Versicherungsvertreter 2 - Mehmet Göker macht weiter

Dokumentarfilm | Deutschland 2015 | 70 Minuten

Regie: Klaus Stern

Fortsetzung eines dokumentarischen Porträts über den Versicherungsmakler Mehmet Göker ("Versicherungsvertreter - Die erstaunliche Karriere des Mehmet Göker", 2011), der nach dem Konkurs seiner „MEG AG“ inzwischen halblegal von der türkischen Ägäisküste aus Menschen zum Wechsel in die private Krankenversicherung zu überreden versucht. Der kurzweilige Film zeichnet das Bild eines manipulativen Zampanos, der andere mit einer Mischung aus Charisma und Druck sowie dem Versprechen, dabei reich zu werden, für sich einspannt. Über Gökers politische Vernetzung in der Türkei sowie über seine dortigen Geschäfte erfährt man hingegen fast nichts. - Ab 12.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Sternfilm/NDR
Regie
Klaus Stern
Buch
Klaus Stern
Kamera
Harald Schmuck · Frank Marten Pfeiffer
Musik
Michael Kadelbach
Schnitt
Friederike Anders
Länge
70 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Heimkino

Die Extras enthalten u.a. ein Feature mit drei im Film nicht verwendeten Szenen.

Verleih DVD
Turbine Medien (16:9, 1.78:1, DD2.0 dt.)
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Diskussion
Der „Wolf of Kassel“, wie Mehmet Göker in Anspielung auf Martin Scorseses Wall-Street-Satire (fd 42 145) auch tituliert wird, hat an der türkischen Ägäisküste eine neue Höhle gefunden. Standesgemäß mit Parkett und mit PS-starken Nobelkarossen vor der Tür, aber drei Nummern kleiner als zu den Hochzeiten seiner „MEG AG“. In den Nuller-Jahren hatte der deutschtürkische Versicherungshändler in Nordhessen ein schillerndes Finanzimperium aufgezogen, das zuletzt 1000 Mitarbeiter beschäftigte. Da die Firma jedoch primär auf maßlosen Versprechungen und Größenwahn gründete, rauschte sie 2009 mit Aplomb in die Insolvenz. Seitdem wird Göker mit internationalem Haftbefehl gesucht, der in der Türkei jedoch nicht vollstreckt wird. Der Dokumentarist Klaus Stern hat diesem Musterbeispiel kapitalistischer Gier 2012 in „Versicherungsvertreter“ (fd 40 927) ein phänomenales Porträt gewidmet. Ein Film, der seinen hohen Unterhaltungswert unter anderem auch aus der eitlen Kollaboration des vor Selbstbewußtsein nur so strotzenden Göker bezog. Das ist in der Fortsetzung nicht anders, die Göker 2013/2014 ein knappes Jahr lang bei seinen halbseidenen Versuchen beobachtet, wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen. Erneut sammelt er junge sprachmächtige Migranten aus Deutschland um sich, denen er mit heiserer Stimme ein Leben in Luxus verspricht, wenn sie nur seinen Anweisungen folgen. Das Ticket ins güldene Göker-Land besteht darin, Menschen zum Wechsel in die private Krankenversicherung zu bewegen, was die Versicherungskonzerne im Hintergrund mit hohen Provisionen belohnen. Die jungen, via Facebook akquirierten Novizen reisen auf eigene Kosten zu Göker nach Kuşadası und unterwerfen sich seinem patriarchalischen System, das nur eine einzige Maxime kennt: „Wollen wir Geld machen oder wollen wir Geld machen?“ Enttäuschungen bleiben da nicht aus, doch am Nachschub williger Adepten scheint es nicht zu mangeln. Das Spannende an dieser Fortsetzung sind nicht die juristischen Aspekte, ob und wie Göker für den Scherbenhaufen belangt werden kann, den er in Deutschland angerichtet hat. Auch nicht die Frage, wie sein aktuelles System aus Mittelsmännern genau beschaffen ist, mit dem er weiterhin vom lukrativen Versicherungshandel profitiert, obwohl alle seine Gewinne sofort von der Staatsanwaltschaft konfisziert würden. Selbst die kurzweilige Rekapitulation von Gökers kometenhaftem Aufstieg zum schillernden Superguru der biederen Versicherungsbranche ist nicht viel mehr als ein illustrer Hintergrund für das eindringliche Porträt-Update eines manipulativen Zampanos, der mit Witz, Charisma und unverblümter Rhetorik andere fast alchemistisch für seine Zwecke vereinnahmt, unter anderem auch den Filmemacher („Na, Herr Stern, was sagen Sie dazu?“) oder die eigene Mutter. Göker ist ein Verführer, der sich als paschahafter Buddy tarnt und wie ein freigiebiger Mäzen auftritt; doch wenn er Tacheles redet und die Mitarbeiter an knallharten Zielvorgaben misst, blitzt der eigentliche Zweck hinter all den vermeintlichen Wohltaten auf: pure, unverstellte Gewinnsucht. Über die plastische Zeichnung des phönixhaften Göker hinaus aber stößt dieses „Sequel“ schnell an Grenzen; so erfährt man übers Gökers Vernetzung im Umfeld von Izmir so gut wie nichts; am Rande ist davon die Rede, dass er ins Baugeschäft einsteigen will, ein Geldbote bringt einen Koffer voller Dollar, zwischendurch scheint es finanziell mal ziemlich eng zu werden, doch Details bleiben außen vor. So bleibt unterm Strich nur das Bild eines großspurigen Egomanen, der als Leitwolf seiner gewinnsüchtigen Meute weiter davon träumt, unendlich reich zu werden.
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