Reşeba - The Dark Wind

Drama | Irak/Deutschland/Syrien/Katar 2016 | 89 Minuten

Regie: Hussein Hassan Ali

Beim Angriff der Terrormilizen des „Islamischen Staats“ auf ein nordirakisches jesidisches Dorf wird eine junge Frau entführt. Ihrem Verlobten gelingt es zwar, sie aus den Händen ihrer Peiniger zu retten, doch nachdem er die schwer Traumatisierte in ein Flüchtlingslager gebracht hat, sieht sie sich durch die Regeln ihrer Gemeinschaft als Mitschuldige an ihrem Schicksal gebrandmarkt. Konzentriertes, fast dokumentarisches Drama über die systematische sexuelle Ausbeutung von Frauen als Teil des IS-Terrors. Durch Großaufnahmen und die Inszenierung der Figuren vor karger Landschaftsszenerie vermittelt sich eindrücklich deren Verzweiflung und Einsamkeit. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
REŞEBA
Produktionsland
Irak/Deutschland/Syrien/Katar
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
mîtosfilm
Regie
Hussein Hassan Ali
Buch
Mehmet Aktas · Hussein Hassan Ali
Kamera
Turaj Aslani
Musik
Mustafa Biber
Schnitt
Ebrahim Saeedi
Darsteller
Rekish Shahbaz (Reko) · Dimen Zandi (Pero) · Adil Abdolrahman (Reso, Peros Vater) · Meryem Boobani (Xezal, Peros Mutter) · Abdullah Tarhan (Hadi, Rekos Vater)
Länge
89 Minuten
Kinostart
05.04.2018
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Kriegsfilm
Externe Links
IMDb | TMDB

Konzentriertes, fast dokumentarisches Drama über die systematische sexuelle Ausbeutung von Frauen als Teil des IS-Terrors.

Diskussion
Bei ihrem Vernichtungsfeldzug hat die Terrororganisation „Islamischer Staat“ von Beginn an systematisch auch sexuelle Gewalt eingesetzt. Sie erniedrigt und missbraucht Frauen, versklavt sie und zwingt sie zur Heirat und Prostitution. Wie diese Kriegsverbrechen das Leben einer Frau verändern, sie zur Gewalt gegen sich selbst anstiften können, mit dieser gravierenden Frage beschäftigen sich Hussein Hassan Ali und Mehmet Aktaş in „Reşeba“. Reko und Pero heißt ihr junges, glückliches Liebespaar, das der Volksgruppe der Jesiden angehört, einer vom „IS“ als ungläubig verfolgten Religionsgemeinschaft. In einem Monat wollen die zwei heiraten, soeben haben ihre Väter die Verbindung ihrer Kinder im Heiligtum Lalisch offiziell gemacht. Da fällt der „IS“ in deren Siedlung ein, vertreibt die Bewohner und nimmt die Braut gemeinsam mit weiteren jungen Frauen gefangen. Wie eine Herde Vieh werden sie, an einem Strick zusammengebunden, von den schwarzvermummten Tätern abgeführt und auf einem Sklavenmarkt an lüsterne Kunden verkauft, derweil sich die Angehörigen des Paars in ein Flüchtlingslager im irakischen Kurdistan retten können. Peros Verlobter aber lässt sich von dem gefährlichen Feind nicht entmutigen und begibt sich auf die Suche nach seiner Verlobten. Doch als er sie, schwer traumatisiert und obendrein von einem ihrer Peiniger geschwängert, tatsächlich wiederfindet und zu ihren Eltern ins Lager bringt, setzt die eigene Gemeinschaft die Tortur geradewegs fort. Hussein Hassan und Mehmet Aktaş, die sich 2014 in dieser Region aufhielten, hatten ursprünglich die Absicht, dokumentarisch vom Schicksal der Frauen in den Händen des „IS“ zu erzählen, entschieden sich dann aber für einen Spielfilm. Trotzdem glückt es ihnen in ihrer Geschichte, die auf realen Ereignissen basiert – auf dem Massaker an Jesiden im Nordirak –, den dokumentarischen Anspruch zu bewahren und den Leidensweg kriegsversehrter Frauen anhand eines fiktiven Einzelschicksals sinnfällig und exemplarisch zu verdichten. Dabei fungieren die wehrhaften Genossinnen der kurdischen Armee als Gegenmodell zu der sonst patriarchalisch vorgenommenen Rollenzuweisung der Frau als passives Objekt. Während der erste Teil des Films das tragische Geschehen stark rafft und mit großen, auch abrupt gesetzten Aussparungen von dem plötzlichen Einbruch des „IS“ in die Welt der religiösen Gemeinschaft, von der Suche nach Pero und deren Wiederfinden erzählt, entfaltet der zweite Teil große Dichte und Konzentration. Er bedient sich sprechender Großaufnahmen, um die Bewältigung des Traumas und die Qualen der Opfer plastisch zu modellieren. Dass dabei das persönliche Leid, das individuelle Schicksal hinter den Regeln der sozialen, patriarchalischen Ordnung zurücktreten muss, macht er bereits mit Peros Ankunft im Lager deutlich. Ihr verletzter Gesichtsausdruck hinter einer Autoscheibe wird überlagert von den sich im Fensterglas spiegelnden, herantretenden Männern. Mit den sexuellen Gewalttaten an ihr wurde auch die Gemeinschaft versehrt. Die Väter konnten die Ehre ihrer Töchter nicht schützen, ein sittliches Versagen, für das sie jedoch die Töchter verantwortlich machen, womit sie deren untadeligen Ruf zerstören. Als Problem erweist sich zudem, dass Peros Schwangerschaft ein sichtbares Zeichen für deren Entehrung setzt, das nur noch eine Abtreibung aus der Welt schaffen kann. So sieht sich die junge Frau erneut traumatisiert, zumal die religiösen Rituale und ihre Schuldfreisprechung durch das religiöse Oberhaupt der Gemeinschaft ihre psychische Verwundung nicht zu heilen vermögen. Schon durch einen muslimischen Gebetsruf aus einem Lautsprecher drängen sich ihr die schrecklichen Erinnerungen wieder auf. Der Film hebt hervor, dass nicht nur die Frau unter diesen Konventionen zu leiden hat, sondern auch der Mann, der sie liebt und begehrt. So kann Reko seiner Braut seine Gefühle nur außerhalb der Gesellschaft, in der Natur, auf einem Boot umgeben von Wasser, offenbaren. Will er weiter zu seiner Liebe stehen, muss er sich gegen den eigenen Vater und damit gegen die Gemeinschaft wenden. Die kritische Darstellung des Films hat denn auch von jesidischer Seite Protest ausgelöst.
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