Jonathan Strange & Mr. Norrell

Fantasy | Großbritannien 2015 | 414 (7 Folgen) Minuten

Regie: Toby Haynes

Anfang des 19. Jahrhunderts machen sich zwei grundverschiedene Männer mit unterschiedlichen Strategien daran, den früheren Ruf der Zauberei in England wiederherzustellen. Während der einsiedlerische Mr. Norrell zurückhaltend taktiert, bei einem gewagten Zaubertrick allerdings dennoch eine gefährliche Macht heraufbeschwört, steigt sein anfänglicher Schüler Jonathan Strange zum Magier im Dienst der Regierung und Widersacher seines früheren Lehrers auf. Die fantastische (Fernseh-)Serie nach einem umfangreich mäandernden Fantasy-Roman begeistert durch ihr stilvoll-atmosphärisches Production Design und grandiose Darsteller. Die komplex angelegten Figuren sorgen dafür, dass der tricktechnische Aufwand die mal dramatische, mal melodramatische, immer wieder mit Humor durchtränkte Handlung nie dominiert. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
JONATHAN STRANGE & MR. NORRELL
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Cuba Pic./BBC America
Regie
Toby Haynes
Buch
Peter Harness
Kamera
Stephan Pehrsson · Lukas Strebel
Musik
Benoît Charest · Benoît Groulx
Schnitt
Peter Christelis · Philip Kloss
Darsteller
Bertie Carvel (Jonathan Strange) · Eddie Marsan (Mr. Norrell) · Marc Warren (Der Gentleman) · Charlotte Riley (Arabella) · Alice Englert (Lady Pole)
Länge
414 (7 Folgen) Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Fantasy | Historienfilm | Literaturverfilmung

Heimkino

Verleih DVD
Concorde (16:9, 1.78:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Concorde (16:9, 1.78:1, dts-HDMA engl./dt.)
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Bücher über Zauberbücher verschlingende Zauberer scheinen eine ganz eigene Magie in sich zu tragen. Vor allem, wenn das Fantastische in die literarische „Realität“ derart entzückend einbricht wie in den „Harry Potter“-Bänden oder in Susanna Clarkes „Jonathan Strange & Mr. Norrell“: Beide sorgten für zwei der größten Erfolge in der jüngeren Geschichte des Fantasy-Genres.

Diskussion
Bücher über Zauberbücher verschlingende Zauberer scheinen eine ganz eigene Magie in sich zu tragen. Vor allem, wenn das Fantastische in die literarische „Realität“ derart entzückend einbricht wie in den „Harry Potter“-Bänden oder in Susanna Clarkes „Jonathan Strange & Mr. Norrell“: Beide sorgten für zwei der größten Erfolge in der jüngeren Geschichte des Fantasy-Genres. Sieben Jahre nach dem ersten Hogwarts-Schuljahr erschien Clarkes 1.000-Seiten-Wälzer, in dem sie unter der eigentlichen Erzählung um die Zauberer Mr. Strange und Mr. Norrell in überdimensionierten Fußnoten einen fiktiven Blätterwald der englischen Zauberliteratur auffächerte. Wie eine Monografie geriert sich der Roman und enthüllt dabei ein von der Zauberei wieder heimgesuchtes Parallelengland zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Dessen Bewohner haben es glücklicherweise mit aller Schrulligkeit und Ambivalenz auch in Toby Haynes’ siebenteilige BBC-Miniserie geschafft. Als Pendant zu Rowlings Bahnsteig 9 3/4 erweisen sich dabei die zum Leben erweckten Steinstatuen in der Kathedrale von York. Ein Hasardeur-Stück, mit dem sich Gilbert Norrell zu Beginn der örtlichen, eher theoretisch operierenden Zauberer-Gilde als „praktizierender Zauberer“ enthüllt und seine ungläubigen Konkurrenten vertraglich erst einmal „berufsunfähig“ macht. Mr. Norrell, der sich sein Leben lang zum Studieren seiner groß- und einzigartigen Bibliothek voller Zauberbücher zurückzog, pocht auf dieses Alleinstellungsmerkmal und will die in Verruf geratene Kunst in England rehabilitieren. Jonathan Strange hingegen, der junge Landadelige, der den Beruf des Zauberers zunächst nur seiner Liebsten Arabella zuliebe ergreift und sich in Norrells Lehre begibt, stellt sich bald als unbändiges Naturtalent heraus, das aus dem Vollen schöpfen möchte. Und das impliziert auch den Bereich der von Norrell unter Verschluss gehaltenen dunklen Kräfte, die mit dem zerlumpten Straßenscharlatan Vinculus, dem von ihm prophezeiten „Rabenkönig“ und einem perfiden Elfen „mit Haar wie Distelwolle“ bald Gestalt annehmen. Inmitten der anlaufenden Industriellen Revolution und der kriegerischen Auseinandersetzung mit dem napoleonischen Frankreich trifft also konservierender Intellekt auf vorpreschenden Instinkt, ein bedachter Verfechter der Wohltaten, die die Zauberei England bringen könnte, auf einen revolutionären Erneuerer: Unterschiedlicher könnten zwei Männer nicht angelegt sein, um in einem verunsicherten Zeitalter ein sich perfekt ergänzendes Team oder aber die erbittertsten Gegner abzugeben. Das Problem mit „den Elfen, die ich rief“ und dem daraus resultierenden Bruch von Lehrer und Schüler geht allerdings auf Mr. Norrells Konto: Um durch ein veritables Wunder die Regierung für sich und seine Zauberei einzunehmen, verschachert Norrell das halbe Leben der jung verstorbenen Ehefrau von Kriegsminister Pole an besagten Elfen – im Gegenzug für deren Wiederbelebung. Ein gefährlicher Handel, nutzt doch der Elf, der auf Zauberer gar nicht gut zu sprechen ist, die Einladung in die irdische Welt aus, um allerlei Unheil zu stiften. Den Zuschauer begeistert die Serie u.a. mit ihrem die Zeit wiederbelebenden, liebevollen Production Design und der kongenialen Verkörperung Norrells durch Eddie Marsan: klein, gedrungen und mit gefasst stolzer Miene spielt er ihn rührend bedrängt von inneren wie äußeren Querschlägern seiner heiklen Kunst. Was Clarkes Buch und die Verfilmung so besonders macht, sind auch die ambivalenten Nebenfiguren, die ihr eigenes Süppchen brauen und sich, während die Rückkehr eines mythischen, längst verdrängten Herrschers dräut, aus ihren untergebenen Dienerpositionen zu emanzipieren beginnen: Der schwarze, integre Diener Stephen, der zwischen dem diesseitigen Haushalt der Poles und dem „Reich Verlorene Hoffnung“ des Elfs zerrissen wird. Der zwischen Wahn, Hilfe und Bedrohung changierende Vinculus ebenso wie der undurchschaubare Childermass, Norrells rechte Hand, die sich selbständig zu machen droht. So viel ist in diesen Figuren noch angelegt, so stark mutet der offene Schluss in der schwierigen Genese dieses Zaubererduos wie eine Exposition an, dass man am liebsten eine Beschwörung nuscheln möchte, um Susanna Clarke zum Schreiben eines zweiten Teils zu verdonnern.
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