Marina Abramovic: The Artist is Present

Dokumentarfilm | USA/Niederlande 2012 | 106 (24 B./sec.) Minuten

Regie: Matthew Akers

Dokumentarfilm über die Performance-Künstlerin Marina Abramovic, der im Zuge der Ausstellung "Marina Abramovic: The Artist Is Present", mit der das New Yorker MoMA die Künstlerin 2010 ehrte, Leben und Werk der "Grande Dame" der Performance beleuchtet. Dabei werden auch Interviews mit diversen Weggefährten und Sachverständigen sowie Archivmaterial früherer Performances präsentiert. Dabei huldigt der Film ganz dem Charisma seiner Protagonistin, ist zugleich aber auch mehr als "nur" ein Künstlerporträt, setzt er sich doch grundlegend mit der Performance-Kunst auseinander. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
MARINA ABRAMOVIC: THE ARTIST IS PRESENT
Produktionsland
USA/Niederlande
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
Show of Force/Dakota Group/AVRO TV
Regie
Matthew Akers
Buch
Matthew Akers
Kamera
Matthew Akers
Musik
Nathan Halpern
Schnitt
E. Donna Shepherd
Länge
106 (24 B.
sec.) Minuten
Kinostart
29.11.2012
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Marina Abramovic saß vom 14. März bis zum 31. Mai 2010 Tag für Tag auf einem Stuhl im Foyer des Museum of Modern Art in New York – mehr als 736 Stunden, wie die englische Wikipedia angibt. Ihr gegenüber stand ein zweiter Stuhl, in den ersten zwei Monaten stand zwischen den beiden Stühlen ein Tisch. Das MoMA führte in dieser Zeit ihr zu Ehren die umfassendste je für eine Performance-Künstlerin durchgeführte Ausstellung durch. Derweil Abramovic im Foyer beinahe bewegungslos auf ihrem Stuhl saß und Besucher einige Minuten ihr gegenüber Platz nehmen durften, zeigte man in den oberen Etagen Bilder und Videos ihrer früheren Installationen. Zudem „spielten“ 30 von Marina Abramovic ausgewählte und trainierte Künstler einige ihrer Arbeiten nach, etwa die „Imponderabilia“, in der zwei Künstler sich in einem Türrahmen nackt gegenüber stehen und sich die Besucher zwischen ihnen hindurchzwängen müssen. Dieser Satz eben ist nun kreuzfalsch, denn Performances spielt man nicht, sondern lebt man – so lernt man in dieser Künstler-Dokumentation von Matthew Akers, die in Anlehnung an die MoMA-Ausstellung „Marina Abramovic: The Artist Is Present“ heißt. Konzentriert aufs Hier und Jetzt, versunken in der Gegenwart des Seins. Etwas Meditatives hat das an sich und verströmt nicht selten ungeheure Energie. Und es stellt sich die Frage, ob solches Sitzen und Stehen tatsächlich Kunst sei – anderswo wird geschrien, und dann sind in Akers Film auch Aufnahmen von früheren Aktionen zu sehen, in denen Marina Abramovic, oft nackt und oft zusammen mit ihrem früheren Lebenspartner Ulay (dem deutschen Aktionskünstler Uwe Laysiepen), ihren Körper so strapaziert, dass allein das Zusehen schon schmerzt. Was ist daran Kunst? Damit holt der Film seine Protagonistin ein. Denn die heute 67-jährige Abramovic ist so etwas wie die Urmutter der Performance-Kunst, eben „the Grandma of performance art“. Die Tochter zweier Partisanen ist seit mehr als 40 Jahren aktiv. Sie verlangt in ihren oft schockierenden und provozierenden Performances – in „Nightsea Crossing“ (1981-1987) ging es um Schweigen, Fasten und Bewegungslosigkeit, in „Nude With Skeleton“ (2002) lag sie nackt unter einem Skelett – ihrem Körper immer das Äußerste ab. Eines ihrer erklärten Ziele, dem sie mit der Ausstellung im MoMA einen großen Schritt näher kam: der Welt beizubringen, dass Performance eine ernstzunehmende Kunst ist. Akers Film ist weit mehr als bloß ein Künstlerporträt, wenn er sich lose rund um die MoMA-Ausstellung aufbaut. Er begleitet deren Entstehung. Beobachtet Marina Abramovic in Diskussionen mit Assistenten und Kuratoren sowie bei den Vorbereitungen mit den jungen Künstlern, die während der Ausstellung ihre früheren Aktionen nachspielen. Er interviewt Abramovic, deren Mitstreiter, Kunstsachverständige und Besucher: den MoMA-Kurator Klaus Biesenbach, die Kunstkritiker Arthur Danto und Chrissie Iles, die Kuratorin des Whitney Museums of Modern Art. Aber auch Abramovics Galeristen Sean Kelly, den Schauspieler James Franco, der ein enger Freund der Künstlerin ist, sowie Ulay, ihren einstigen Lebens- und Performance-Partner, mit dem sie während zwölf Jahren einige überaus eindrückliche Paar-Performances („Relation Works“) schuf und den sie anlässlich der Ausstellung nach mehr als 23 Jahren das erste Mal wieder trifft. Eingestreut in den Film finden sich einige rare Archivaufnahmen von ihren frühen Aktionen aus den 1970er-Jahren, wo sie auch schon mal mit einem Lastwagen auf einem öffentlichen Platz herumkurvte und Zahlen in ein Megafon schrie, Psychopharmaka nahm, um auf die öffentliche Einstellung zu weiblichen Geisteskrankheiten aufmerksam zu machen, oder sich selbst verstümmelte. Seinen Höhepunkt findet der Film in der Wiedergabe der Performance im MoMA, den porträtnahen Aufnahmen nicht nur von seiner Protagonistin, sondern auch der Menschen, die sich für einige Minuten ihr gegenüber hinsetzen. Bloß schauen ist erlaubt. Doch was sich zwischen den Personen in diesen Momenten abspielt und sich in ihren Gesichtern spiegelt, ist derart emotional und berührend, dass nicht nur den Besuchern der Ausstellung, sondern auch dem Zuschauer im Kino bisweilen die Tränen kommen. Da verzeiht man dann gerne, dass „Marina Abramovic: The Artist Is Present“ zwischendurch ein wenig schwatzhaft Tendenzen zum Fan-Movie aufweist und überhaupt nicht kritisch ist: Vor dieser Künstlerin, ihrem Charisma und ihrer Kraft kann, muss und darf man einige Filmminuten lang einfach nur den Hut ziehen.
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