Culpa - Niemand ist ohne Schuld

Krimi | Deutschland 2016 | 120 Minuten

Regie: Jano Ben Chaabane

Krimiserie um einen Priester, der versucht, moralisch schwankende Menschen, die in seinem Beichtstuhl Rat suchen, von Verbrechen abzuhalten. Die kompakten "Pre-Crime"-Stories, die weitgehend im Inneren einer Kirche und im Beichtstuhl spielen, entfalten sich als zugespitzte Psychothriller, bei denen der Pfarrer darum kämpft, den richtigen Zugang zu seinem Gegenüber zu finden, um es positiv zu beeinflussen - zur Not auch mit unorthodoxen Mitteln. Dabei überzeugen die Geschichten, die die moralischen Dilemmata verdichten, ebenso wie die guten Darsteller. Die sorgfältige visuelle und musikalische Gestaltung taucht das Geschehen konsequent in eine düstere Noir-Atmosphäre. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
NBCUniversal International Networks/Readymade Films
Regie
Jano Ben Chaabane
Buch
Jano Ben Chaabane · Alexander Lindh · Bernd Heiber
Kamera
Tobias Koppe
Musik
Tim Schwerdter
Schnitt
Felix Rudek
Darsteller
Stipe Erceg (Priester) · Alina Levshin (Eve) · Maxim Mehmet (Polizist) · Ludwig Trepte (Jonas) · Barbara Philipp (Andrea)
Länge
120 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Krimi
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Vom Wald in die Kirche: Der Titelvorspann von »Culpa« verdichtet in wenigen stilisierten Einstellungen, wie aus Bäumen ein hölzerner Beichtstuhl gefertigt wird. Das ist für eine Krimi-Serie ein seltsamer kunsthandwerklicher Schlenker, der sich allerdings schnell als stimmige Bild­metapher entpuppt. Für den namenlosen Priester (Stipe Erceg), um den die Serie kreist, ist der Job im Beichtstuhl ein Abenteuer in der Wildnis menschlicher Schwächen.

Diskussion
Vom Wald in die Kirche: Der Titelvorspann von »Culpa« verdichtet in wenigen stilisierten Einstellungen, wie aus Bäumen ein hölzerner Beichtstuhl gefertigt wird. Das ist für eine Krimi-Serie ein seltsamer kunsthandwerklicher Schlenker, der sich allerdings schnell als stimmige Bild­metapher entpuppt. Für den namenlosen Priester (Stipe Erceg), um den die Serie kreist, ist der Job im Beichtstuhl ein Abenteuer in der Wildnis menschlicher Schwächen. Der Geistliche muss in den düsteren kleinen Miniaturpsychothrillern, zu denen sich die bisher vier Episoden verdichten, weniger für begangene Sünden die Absolution erteilen als vielmehr die sich andeutenden Fehltritte der Gläubigen (und Ungläubigen) verhindern: moderne »Morality Plays«, in denen der Priester und die inneren Dämonen des Beichtenden um dessen Seele ringen. »Nicht jede Sünde ist ein Verbrechen. Aber jedes Verbrechen ist eine Sünde – es sei denn, ich kann es verhindern«: so die »tagline«, mit der sich Ercegs Figur ein ums andere Mal der Herausforderung stellt, umweht vom coolen, zigarettenrauchgeschwängerten Flair eines »hard boiled detectives«. Nur knapp 30 Minuten brauchen Show­runner Jano Ben Chaabane und seine Co-Autoren pro Folge, um spannende moralische Dilemmata aufzubauen und sie dramatisch kulminieren zu lassen, wobei die Handlung bis auf wenige Szenen im Innern einer Kirche beziehungsweise im Beichtstuhl spielt. Die kammerspielartige Dramaturgie funktioniert dabei auch deshalb so gut, weil die Serie durchweg mit eindrucksvollen Schauspielern aufwartet; so finden sich etwa Ludwig Trepte und Alina Levshin im Beichtstuhl ein. Außerdem überzeugt die extrem stimmungsvolle Gestaltung: »Culpa« setzt nicht auf eine realistische, milieuspezifische Umsetzung wie in den meisten deutschen Fernsehkrimi-Formaten, sondern auf eine konsequente Stilisierung und metaphorische Rückkopplungen; die Ameisen etwa, die sich im Privatzimmer des Priesters eingenistet haben, stellen nicht einfach ein Ungeziefer-Problem dar, sondern spiegeln in ihrer Zähigkeit und Belastbarkeit den Hausherrn: Dessen »Erlösungswerk« entwickelt sich in der Noir-Welt, die sich in kühl-grauen, entsättigten Farben zur melancholischen Musik von Tim Schwedter und den Songs von The Bones of J.R. Jones entfaltet, zur wahren Sisyphos-Arbeit. Auf eine zeitliche und räumliche Einordung wird zugunsten existenzieller Dimensionen verzichtet. Eine wichtige Inspiration für Jano Ben Chaabane war das Werk des Dänen Anders Thomas Jensen, der in Filmen wie »In einer besseren Welt« oder »Men & Chicken« hinter den konkreten Storys nach den menschlichen Abgründen fahndet; vor allem »Adams Äpfel« , in dem ebenfalls eine Priesterfigur im Zentrum steht, diente als unmittelbares Vorbild. Bei der Suche nach einer passenden Location sahen sich die Macher in diversen katholischen Kirchen des Erzbistums Berlin um, entschieden sich dann aber für die evangelischen Zionskirche: Ein Gebäude, dass nicht nur eine zum Stoff passende karg-morbide Schönheit mitbringt, sondern obendrein einen historischen »Bedeutungsüberschuss« aufweist: Hier wirkte der im NS-Widerstand aktive Pastor Dietrich Bonhoeffer. Dessen Überzeugung, dass Christen die Pflicht haben, sich aktiv gegen drohendes Unrecht zu stellen, findet in der scharfkantigen Priesterfigur ein Echo. Die von Episode zu Episode fortschreitende Ausarbeitung seines Charakters fungiert als übergreifendes dramaturgisches Element der Serie, die ansonsten nach dem Ein-Fall-pro-Folge-Prinzip gestaltet ist. »Culpa« ist die erste von NBC Universal eigenproduzierte deutsche Serie und belegt, wie z.B. die TNT-Produktionen »Weinberg« und »Vier Blocks«, dass die hiesigen Bezahl-Fernsehsender sich nicht kampflos von Streaming-Riesen wie Amazon und Netflix verdrängen lassen wollen. Wenn dabei so kraftvolles, stilsicheres Erzählen herauskommt wie in diesen drei Serien, kann man das nur begrüßen.
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