuchtet. An erster Stelle sind da Ibrahims jüngerer Bruder Furkan, ein Kleinkrimineller mit Baseballcap und Lederjacke, der sich als fundamentalistischer Moslem im Kaftan versucht, oder Ibrahims Verlobte Elif, die in Anatolien auf dem Land lebt. Sobald sie im Taxi in Richtung Stadt unterwegs ist, nimmt sie ihr Kopftuch ab, trägt Lippenstift auf und verspricht sich von der arrangierten Hochzeit mit ihrem Cousin Ibrahim ein freieres, westlicheres und luxuriöseres Leben in Antwerpen. Die Lebenswege und Zukunftsplanungen dieser drei Figuren berühren, kreuzen und durchkreuzen sich im Verlaufe des Filmes mehrfach. Bisweilen geht es dabei tatsächlich komisch zu, etwa wenn die selbstbewusste, lebenshungrige Elif ihrem blinden Vater die sittsam-brave Tochter vorgaukelt oder wenn Brams Geliebter, der blonde Kevin, sich Brams/Ibrahims Familie gegenüber als Zufallsbekanntschaft ausgibt, wobei Ibrahims Schwester, die weiß, dass das nicht stimmt, ihn mit bohrenden Nachfragen und unterdrücktem Grinsen in immer größere Widersprüche verstrickt. Die sonnendurchfluteten Urlaubsszenen in der Türkei, in die Bram zusammen mit Kevin reist, um, dann allerdings ohne Kevin, seine Verlobte zu besuchen, schwanken zwischen Erotik und Burleske. Ausgerechnet in dem Hotel, in dem die beiden Liebenden unterkommen, arbeitet Elifs Ex-Freund, der seinen Rivalen mit diebischem Lächeln auf den Lippen beim Sex fotografiert. Zurück in Belgien, droht die Situation zu eskalieren, als Furkan eines dieser Bilder zu Gesicht bekommt. Je länger der Film dauert, desto ernster und bedrohlicher entwickelt er sich; in einer Schlüsselszene sogar als Hommage an „Mein wunderbarer Waschsalon“ (fd 25 795). Realistisch sind die in einer Familie plus Freundeskreis geballten Kulturkonflikte zwar nicht unbedingt. Trotzdem verliert das vielschichtige, facettenreiche Sozialdrama nie den Boden unter den Füßen. Ein ernstgemeinter, ernstzunehmender sozial- und kulturkritischer Film, der ohne erhobenen Zeigefinger, mitunter komisch und sinnlich, nach einem Ausweg für einen Mann sucht, der eigentlich ganz genau weiß, wer er ist, aber immer nur ein Teil davon sein darf.
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