Zoran - Mein Neffe der Idiot

Komödie | Italien/Slowenien 2013 | 113 Minuten

Regie: Matteo Oleotto

Ein zynischer Trinker aus der Gegend um Friaul kreist nur um sich und den Wein. Von seiner slowenischen Tante „erbt“ er einen scheinbar zurückgebliebenen Neffen, den er in ein Heim abschieben will, bis er dessen unglaubliche Fähigkeiten im Dart-Spiel entdeckt und das große Geschäft wittert. Liebevoll-skurrile Komödie um einen Misanthropen, der hinter seiner Selbstsucht ein weiches Herz verbirgt. Der wohldosierte Humor verdankt sich einer genauen Beobachtung des Lebens in der Grenzregion und ihrer vom Leben gebeutelten Figuren, aber auch der kongenialen Filmmusik sowie einigen berührenden A-Cappella-Gesängen. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
ZORAN, IL MIO NIPOTE SCEMO
Produktionsland
Italien/Slowenien
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
Arch Prod./Staragara/Transmedia
Regie
Matteo Oleotto
Buch
Daniela Gambaro · Matteo Oleotto · Marco Pettenello · Pierpaolo Piciarelli
Kamera
Ferran Paredes
Musik
Antonio Gramentieri
Schnitt
Giuseppe Trepiccione
Darsteller
Giuseppe Battiston (Paolo) · Rok Prasnikar (Zoran) · Roberto Citran (Alfio) · Marjuta Slamic (Stefanja) · Riccardo Maranzana (Ernesto)
Länge
113 Minuten
Kinostart
19.06.2014
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Komödie
Externe Links
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Diskussion
„Il vino sorregge la vita, l’acqua la beve il cane“, singen die Männer aus dem kleinen Dorf an der italienisch-slowenischen Grenze, und auch ihr Leben folgt diesem Motto: Der Wein ist der Pfeiler des Lebens, das Wasser trinkt der Hund. Paolo ist der Konsequenteste unter ihnen, sein Lebensmittelpunkt ist die kleine Taverne des Ortes. Dort verbringt er seine Tage und Abende; von dort fährt er spätnachts betrunken mit seinem rumpeligen Kleinbus nach Hause – ganz egal, wie oft er dabei vor der örtlichen Polizeistreife fliehen und sich bis zum Morgengrauen bei seinem Kumpel Gustino verkriechen muss. Tagesüber arbeitet er widerwillig in der Kantine eines Altenheims; sein Haus ist eine heruntergekommene dunkle Bude. Paolo ist ein Misanthrop, ein Lügner und exzessiver Trinker, zynisch, ignorant, selbstsüchtig und allen anderen Lebensstilen gegenüber extrem abschätzig. Und doch schließt man diesen dicken, ungepflegten Mann ins Herz; dem Film und vor allem seinem Hauptdarsteller Giuseppe Battiston gelingt ein kleines Kunststück. Es scheint nicht einmal abwegig, dass Paolos Ex-Frau Stefanja, in die er noch immer verliebt ist, zu ihm zurückkehren könnte. Kleine Gesten und Blicke verraten, dass Paolo trotz seiner rauen Schale kein schlechter Kerl ist; der schwere Körper lässt ahnen, wie verletzlich die darin wohnende Seele sein mag. Aus Angst vor Nähe und Verantwortung hat sich Paolo in einem kindischen, um sich selbst kreisenden Kosmos eingerichtet. Dass es neben dem Wein und den eigenen Bedürfnissen vielleicht noch mehr geben könnte, blendet er erfolgreich aus. Bis er auf Zoran trifft, seinen etwas zurückgeblieben wirkenden Neffen. Ihn hat Paolo von seiner verstorbenen slowenischen Tante „geerbt“. Wunderbar komisch und lakonisch schildert der Film, wie Paolo, voller Vorfreude auf einen vielversprechenden Nachlass, dreist den wehklagend Trauernden gibt, um schließlich mit dem tatsächlichen Erbe – neben Zoran ein tischhoher Porzellanhund –wieder Richtung Italien aufzubrechen. Ein paar Tage soll er den Jungen betreuen, bis der in eine Jugendhilfeeinrichtung wechseln kann. Doch als Paolo entdeckt, dass der linkische, geschwollen daherredende Junge mit den dicken Brillengläsern ein brillanter Dartspieler ist, wittert er eine Gelegenheit, an hohe Preisgelder heranzukommen. Mit rührseligen Geschichten sorgt er beim Jugendamt dafür, dass Zoran länger bei ihm bleiben darf. Was dem Jungen, der tatsächlich alles andere als zurückgeblieben ist, ebenfalls entgegenkommt, hat er sich doch in ein Mädchen aus dem Dorf verguckt. Die einzige Schwachstelle des Films ist die Darstellung von Zoran: das „Nerdige“ des Jungen ist viel zu dick aufgetragen; Maske, Kostüm und Spiel drängen es einem geradezu auf, dass dieser 16-Jährige ausgesprochen seltsam ist. Allerdings ist das ein lässlicher Fehler in einer ansonsten wunderbaren Komödie, die ihren grandiosen, niemals lauten Humor der genauen Beobachtung des Lebens und seiner Figuren verdankt. Das Personal des Films ist ebenso liebevoll wie skurril gestaltet: etwa Stefanjas neuer Mann Alfio, der sich dem naturgetreuen Basteln von Vögeln verschrieben hat, oder Paolos stotternder, herzensguter Arbeitskollege Ernesto. Diese Figuren fügen sich elegant in die flache Gegend von Friaul-Julisch Venetien, die der aus der Region stammende Regisseur Matteo Oleotto als etwas öde, stets leicht wolkenverhangene Rebenlandschaft zeichnet. Mit den üblichen Klischeebilden eines sonnigen, spektakulär schönen Italien hat diese Umgebung nicht das Geringste zu tun. Auch der Umstand, dass Friaul-Julisch Venetien Grenzland ist, scheint sich in den Figuren widerzuspiegeln, in Paolos ungefestigter Existenz wie in Zorans Heimatlosigkeit. Und dann wäre da noch die Musik, die nach Paolo, Zoran und dem Wein die vierte Hauptrolle innehat. Die A-cappella-Stücke des örtlichen Chors, die sich zumeist um den geliebten Rebensaft drehen, grundieren den Film und verbinden die Geschichte mit der Landschaft. Die Musik ist aber auch dramaturgisch wichtig: Mit einer gesungenen Version von „Oce nas“, dem slowenischen Vaterunser, gelingt es Zoran erstmals, Paolos Panzer aufzubrechen. Wenn Paolo hingegen nach Slowenien reist, um sein Erbe in Empfang zu nehmen, wird die Grenzregion in Western-Klängen spürbar. Ähnlich atmosphärisch konnotiert ist die Sprache des Films, weshalb unbedingt die Originalfassung dieses wunderbaren Films empfohlen sei.
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