Tragikomödie | Spanien 2015 | 106 Minuten

Regie: Fernando León de Aranoa

Eine internationale Gruppe von Entwicklungshelfern versucht, nach dem Jugoslawien-Krieg in Bosnien-Herzegowina die Wasserversorgung aufrechtzuerhalten. Die Helfer geraten untereinander in Streit über das richtige Vorgehen, als ihnen gegensätzliche einheimische Fronten, aber auch die UN-Friedensmission die Arbeit erschweren. Schwarze politische Komödie, die vom Aufeinanderprallen kantiger, hervorragend gespielter Charaktere lebt. Die Bereitschaft der Protagonisten, trotz aller Widerstände und Hoffnungslosigkeit weiterzumachen, verleiht der Fabel darüber hinaus existenzialistische Qualitäten. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
A PERFECT DAY
Produktionsland
Spanien
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Mediapro/Reposado Prod./TVE
Regie
Fernando León de Aranoa
Buch
Fernando León de Aranoa · Diego Farias
Kamera
Alex Catalán
Musik
Arnau Bataller
Schnitt
Nacho Ruiz Capillas
Darsteller
Benicio Del Toro (Mambrú) · Tim Robbins (B) · Olga Kurylenko (Katya) · Mélanie Thierry (Sophie) · Fedja Stukan (Damir)
Länge
106 Minuten
Kinostart
22.10.2015
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Tragikomödie
Externe Links
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Lost in Bosnien: Der absurde Alltag humanitärer Helfer

Diskussion
Ein sonniger Tag in einem kleinen bosnischen Dorf im Jahr 1995. Männer ziehen an einem Seil, um etwas Schweres aus dem Brunnen zu holen. Es wirkt wie eine routinierte alltägliche Arbeit im ländlichen Rhythmus. Dann aber reißen die Fasern, die schwere Last fällt zurück, es gibt keinen Ersatz für das alte Seil. Schnell wird der US-amerikanische Kollege in seinem Landrover angefunkt, aber der steht gerade vor einer toten Kuh und muss überlegen, ob die Landminen zur Rechten, zur Linken oder gar im Tierkadaver selbst versteckt sind. Der Mann denkt laut und überlegt. Dann legt er einen höheren Gang ein und fährt schnell über die tote Kuh. Die junge französische Freiwillige an seiner Seite bekommt fast eine Nervenkrise. Die übergewichtige Leiche tief unten im Brunnen und die verzweifelte Suche nach einem Seil bilden den roten Faden der schwarzen Komödie über eine Hilfsorganisation im Bosnienkrieg. Es geht um die Sisyphusarbeit eines kleinen Entwicklungshelfer-Teams im Kriegs-und Krisengebiet, immer unterwegs über kurvige staubige Gebirgsstraßen. Das Thema ist dem spanischen Regisseur Fernando Leon de Aranoa („Amador und Marcelas Rosen“, (fd 40 876)) besonders nah, schon 1995 drehte er mit Freunden in Bosnien Dokumentarfilme; neben solch persönlichen Eindrücken war der Roman „Dejarse llover“, in der die spanische Ärztin Paula Farias ihre Erfahrungen im Bosnienkrieg verarbeitet, eine weitere Inspiration. „A Perfect Day“ erzählt von einer gemischten Truppe, einer Art „Klempner ohne Grenzen“. Immer auf dem Weg, in den vertracktesten Krisengebieten die Wasserversorgung zu sichern, etwa indem sie diesen Kadaver aus dem Brunnen ziehen, bevor der Verwesungsprozess das Trinkwasser vergiftet. Der Teamleiter Mambrú ist innerlich gespalten zwischen seinem jahrelangen Einsatz an den Brennpunkten der Welt und der Sesshaftigkeit, seinem möglichen Zuhause, das seine Freundin gerade für beide herrichtet. Auch B lebt seit Jahren an den Brennpunkten der Welt, halb Rettungshelfer, halb Landsknecht. Er bewältigt seinen Alltag mit bissigem Galgenhumor und hat keine Perspektive für ein späteres „ziviles“ Leben. Für Damir, den Übersetzer der Truppe, ist seine Arbeit ein täglicher Balanceakt zwischen den Erwartungen der auswärtigen Helfer und den Ansprüchen seiner bosnischen Landsleute. Neu in der Truppe ist die unerfahrene Wasserexpertin Sophie, die mit ihrem idealistisch-naiven Engagement die Lage noch weiter verkompliziert. Zu alledem taucht noch die Ukrainerin Katya auf, die nach Abschluss des Waffenstillstands von Dayton die Berechtigung der Arbeit der Kriegsklempner in Bosnien evaluieren soll; früher hatte sie eine Affäre mit Mambrú und träg ihm sein damaliges Verhalten noch immer nach. In seinem schwarzen Humor und seiner heiteren Hoffnungslosigkeit erinnert der Film an „No Man’s Land“ ((fd 35 824); 2001) von Danis Tanovic. „A Perfect Day“ ist selbstverständlich ein ironischer Titel, denn perfekt ist an der Arbeit der internationalen Hilfsorganisation nichts. Die freiwilligen Helfer riskieren nicht nur oft genug ihr Leben, sie geraten immer wieder mit der Bürokratie der Blauhelme in Konflikt oder gleich zwischen die Fronten verfeindeter Volksgruppen: Kriegsgewinnler, die die Brunnen vergiften, um den Eimer Wasser für zehn Dollar an die durstende Bevölkerung zu verkaufen, Freischärler, die noch schnell vor Beginn des Waffenstillstands dutzende Gegner liquidieren wollen, Dorfbewohner, die der Helfergruppe keine Seile verkaufen wollen, weil sie sie noch für die eigenen Feinde bräuchten. Humor, das macht der Film deutlich, ist ein Druckventil, um das Unerträgliche zu ertragen, Humor, bei dem das Lachen immer wieder im Halse steckenbleiben will. Gedreht wurde der Film in den Bergen Ostandalusiens zwischen Almeria und Granada. Die Kamera von Alex Catalán fängt eine staubige, trockene Landschaft ein, die ebenso weit wie ausweglos erscheint. Mit einem hervorragenden Schauspieler-Ensemble inszeniert de Aranoa eine Sisyphusarbeit in ihrem ursprünglichen existenzialistischen Sinn: Trotz aller Absurdität können die Helfer nichts tun als ihre Arbeit weiterzuführen. Auch wenn im Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten der Tote immer wieder in den Brunnen fällt.
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