Drama | Belgien/Luxemburg/Frankreich 2014 | 92 Minuten

Regie: Bernard Bellefroid

Eine arbeitslose Französin will sich den Traum von einem eigenen Friseursalon erfüllen und stellt sich einer englischen Managerin als Leihmutter zur Verfügung. Das anfänglich distanzierte (Geschäfts-)Verhältnis der beiden wandelt sich während der Schwangerschaft zu einer emotionalen Mutter-Tochter-Beziehung. Ein sensibel inszeniertes, sinnlich fotografiertes und beeindruckend gespieltes Drama, das das umstrittene Thema nicht missbraucht, vielmehr um Empathie und Identifikation mit den verzweifelten Protagonisten wirbt. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
MELODY
Produktionsland
Belgien/Luxemburg/Frankreich
Produktionsjahr
2014
Produktionsfirma
Artémis Prod./Liaison Cinématographique/Mille et une Films/Samsa Film
Regie
Bernard Bellefroid
Buch
Bernard Bellefroid · Carine Zimmerlin
Kamera
David Williamson
Musik
Frédéric Vercheval
Schnitt
Jean-Luc Simon
Darsteller
Rachael Blake (Emily) · Lucie Debay (Melody) · Don Gallagher (Gary) · Laure Roldan (Marion) · Clive Hayward (Norman)
Länge
92 Minuten
Kinostart
14.05.2015
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Verleih DVD
MFA/Ascot Elite (16:9, 2.35:1, DD5.1 frz./dt.)
Verleih Blu-ray
MFA/Ascot Elite (16:9, 2.35:1, dts-HDMA frz./dt.)
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Sensibel inszeniertes, sinnlich fotografiertes und beeindruckend gespieltes Drama um eine Leihmutterschaft und die seelische Belastung für die Betroffenen.

Diskussion
Der Film beginnt mit einer Aufsicht auf eine nur mit beiger Unterwäsche bekleidete hellblonde Frau, die in Embryo-Haltung auf einem knallroten Sofa liegt. Ein ebenso poetisches wie verstörendes Bild, das die Seelenlage der Protagonistin sichtbar macht und zugleich auf das Thema des Films verweist. Der Körper ist der von Melody, den die 28-jährige Friseurin verleihen wird, damit in ihm das Kind einer fremden Frau heranreift. Sie hat sich dazu entschlossen, weil sie sich ihren Lebenstraum vom eigenen Salon erfüllen will. Die in der bretonischen Stadt Rennes lebende Melody gehört zu den Verlierern der Finanzkrise. Sie ist arbeits- und wohnungslos, übernachtet bei Freunden oder in Treppenhäusern und bietet an Wohnungstüren ihre Dienste an. Auch die in Belgien aufgewachsene Emily, die in England ein Logistik-Unternehmen leitet, hat einen Traum: Sie möchte ein Kind haben, obwohl sie keine Gebärmutter mehr besitzt. Übers Internet kommen die beiden Frauen zusammen. In einem ukrainischen Krankenhaus werden Melody die vor Jahren eingefrorenen Eizellen Emilys eingepflanzt. Während der Schwangerschaft zieht Melody in Emilys Haus, wo sich die beiden unterschiedlichen Frauen nach anfänglicher Distanz annähern – bis eine Erkrankung der Geschichte eine dramatische Wendung gibt. Der belgische Filmemacher Bernard Bellefroid, der sich in seinem Debütfilm „La Régate“ mit dem Thema familiärer Kindsmissbrauch auseinandersetzte, wendet sich hier erneut einem gesellschaftlich inkriminierten Thema zu. Während die Katholische Kirche die Leihmutterschaft entschieden ablehnt, ist die Rechtslage in Eu-ropa recht unterschiedlich. In Deutschland ist bereits die Vermittlung einer Leihmutter strafbar; in England aber erlaubt das Gesetz das Austragen eines fremden Kindes unter bestimmten Bedingungen; in der Ukraine ist es gänzlich legal. Bellefroid nützt das ethisch brisante Thema allerdings zu keinem Thesen-Film, sondern entwirft mit den in die Entwicklung der Dialoge involvierten Hauptdarstellerinnen ein sensibles Kammerspiel, das nie in die Klischee-Falle tappt und auch kein „Richtig“ oder „Falsch“ aufzwingt, sondern Verständnis für die Protagonistinnen weckt. Das geht so weit, dass man mit seiner Sympathie ständig zwischen Melody und Emily hin- und herschwankt, je nachdem, ob es um das rein materielle Handeln der beiden Frauen geht oder ob gegenseitige Empathie mit im Spiel ist. Dass man so intensiv in ein Wechselbad der Gefühle eintaucht, liegt auch am phänomenalen Spiel der beiden Hauptdarstellerinnen Lucie Debay und Rachael Blake. Während Debay mehr für raue Poesie steht, verleiht Blake ihrer Figur neben der beruflichen Kälte auch eine verletzliche Sinnlichkeit. Die Kamera von David Williamson bleibt nah an den Gesichtern, ohne aufdringlich zu wirken. Auch der sparsame Soundtrack von Frédéric Vercheval versagt sich jeder emotionalen Überwältigung. Auf diese Weise entfernt sich der Film mit zunehmender Dauer von der Leihmutter-Problematik und wandelt sich zum berührenden Porträt zweier einsamer Frauen, die allmählich eine Art Mutter-Tochter-Beziehung entwickeln. Irgendwann kommt der Film wieder zu seinem Anfangsbild zurück: Melody, die „anonym“ geboren wurde, eine in Frankreich erlaubte Regelung, trägt nun selbst ein Embryo in sich und verzweifelt beinahe daran, dass „ihrem“ Kind vermutlich das gleiche Schicksal widerfahren wird: die Identität seiner Mutter nie zu erfahren. Das Drehbuch findet zwar einen Ausweg aus diesem Dilemma, zwingt damit aber zugleich zum Nachdenken, ob diese Hoffnung auch einer gesellschaftspolitischen Realität entspricht.
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