Orange Is the New Black

Drama | USA 2013-19 | 700 (Staffel 1) 750 (Staffel 2) Minuten

Regie: Michael Trim

Im Gefängnis angesiedelte (Fernseh-)Serie, in der eine junge weiße Mittelstandsfrau wegen einer zehn Jahre zurückliegenden Verwicklung in Drogengeschäfte im Knast landet. Dort muss sie nicht nur mit der Trennung von ihrem Verlobten klarkommen, sondern auch mit dem ruppigen Gefängnisalltag, biestigen Wärtern und der aus allen Ethnien zusammengewürfelten Phalanx der Mitgefangenen. Ihren Reiz zieht die Serie aus pointierten Dialogen und dem Aufrollen eines faszinierend vielgestaltigen gesellschaftlichen Panoramas an Frauenschicksalen. Bitterbösem gesellschaftskritischem Humor steht die warmherzig-mitmenschliche Herangehensweise an die persönlichen, oft tragischen Lebensgeschichten der Protagonistinnen gegenüber. Während Rückblenden auf die Lebensgeschichten der Inhaftierten wieder von viel Herz, Einfühlsamkeit und Gesellschaftskritik zeugen, lavieren die "dramödiantischen" Gefängnisinterna immer noch erfrischend unprätentiös zwischen schwarzhumoriger Bissigkeit und folgenreichen Zerwürfnissen. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
ORANGE IS THE NEW BLACK
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2013-19
Produktionsfirma
Tilted Prod./Lionsgate Television
Regie
Michael Trim · Uta Briesewitz · Jodie Foster · Andrew McCarthy · Matthew Penn
Buch
Jenji Kohan · Liz Friedman · Marco Ramirez · Sian Heder · Gary Lennon
Kamera
Vanja Cernjul · Yaron Orbach · Michael Trim · Ludovic Littee · Manuel Billeter
Musik
Scott Doherty · Brandon Jay · Gwendolyn Sanford
Schnitt
Bill Turro · Tim Boettcher · Michael Stern · Shannon Mitchell · Amy M. Fleming
Darsteller
Taylor Schilling (Piper Chapman) · Laura Prepon (Alex Vause) · Michael Harney (Sam Healy) · Michelle Hurst (Miss Claudette Pelage) · Kate Mulgrew (Galina 'Red' Reznikov)
Länge
700 (Staffel 1) 750 (Staffel 2) Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Gefängnisfilm | Komödie | Serie

Heimkino

Die Extras umfassen u.a. Ausiokommentare zu Einzelfolgen sowie mehrere Feature zu Teilaspekten des Films (Staffel 1 insges.: 44 Min., Staffel 2 insges.: 48 Min.).

Verleih DVD
StudioCanal (16:9, 1.78:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
StudioCanal (16:9, 1.78:1, dts-HDMA engl./dt.)
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»The animals, the animals, trapped, trapped, trapped 'til the cage is full.« Zu Regina Spektors treibendem Intro-Song rasen die Gesichter der menschlichen »Käfigtiere« durch den Anfang jeder Serienfolge: Schnell hintereinander geschnittene Close-Ups auf Münder und Augen, schmal, dick, lachend, zornig, zeugen von der weißen, afro- oder lateinamerikanischen Herkunft ihrer Trägerinnen.

Diskussion

Kritik zu Staffel 1 & 2 (2015)

Von Kathrin Häger

»The animals, the animals, trapped, trapped, trapped 'til the cage is full.« Zu Regina Spektors treibendem Intro-Song rasen die Gesichter der menschlichen »Käfigtiere« durch den Anfang jeder Serienfolge: Schnell hintereinander geschnittene Close-Ups auf Münder und Augen, schmal, dick, lachend, zornig, zeugen von der weißen, afro- oder lateinamerikanischen Herkunft ihrer Trägerinnen. So unterschiedlich diese frontal der Kamera zugewandten Frauen auch sind, saßen sie doch allesamt tatsächlich längere Zeit im Gefängnis. Nur selten brechen dessen Wahrzeichen ins Bild: Handschellen, eine Mauer mit Stacheldraht-Garnitur, ein Wachturm. Sinnbildlicher könnte ein Vorspann die Erzählstruktur und das Herz einer Serie nicht zusammenfassen. Auch in ihrer zweiten, nun auf DVD erschienenen Staffel dreht sich die Netflix-Produktion »Orange Is the New Black« nämlich keineswegs nur um die Hauptfigur der ersten Folge – um die gut situierte New Yorkerin Piper Chapman (Taylor Schilling), die 15 Monate lang wegen ihrer zehn Jahre zurückliegenden Verbindung zu einem Drogen-Kartell das trendige Schwarz jeder Großstadt-Garderobe gegen eine Knast-Kutte in orange tauschen muss. Drahtzieherin der Drogenschmugglerei war ihre damalige Geliebte Alex. Jetzt ist Piper mit Larry (Jason Biggs) verlobt, durch den sich in der Serie der Blick nach außen, in Pipers normales gesellschaftliches Umfeld, eröffnet; ansonsten spielt die Serie fast ausschließlich in der Gegenwart des Knasts und in den Vergangenheits-Rückblenden seiner Insassinnen. Piper mit den engelsgleich blonden Haaren und dem unschuldig phlegmatischen Blick ist zunächst die (weiße) Identifikations- und Initiationsfigur, mit der der Zuschauer in den nach Hautfarben unterteilten Knast-Kosmos geworfen wird. Hier gilt ein blutiger Tampon im Sandwich als Gruß aus der Küche und Homosexualität als bevorzugte, emotionale Überlebensstrategie. Pipers Erlebnisse liefern aber nur den roten Faden, der bald immer bunter und dicker wird, weil sich in jeder Folge mit der Geschichte einer anderen Strafgefangenen ein neuer Strang mit ihm verflicht. Fast alle sind sie Opfer der Verhältnisse, in denen sie aufwuchsen: Die russischstämmige Knast-Königin Red, die in Staffel 2 von ihrer altbekannten Konkurrentin Vee herausgefordert wird, Waisenkind Taystee, Crack- und Jesus-Anhängerin Pennsatucky oder die von ihrem Mann verprügelte Mendoza. Nach und nach enthüllen sich die tragischen Geschichten, die die Erfahrungen der privilegierten, von der Liebe korrumpierten Piper wie einen aus dem Ruder gelaufenen Kindergeburtstag erscheinen lassen. Oft genug spiegelt sich Pipers Egozentrik, ihr Selbstmitleid im Leid der anderen unschön wieder. Sie selbst hält einem sich als so rechtschaffen überlegen und nie in solch eine Situation verortenden Mittelstands-Publikum den Spiegel vor, zeigt, wie wackelig diese vermeintlich sichere Position doch ist. Es ist der Beginn der zweiten Staffel, in der Piper jedes Kontrollgefühl genommen wird, auch in ihrem Verhältnis zu Alex, deren Wiederauftauchen im Knast und im ebenso einschränkenden Herzen von Piper natürlich nicht lange auf sich warten gelassen hat. Unprätentiös inszeniert, kann die Dramödien-Serie aus der Schmiede von Produzentin Jenji Kohan (»Weeds«) ihren ruppigen Ethno-Clash in der Originalsprachfassung am Schönsten ausspielen. Ihr Erfolg dürfte aber auf zwei gegenläufigen Tonfällen auf der Meta-Ebene basieren: Der auch mal ins Bitterböse und politisch Unkorrekte abrutschende Humor, der auf Seiten des amerikanischen Strafsystems und seiner Vertreter nahezu sezierende Züge annimmt. Und diese tiefe (Mit-)Menschlichkeit, mit der die Schicksale der »Verbrecherinnen« vorgestellt werden, wobei die zweite Staffel die Samthandschuhe auszieht und am Glauben ans »Gute im Mitinsassen« rüttelt. Oder wie lauten Spektors prophetische Zeilen des Vorspanns? »Taking steps is easy, standing still is hard. Remember all their faces, remember all their voices. Everything is different, the second time around.«

 Kritik nach Staffel 6 (2018)

 Von Arne Koltermann

Als die Serie „Orange Is the New Black“ 2013 bei Netflix startete, waren ihre Schöpfer um Jenji Kohan scheinbar schon spät dran. Die komplexe Langstreckenform war durch die Mafiaserie „Sopranos“, das Polizeidrama „The Wire“ oder das damals in den letzten Staffeln befindliche Chemielehrerabenteuer „Breaking Bad“ längst etabliert –  vom Feuilleton regelmäßig als Avantgarde geadelt. Serien sollten nun das sein, was die Romane von Balzac oder Dickens für das 19. Jahrhundert bedeuteten. Niemand musste mehr lesen, um als Kulturmensch zu gelten. Der Erfolg der Serienform ist weiter ungebrochen, obwohl unsere Zeit angeblich so rastlos, unsere Aufmerksamkeitsspanne so kurz ist. Das im Frauengefängnis von Litchfield, New York spielende „Orange Is the New Black“, eine der ersten Eigenproduktionen von Netflix, hat nie großes Kritikerlob eingeheimst. Obwohl sie als eine der beliebtesten zeitgenössischen Serien gefühlt so viele Handlungsstränge und Figuren bietet wie „Krieg und Frieden“. Schon im Vorspann in einer bewegten Bildergalerie erscheinen die unterschiedlichen Gesichter der Frauen, begleitet von Regina Spektors getriebenem „You've got time“.

Alles begann in der ersten Staffel damit, dass Piper Chapman (Taylor Schilling) –  aus gutem Elternhaus, blond und leicht verzogen, mit einem fürsorglichen Ehemann – von ihrer verdrängten Vergangenheit eingeholt wurde: Vor Jahren hatte sie eine Beziehung zur großen brünetten Alex Vause, schmuggelte für sie Drogen. Vause fliegt auf, erhält Strafnachlass für Kooperation mit den Ermittlern. So landet Piper im Knast – eine Umgebung, die sie völlig überfordert. Sie wird gemobbt und sexuell belästigt. Schnell begreift sie, dass die Ethnien nur untereinander abhängen, lernt selbst Intrigen zu spinnen. Während zunächst alles um Pipers Martyrium und ihre Gewöhnung an den Knast kreist, verschiebt sich der Fokus bald immer mehr auf die anderen „Inmates“, erzählt in Rückblenden ihre kriminelle Vorgeschichte: Die Afroamerikanerin Taystee, die Dominikanerin Maria, die Russin „Red“ Reznikov, um nur einige zu nennen. Doch  anders als in den klinisch rein polierten Disney-Produktionen wie „Grey's Anatomy“ werden die diversen Ethnien nicht einfach mit Protagonisten versorgt, ohne die Herkunft in der Geschichte zu verhandeln. Wie sie wurden, was sie sind, das wird bei „OITNB“ auf eine realere Weise „sichtbar“ gemacht. (Interessant als Ergänzung: ob ethnische Identität eine Frage der persönlichen Entscheidung sein kann, fragt die Netflix-Doku über Rachel Dolezal, die einer schwarzen Bürgerrechtsorganisation vorstand und schließlich zugeben musste, „weiß geboren“ zu sein).

Fünf Staffeln später, in der der seit 27.7.2018 verfügbaren 6. Staffel der Serie, ist Piper Chapman nur noch eine Insassin unter Vielen: Ihr Mann hat sie längst verlassen, nur ihr Bruder hält noch den Kontakt. Die Frauen sind zwar durch einen schließlich niedergeschlagenen Gefängnis-Aufstand über die Ethnien hinweg zusammengerückt. Doch keine ihrer Forderungen wurde erfüllt, die Ermittler spielen sie gegeneinander aus – sie drohen, winken mit Strafnachlässen, wenn die Frauen ihre Mitinsassinnen verraten. Einer der Frauen, Taystee, droht eine Mordanklage. Die gelangweilten Wärter vertreiben sich die Zeit mit zynischen Spielchen auf Kosten der Frauen. Viele der alten Bekannten sind wieder dabei: Dayanaras Mutter Aleida schleust nun von außen Drogen ein. Die alte Pfadfinderin Frieda genießt Privilegien und teilt sich die Zelle schließlich mit Suzanne „Crazy Eyes“ – eine durchgedrehte Figur, die einst nach Pipers Einlieferung damit eine „Duftmarke“ hinterließ, als Ausdruck der Zuneigung vor deren Hochbett zu urinieren. Das neue Litchfield wird beherrscht von den verfeindeten alten Schwestern Carol und Barb. Sie hetzten ihre dienstbaren Jüngerinnen in den Blöcken C und D gegeneinander auf. Neue Psychopathinnen wie Carols Untergebene Badison treten in Erscheinung.

Durch die gesamte sechste Staffel zieht sich eine deprimierende Katerstimmung: Die Illusion einer besseren Welt oder wenigstens – falls es so etwas gibt – menschlicher Haftbedingungen ist zusammengebrochen. Wer will, mag hier eine Allegorie auf die politische Lage sehen. „Orange Is the New Black“, diese exzessive Feier der Identitäten und Vorlieben, ist von den ach so bunten, inklusiven Obama-Jahren ins „Jeder-gegen-Jeden“ der Trump-Ära gerutscht.

Von allen erfolgreichen neueren Serien ist „Orange Is the New Black“ womöglich die Bodenständigste – sie kommt völlig ohne Drachen, Zombies und Superhelden aus . Ob der Gefängnisalltag realistisch dargestellt wird, ist zweifelhaft: Dazu passiert hier viel zu viel. Doch darum geht es auch gar nicht: Die Empfindung der Enge tritt hinter der Ausstellung von Diversität zurück; öde wird es für den Zuschauer nie.

Den plötzlichen Wendungen in dieser Dramedy haftet allerdings oft etwas soaphaft Erzwungenes an. Und die Darstellung der Identitäten kommt, trotz aller Sorgfalt bei der Charakterzeichnung, nicht ohne Klischees aus: Die jüdischen Eltern von Nicki (Natasha Lyonne) werden in Rückblenden als geldfixiert und lieblos dargestellt, während die Schwarzen und die Latinas meist ausgelassen erscheinen. Zu oft geht es hier um „gute Ethnien, schlechte Ethnien“. Insgesamt kann man den Eindruck bekommen, dass der Erzählung nach den spektakulären Staffeln 4 und 5 nun etwas die Puste ausgegangen ist. Aber vielleicht kehrt der alte Glanz ja wieder – mit einer Fortsetzung ist im kommenden Jahr zu rechnen.

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