Kings of Kallstadt - Ein Film über Dorfliebe und Größenwahn

Dokumentarfilm | Deutschland 2014 | 92 Minuten

Regie: Simone Wendel

Der US-amerikanische Multi-Milliardär Donald Trump, die Erben des Ketchup-Imperiums Heinz und die Filmemacherin Simone Wendel stammen alle aus dem pfälzischen Winzer-Örtchen Kallstadt. Der launig-gefällige Dokumentarfilm macht sich auf die Suche nach dem „Kallstadt-Gen“ und entfaltet dabei unterhaltsam ein anekdoten- und arabesken-reiches Potpourri pfälzisch-„kallstädtischer“ Lebensart. Die europäische und die überseeische Tradition werden dabei während der Steubenparade in New York zusammengeführt, ohne dass sich der Film viel um die Gründe der Auswanderungen kümmert. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2014
Produktionsfirma
Projekt Gold Film und Design/Wendel & Conte/Perfect Shot Films/Familie Hofmann Film/SWR
Regie
Simone Wendel
Buch
Simone Wendel · Mario A. Conte
Kamera
Tom Schneider · Gerry Brosius · Tim Sessler
Musik
Malcolm Kemp
Schnitt
Stefan Haberbosch · Mario A. Conte · Jana Dugnus
Länge
92 Minuten
Kinostart
25.09.2014
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Diskussion
Von außen sieht das Haus wie Dutzende andere aus: ein schmaler Bau von beigem Anstrich, daneben ein hellblaues Eingangstor, aus dem der Großvater von Donald Trump stammt, dem US-amerikanischen Multimilliardär. Das Anwesen steht in Kallstadt in der Pfalz, einem Ort mit einer schmucken gotischen Kirche, inmitten einer idyllischen Rebenlandschaft. Seine Bewohner sind stets guter Laune, denn „es scheint immer die Sonne, und der Wein geht nie aus.“ Doch nicht nur der New Yorker Immobilien-Tycoon hat hier seine Wurzeln; auch die einst nach Pennsylvania ausgewanderte Ketchup-Familie Heinz stammt aus Kallstadt. In „Kings of Kallstadt“ begibt sich die ebenfalls hier aufgewachsene Filmemacherin Simone Wendel auf die Suche nach dem „Kallstadt-Gen“. Im Erklärbärenton stellt sie die Ortsbewohner vor: die Pensionswirtin Veronika (mit f), die in der Theatergruppe aktiv ist und immer die Rollen nimmt, die keiner spielen will („so e bissel dabbisch“); den pensionierten Gemeindediener Peter, der beim Harken der Friedhofswege verspricht: „Wenn ich im Lotto gewinne, bauen wir eine neue Leichenhalle“; man mag sich kaum vorstellen, dass die Kallstadter „Brulljesmacher“ genannt werden, was in der Pfälzischen Mundart einen Prahler bezeichnet. Die Regisseurin trifft entfernte Verwandte der Trumps und der Heinz-Familie, Rentnerinnen, Jäger und natürlich Winzer. Auch Donald Trump gewährt Audienz, im Trump Tower in Manhattan. Der Unternehmer mit der grauen Betontolle bekundet seinen Stolz auf die deutsche Herkunft; auch er arbeite hart und sei verlässlich. Zugewandt zeigt sich sein Cousin George, ein älterer Herr mit opulenten Augenbrauen, der die Regisseurin mit einem Lied namens „Schnitzelbank“ überrascht. Von ihm erfährt man, dass die Trumps während des Goldrauschs am Yukon für die Glückssucher gekocht haben und so zu dem Kapital kamen, dass sie später mit Bauprojekten vermehrten. Zusammengeführt werden die beiden Welten durch eine Einladung der Kallstadter zur Steubenparade: Beim alljährlichen Umzug durch die Straßen New Yorks präsentieren Deutschamerikaner in Ledertrachten germanisches Brauchtum – oder was sie dafür halten. Man sieht die Kallstadter Gesandten bei den Reisevorbereitungen (mehrlagiges Klopapier mitnehmen!), während eines Baseballspiels („Keine Action“) und beim Besuch eines Heinz-Shops (große Auswahl). „Kings of Kallstadt“ gibt sich betont launig und gefällig. Die O-Töne der leicht zu verstehenden Pfälzer Protagonisten sind untertitelt. Das verleiht ihnen bisweilen die Aura exotischer Eingeborener, obwohl sie bloß „Zunanner“ oder „Mudder“ und „gewest“ statt gewesen sagen. Was aber trieb und treibt Menschen wie den Großvater von Donald Trump dazu, ihre Heimat aufzugeben? Der Vorfahr war ein Mann mit Visionen, so ein Verwandter. Diese Ärmelhochkrempel-Botschaft zieht sich, bei aller selbstironischen Rahmung, durch den ganzen Film. Es ist eine Welt, in der nicht blanke Not, sondern der Drang nach Selbstverwirklichung die Menschen antreibt. Man kennt das in seiner gehässigen Variante aus Auswanderersendungen im Fernsehen, in denen jemand ein Wirtshaus in der Wüste eröffnet und dann feststellt, dass er gar nicht kochen kann. Wie groß das Elend wirklich war, das viele zur Auswanderung trieb, konnte man jüngst in Edgar Reitz’ „Die andere Heimat“ (fd 41 916) sehen, der im Hunsrück spielt; sprachlich wie räumlich sehr nah an Kallstadt. Trotz allem Gemäkel ist „Kings of Kallstadt“ dank seiner Protagonisten aber sehr unterhaltsam geraten – auch wenn das Geheimnis des Gens weiter auf seine Enthüllung wartet.
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