Komödie | Rumänien/Frankreich 2015 | 89 Minuten

Regie: Corneliu Porumboiu

Ein rumänischer Beamter lässt sich von einem Nachbarn zu einer Schatzsuche in der Provinz überreden, wo dessen Urgroßvater in vorkommunistischer Zeit eine wertvolle Truhe vergraben haben soll. Bei der anstrengenden Suche kommt allerdings mehr als eine rostige Kiste zum Vorschein. Nach und nach werden auch verschiedene Schichten der rumänischen Vergangenheit freigelegt. Der doppelbödige Film verbindet virtuos Versatzstücke aus Märchen und Abenteuerfilm mit denen einer Charakterstudie und einer schwarzen Komödie zu einem brillanten Drama über die rumänische Gegenwart und ihren Umgang mit der Geschichte. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
COMOARA
Produktionsland
Rumänien/Frankreich
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
42 Km Film/Les Films du Worso/Rouge Int.
Regie
Corneliu Porumboiu
Buch
Corneliu Porumboiu
Kamera
Tudor Mircea
Schnitt
Roxana Szel
Darsteller
Toma Cuzin (Costi) · Adrian Purcarescu (Adrian) · Corneliu Cozmei (Cornel) · Cristina Cuzina Toma (Raluca) · Nicodim Toma (Alin)
Länge
89 Minuten
Kinostart
06.10.2016
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Komödie
Externe Links
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Brillantes Drama über zwei Männer im historischen Halbdunkel eines postkommunistischen Rumänien

Diskussion
„Der Schatz“ von Corneliu Porumboiu erfüllt alles, was der Titel verspricht: Es gibt eine Schatzsuche, es gibt Schatzsucher und es gibt einen Schatz. Die allegorische Ebene liegt unmittelbar darüber – wie eine Tonspur, die aber nur zeitweise dazugeschaltet wird. Der Kipppunkt, also das Umschlagen der einen Ebene in die andere, oder auch ihre Parallelbewegung sind dabei stets klar konturiert. Porumboiu ist kein Anhänger diffuser Atmosphären und raunender Metaphorik; was einmal freigelegt wird, ist für die Betrachtung sichtbar. Am Anschaulichsten lässt sich die Architektur von „Der Schatz“ wohl mit der titelgebenden Schatzkiste selbst beschreiben: Das mühsam aus der Erde gebuddelte rostige Exemplar hat verschiedene größere und kleinere Fächer – und einen doppelten Boden. An der Erzähloberfläche ist „Der Schatz“ eine auf kleiner Flamme gehaltene Abenteuergeschichte im post-kommunistischen Rumänien. Zunächst hat das Abenteuer aber seinen Platz allein in der Fiktion: dann nämlich, wenn Costi, ein in bescheidenen Verhältnissen lebender Beamter, seinem kleinen Sohn vor dem Einschlafen aus „Robin Hood“ vorliest. Die Geschichte, mit der sein mittelloser Nachbar Adrian eines Abends den rituellen Vorlesemoment unterbricht, klingt zunächst wie ein schlecht aufgetischtes Märchen. Ein Schatz soll sich, könnte sich – wahrscheinlich, vielleicht, möglicherweise – auf dem Grundstück seines Elternhauses befinden, das kurz vor der Pfändung steht. Vom Urgroßvater vergraben, bevor die Kommunisten kamen. Adrian verspricht Costi die Hälfte des Schatzes, wenn er auf seine Kosten einen Fachmann mit Metalldetektor anheuert. Noch bevor die eigentliche Schatzsuche im Garten des außerhalb von Bukarest liegenden Elternhauses beginnt, die etwa das letzte Drittel des Films einnimmt, wird im Grunde schon mit dem symbolischen Ausheben begonnen. Zu Tage gefördert wird zunächst die Geschichte von Adrians Familie, ihre Vertreibung durch die Kommunisten 1947 und die anschließende Deportation. Aber auch der Ort selbst, die Gemeinde Islaz, stellt sich als höchst geschichtsträchtig heraus. 1848 initiierten Söhne wohlhabender Grundbesitzer von dort aus die rumänische Revolution. Im Laufe des Films werden immer mehr historische Schichten addiert: dass auf dem Grundstück mal eine Ziegelbrennerei stand. Später ein Stahlwerk. Unter den Kommunisten dann ein Kindergarten. Und, nach der Revolution, eine Bar und ein Strip-Club. Erst dann ging das Haus wieder in den Besitz von Adrians Familie über. Wie Porumboiu die Vergangenheit in der Alltagsrealität verankert, wie er über die geplante Schatzsuche die rumänische Gegenwart skizziert, etwa in den Szenen zwischen Vater und Sohn oder der Debatte des Ehepaars über ein zu lösendes Problem in der Schule, ist dabei so hintergründig wie erzählökonomisch brillant gestaltet. Überhaupt wird oft, wenn auch in lakonischer Knappheit, verhandelt und debattiert: über Geld und was sich zu welchem Preis zu tun lohnt, über den Umgang mit dem Schatz, sollte er denn gehoben werden, über Fragen des Rechts, des Eigentums und der Verteilung, in denen immer wieder das Robin-Hood-Motiv nachhallt. Die Schatzsuche ist in „Der Schatz“ fast eine schwarze Komödie für sich. Die eng kadrierten Einstellungen der Innenräume, die den Anfangsteil des Films bestimmen, weichen vermehrt Totalen vom Grundstück und dem Garten. Hier versuchen sich die beiden Schatzsucher in Begleitung des von seiner 3D-Technik heillos überforderten Metalldetektor-Spezialisten einen Überblick über die „Unterwelt“ des Bodens zu verschaffen. Ihr absurder, vom nervtötenden Piepsen des Detektors begleiteter Parcours, dem irgendwann das Graben eines tiefen Lochs folgt, wird mit viel Gespür für trockene Situationskomik inszeniert. Am Ende glaubt man alle Fächer von Porumboius Schatzkiste zu kennen. Doch genau dann stellt der Film alles vom Kopf auf die Füße und macht Platz für eine hinreißende Utopie.
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