Beasts of the Southern Wild

Drama | USA 2012 | 97 (24 B./sec.)/93 (25 B./sec.) Minuten

Regie: Benh Zeitlin

In einer Siedlung an der Küste Louisianas lebt eine Dorfgemeinschaft in einer von wilder Natur und improvisierten Quartieren geprägten Welt, unter ihnen ein kleines Mädchen und sein kranker Vater. Als ein Sturm die Gegend verwüstet, will die Regierung die Bewohner in ein Auffanglager umsiedeln, diese aber wehren sich gegen die staatliche Intervention. Das zwischen Fantasy und Realität changierende Drama verfolgt aus der Perspektive seiner jungen Heldin deren schmerzhafte Vertreibung aus der Kindheit. Während der Film mit Blick auf eine konkrete Region und Community folkloristisch wirkt, überzeugt er, visuell ausdrucksstark, als Parabel über die Konfrontation eines Kindes mit Sterblichkeit und Tod, die mit einer charismatischen Hauptdarstellerin in Szene gesetzt ist. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
BEASTS OF THE SOUTHERN WILD
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
Cinereach/Court 13 Pic./Journeyman Pic.
Regie
Benh Zeitlin
Buch
Lucy Alibar · Benh Zeitlin
Kamera
Ben Richardson
Musik
Dan Romer · Benh Zeitlin
Schnitt
Crockett Dobb · Affonso Gonçalves
Darsteller
Quvenzhané Wallis (Hushpuppy) · Dwight Henry (Wink) · Levy Easterly (Jean Battiste) · Lowell Landes (Walrus) · Pamela Harper (Little Jo)
Länge
97 (24 B.
sec.)
93 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
20.12.2012
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Die Standardausgabe (DVD & BD) enthält keine erwähnenswerten Extras. Die BD enthält indes ein vom Regisseur kommentiertes Feature mit im Film nicht verwendeten Szenen (14 Min.) sowie den Kurzfilm "Glory at Sea" (26 Min.).

Verleih DVD
MFA/Ascot Elite (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
MFA/Ascot Elite (16:9, 1.85:1, dts-HDMA engl./dt.)
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Diskussion
„The Bathtub“ nennen die Einheimischen ihre Heimat – ein Name, in dem das Insulare bereits mitschwingt. Die von der Außenwelt abgeschnittene Siedlung liegt tief in den Sumpfgebieten Louisianas, an der Küste des Golfs von Mexiko. Hier, hinter den Dämmen und Ölraffinerien, lebt eine ethnisch gemischte Community in improvisierten Behausungen inmitten einer von den Abfällen der Zivilisation angefressenen Natur. Mensch und Tier, Natur und Müll bilden in „The Bathtub“ eine seltsame Synthese – ebenso wie der Film selbst unaufhörlich Synthesen produziert: zwischen Realismus und Fantasy, Regionalismus und globaler Erzählung, zwischen zeitlosem Märchen und Gegenwartsbeschreibung, Hurricane-Katrina-Parabel und Klimakatastrophen-Szenario. So roh und von existenziellen Bedürfnissen getrieben die Realität von „Beasts of the Southern Wild“ auch ist: Sie ist ebenso von Mythen, Legenden und Metaphern bestimmt, von Überhöhungen und Umschreibungen. So verdankt die sechsjährige Hushpuppy, ein afroamerikanisches Mädchen und die wuschelköpfige Heldin des Films, ihren Namen den frittierten Maismehlbällchen, die zum festen Bestandteil der Südstaatenküche gehören. Was sprachlich verkleidet und ins Bildliche verschoben wird, ist gleichzeitig pure Buchstäblichkeit. Hushpuppys Wahrnehmung der Außenwelt, die sie erst gegen Ende des Films kennen lernt, ist ganz unmittelbar und unverstellt: das sterile Auffanglager, in das die Bewohner des „Bathtub“ nach einem zerstörerischen Sturm zwangsweise einquartiert werden, beschreibt sie etwa als ein Aquarium ohne Wasser; das Bild der Herzmaschine, deren Kabel mit dem Körper ihres schwer kranken Vaters verbunden sind, löst in ihr Befremden aus, erweckt es doch den Eindruck, als seien die Menschen an die Wand angeschlossen. „Beasts of the Southern Wild“ wird vorgeblich aus Hushpupps Perspektive geschildert, die mit ihrem ruppigen Vater Wink in ärmlichen Verhältnissen in einer auf Stelzen gebauten Baracke lebt. Der Vater versucht, die Tochter auf die kommenden Veränderungen vorzubereiten, den großen Sturm, die Verteidigung des „Bathtub“ gegen die staatlichen Autoritäten, auf ein Leben als Waise. Hushpuppy ist im Grunde ein idealtypisches Tomboy, allerdings ohne die gender-politischen Konnotationen, die diesen Begriff begleiten. Dass der Vater ihr jeden Anflug einer Verweichlichung auszutreiben versucht, ist nichts anderes als Überlebenstraining: „Nicht weinen“, heißt eine seiner Losungen. Auch fördert er Armdrücken und sonstige Muskelspiele. Mit einer Mischung aus Naivität, Altklugheit und Weisheit erzählt Hushpuppy aus dem Off über ihr Leben und die Welt, spinnt Fabeln über den Verbleib der abwesenden Mutter, die sie in einem entfernten Leuchtfeuer vermutet, oder fantasiert nach einer Schulstunde über die bevorstehende Klimakatastrophe von ausgestorbenen Auerochsen, die, aus dem arktischen Eis auferstanden, Richtung „Bathtub“ ziehen. Doch während die Erzählerstimme eine Innenansicht vorgibt, ist die visuelle Perspektive des Films gänzlich eine außenstehende. Mit geradezu authentizistischem Eifer blickt Benh Zeitlin auf eine Gesellschaft der Unangepassten und Ausgestoßenen, die bis zuletzt auf die Effekte des Exotischen reduziert bleibt; eine Existenz jenseits des Naturnahen, Animalischen und Ungebändigten gesteht ihnen der Film nicht zu. Begierig saugt die Kamera, deren permanente, fast schwindelige Bewegungen Vitalität und Dabeisein suggeriert, alles auf: den Rausch der Feste, die Entfesselung bei Musik, Alkohol und Feuerwerk, die gezeichneten Gesichter und ramponierten Körper in ihrer zerschlissenen Kleidung, die Bruchbuden und immer wieder Tiere, vor allem in ihrer Nähe zu Menschen. Die ersten Bilder zeigen Hühner, Vogelküken, Hunde, ein Hängebauchschwein im Dreck; Hushpuppy hört ihren Herzschlag, beugt sich über ihre warmen Körper; man hört es pochen. Dabei werden die toten Tiere in nicht minder lebhafte Bilder gefasst: Hühner, die der Vater tief gefroren aus einer Kühltruhe holt und zum Mittagessen auf einen kleinen Grill wirft, Fische, die er mit geschicktem Faustschlag erledigt, wie auch ganze Schiffsladungen voller Shrimps, in die die Kamera bildfüllend eintaucht, als wolle sie sich gefräßig darüber hermachen. „Du bist ein Tier“, schreit der Vater Hushpuppy anerkennend zu, als sie einen Krebs mit bloßen Händen zerrissen hat. Dieser wuchtige, alle Sinne ansprechende Bildertaumel hat seine schillernden Qualitäten und wird durch den eindringlichen, streicherlastigen Soundtrack noch forciert, der dem Film etwas Vorwärtstreibendes verleiht und die mitunter zerfaserte Erzählung zu einer kohärenten Textur zusammenschmilzt. Schwer entziehen kann man sich auch dem entwaffnenden Charme Hushpuppys, gespielt von Quvenzhané Wallis, einem Mädchen aus der Region. Gleichwohl hinterlässt das visuelle Vergnügen einen schalen Beigeschmack; denn was der Film als wirklichkeitsnahes Porträt der Louisiana-Community vorstellt, ist in Wahrheit vor allem prächtige Folklore.
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