Irgendwann kommt in einem modernen Rachedrama der Moment, in dem der Rächer seine Tat in Frage stellt. Auch in „Der Duellist“ ist es kurz vor dem Showdown soweit. Yakovlev, ein entehrter Adliger im Russland des 19. Jahrhunderts, offenbart seine gequälte Seele und verflucht den Weg, den er gegangen ist – beschreitet den Irrweg dann aber doch bis zum bitteren Ende. Mit derartigen Heucheleien verschafft sich das Rache-Genre häufig ein fadenscheiniges moralisches Feigenblatt. In „Der Duellist“ aber ist das über weite Strecken anders.
Denn Yakovlev exekutiert seine Vergeltung so lust- und teilnahmslos, dass man ihm abnimmt, sie nicht zu genießen. Man sieht ihn zwar ein wenig zu oft mit einer Wodkaflasche in der Hand am Boden liegen oder durch die Straßen von Sankt Petersburg stolpern; doch die melancholisch-triste Grundstimmung verleiht dem Film einen charakteristischen Ton. Geduldig, in langanhaltenden Totalen statt in schnellen Schnitt-Gegenschnitt-Wechseln entfaltet sich eine russische Monte-Christo-Variante.
Die Inszenierung setzt selbst Off-Musik nur sehr zurückhaltend ein, da sie lieber die Worte der Darsteller und ihre charismatisch-pathetischen Auftritte nachhallen lässt. Natürlich ist die schwermütige russische Seele ein Klischee, auch geht es dem Regisseur nicht darum, akkurate Geschichtsschreibung zu betreiben. Vielmehr werden das Kaiserreich und der Hof in St. Petersburg primär als Kulisse für einen düsteren Abenteuerfilm im zaristischen Gewand genutzt.
Yakovlev verdingt sich als eine Art Duell-Söldner: Gegen Bezahlung vertritt er Adlige, die aus meist vorgeschobenen Gründen im Zweikampf auf Leben und Tod verhindert sind. Nacheinander werden die unterschiedlichsten Duellarten abgehandelt, auch das russische Roulette darf nicht fehlen. Hauptdarsteller Pyotr Fyodorov unterhöhlt die existenzielle Dramatik der Szenen mit lakonischer Nüchternheit.
In Rückblenden erfährt man die Vorgeschichte der Figur. Einst hatte sie sich einem Duell mit dem Grafen Beklemishev verweigert, der daraufhin Yakovlevs Mutter ermorden ließ und Yakovlev zu einem Racheakt trieb, der ihm den Adeltitel kostete. Er wurde ausgepeitscht, entehrt und musste als Soldat in den Krieg gegen die Aleviten ziehen. Wider Erwarten überlebte er. Jetzt ist er zurückgekehrt, um sich an seinem Peiniger zu rächen und seine Ehre wiederherzustellen.
Im letzten Akt lässt der Film dann allerdings seine russische Seele fahren; die mitunter fast albtraumartig wabernde Atmosphäre verflüchtigt sich in die Sentimentalität einer Soap Opera. In einer entsetzlich kitschigen Katharsis ex machina wird dem Drama eine abwegige Romanze aufgepfropft, die den unterhaltsamen, entschleunigten Genrefilm ruiniert und um seine eigene Note bringt.