Drama | Japan 2013 | 135 Minuten

Regie: Sang-il Lee

Ein verwitweter Bauer, der früher ein gefürchteter Samurai war, lässt sich von einem alten Weggefährten überreden, noch einmal zum Schwert zu greifen, um das Kopfgeld für einen Mann zu kassieren, der eine Prostituierte schwer misshandelt hat. Japanisches Remake von Clint Eastwoods Western „Erbarmungslos“ (1992), übertragen auf die Insel Hokkaido während der Meiji-Restauration in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Im Tonfall ruppiger und illusionsloser als das Original, beeindruckt der künstlerisch eigenständige Film durch atemberaubende Aufnahmen der schneebedeckten nordjapanischen Landschaft. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
YURUSAREZARU MONO
Produktionsland
Japan
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
Nikkatsu/Office Shirous
Regie
Sang-il Lee
Buch
Sang-il Lee
Kamera
Norimichi Kasamatsu
Musik
Tarô Iwashiro
Schnitt
Tsuyoshi Imai
Darsteller
Ken Watanabe (Jubei Kamata) · Akira Emoto (Kingo Baba) · Yûya Yagira (Goro Sawada) · Shiori Kutsuna (Natsume) · Eiko Koike (Okaji)
Länge
135 Minuten
Kinostart
04.12.2014
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Diskussion
Was für eine schöne Zirkelbewegung. 1964 wurde Clint Eastwood mit „Für eine Handvoll Dollar“ (fd 13 307) weltberühmt, dem Remake von Akira Kurosawas „Yojimbo – der Leibwächter“ (fd 23 508). 50 Jahre später verkehrt sich die Richtung des Einflusses. Der japanische Regisseur Lee Sang-il hat ein Remake von Eastwoods Spätwestern „Erbarmungslos“ (fd 29 800) gedreht, der 1992 so etwas wie eine Renaissance des brachliegenden Genres einleitete. Die Neuauflage unterstreicht die Parallelen und Wechselwirkungen zwischen Western und Samurai-Film, zwei Gattungen, die durch Zeit, Ort und Handlungselemente sehr eng definiert sind, im Aufeinandertreffen aber ihre Beschränkungen aufbrechen. Lee hat Eastwoods Post-Bürgerkriegsgeschichte aus Wyoming in die Meiji-Periode (1868-1912) nach Hokkaido verlegt und verneigt sich damit gleichzeitig vor den epischen Meisterwerken Kurosawas, der sich seinerseits von John Ford beeinflusst sah. Ein spannender Kulturaustausch zwischen Ost und West, der keine Einbahnstraße ist. Früher war Jubei Kamata, stoisch dargestellt von Ken Watanabe, ein furchtloser, überaus schwertkundiger Samurai. „Jubei, der Killer“, nennt man ihn auch heute noch voller Ehrfurcht. Seiner inzwischen verstorbenen Frau hat er allerdings versprochen, nicht mehr zu töten. Darum versucht sich Jubei auf einem einsam gelegenen Hof als Bauer, um seine beiden Kinder durchzubringen. Bis sein alter Waffenbruder Kino Baba auftaucht und von einer Belohnung erzählt, mit der die Zukunft der Kinder gesichert wäre. Im nahen Dorf ist einer Hure das Gesicht zerschnitten worden. Weil der örtliche Ordnungshüter nichts unternimmt, haben ihre Kolleginnen 1000 Yen für die Ergreifung des Banditen ausgeschrieben. Eingerostet und unwillig schließt sich Jubei seinem Freund an; unterwegs lesen sie noch den jungen Hallodri Goro auf. Zu dritt werden sie es schon irgendwie schaffen, so die Überlegung der ungleichen Glücksritter. Doch dem lustvoll ausgespielten Sadismus und der skrupellosen Brutalität des Ordnungshüters Ishizo Oishi scheinen die drei nicht gewachsen zu sein. Schon die Inhaltangabe macht deutlich, wie eng sich Lee an das Drehbuch von David Webb Peoples aus dem Jahr 1992 gehalten hat: die Handlung wurde in ihren Grundzügen fast unverändert übernommen. Auch einige Themen finden sich in beiden Filmen wider, etwa die Problematisierung des Alters mit all seinen Beschwerden. Während Eastwood 1992 eine Brille aufsetzen musste, um sein Ziel nicht zu verfehlen, schafft es Ken Watanabe – in einer urkomischen Szene – nicht einmal mehr aufs Pferd. Und doch ist „The Unforgiven“ ein autonomer Film mit eigenen Themen und Ideen. Er beschreibt en passant das Ende der Samurai (und somit einer Epoche), die mit der Meiji-Restauration nach 1868 ihre Privilegien einbüßten und keine Waffen mehr tragen durften. Das Gewaltmonopol lag von nun an beim Staat, Schusswaffen lösten die Schwerter ab. Eine andere schöne Idee: Auf ihrem Weg treffen die drei auf Ainu, jene Ureinwohner Hokkaidos, die ursprünglich Jäger, Fischer und Sammler waren, nach der Unterwerfung durch die Japaner im 15. Jahrhundert aber zum Ackerbau gezwungen wurden und nun – in einer gelungenen ironischen Spitze – auf „zivilisierte“ Männer treffen. Auch der Ton des Remakes ist ein anderer: ruppiger und illusionsloser vor allem. So interpretiert Koichi Sato den Bösewicht unmenschlicher und hinterhältiger als Gene Hackman. Der finalen Konfrontation verleiht Lee mehr Action und Bewegung, mit einem wilden, unvorhergesehenen Ende, das auch die Hauptfigur in ein anderes Schicksal entlässt. Die schneebedeckten Landschaften Hokkaidos hingegen laden das Auge immer wieder zum Verweilen ein: eine wunderschöne, weiße und unschuldige Natur, in die der Mensch die Gewalt trägt.
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