Musikdokumentation | Österreich 2017 | 95 Minuten

Regie: Fernando Romero Forsthuber

Dokumentarfilm über den palästinensisch-israelischen Sänger Jowan Safadi, der in seinen Texten Missstände anprangert und auf die Minderheit der arabischen Israelis aufmerksam macht, aber auch bigotte muslimische Glaubenssätze angreift. Dem Film dient die schwierige Beziehung des Sängers zu seinem gerade erst aus den USA zu ihm gezogenen Sohn als roter Faden, was mit dem ebenfalls nicht leichten Verhältnis zu seinen Eltern verschränkt wird. Mitunter aufschlussreich, bleibt der Film aber letztlich eher auf Beobachtungen beschränkt, als sich zum klassischen Porträt zu runden. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
NAMRUD (TROUBLEMAKER)
Produktionsland
Österreich
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
Soleil Film
Regie
Fernando Romero Forsthuber
Buch
Ari Yehudit Richter · Jürgen Karasek
Kamera
Jakob Fuhr · Martin Putz · Falko Lachmund · Rabia Salifiti
Musik
Jowan Safadi
Schnitt
Wolfgang Auer
Länge
95 Minuten
Kinostart
17.05.2018
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Musikdokumentation
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Dokumentarfilm über den palästinensisch-israelischen Sänger Jowan Safadi, der gesellschaftliche Missstände und bigotte muslimische Glaubenssätze anprangert.

Diskussion

Am 14. Mai jährt sich die Staatsgründung Israels zum 70. Mal. Gefeiert wird der Unabhängigkeitstag nach dem jüdischen Kalender, die Daten differieren von Jahr zu Jahr: 2018 fiel der Independence-Day auf den 19. April. Die 1897 formulierte, zionistische Vision des österreichisch-ungarischen Schriftstellers und Journalisten Theodor Herzl, war 1948 wahr geworden: Eine „Heimstätte für das jüdische Volk“ in Palästina war geschaffen. Freilich, so steht es „Namrud“ von Fernando Romero Forsthuber voran, war dies mit der Flucht und Vertreibung von etwa 600.000 Palästinensern verbunden. Circa 150.000 blieben in Israel. Ihre Nachkommen sind israelische Staatsangehörige, sie sprechen arabisch und hebräisch. Obwohl offiziell gleichberechtigt, sind sie, die zusammen mit den israelischen Arabern rund 20 Prozent der israelischen Staatsbürger ausmachen, diversen rechtlichen und gesellschaftlichen Diskriminierungen ausgesetzt. Gegen diese Diskriminierungen engagiert sich der palästinensisch-israelische Sänger Jowan Safadi, den der österreichische Regisseur Forsthuber in seinem Dokumentarfilm „Namrud“ porträtiert. Der Titel geht auf das erste Soloalbum des Sängers aus dem Jahr 2012 zurück, „Troublemaker“ („Störenfried“), lautet der Untertitel des Films. Safadi nennt in politischen Texten diese Diskriminierungen beim Namen; seine Musik könnte man als arabischen Singer-Songwriter-Folk beschreiben. Forsthuber zeigt den Sänger bei Auftritten, zum Beispiel in einer arabischen Talkshow, in der er für einen Eklat sorgt mit einem Song, in dem er die Muslimen im Himmel in Aussicht gestellten 70 Jungfrauen als „sexy“ beschreibt. Dieser Song hat ihm bereits eine Verhaftung und ein Auftrittsverbot in Jordanien eingebracht. Auf Safadis Agenda stehen also nicht nur der erstarkende israelische Nationalismus und Alltags-Rassismus, er adressiert auch muslimische Vorstellungen und Glaubenssätze. Kurz: Er legt sich mit praktisch allen an, die wenigstens konservativ denken. Dabei ist „Namrud“ eine Beobachtung, kein klassisches Portrait. Safadis Haltung beziehungsweise Haltungen muss der Zuschauer seinen Songtexten entnehmen – und den Konversationen mit seinem 16-jährigen, pubertierenden Sohn Don, der vor kurzem erst von seiner Mutter aus den USA zu seinem Vater nach Haifa gezogen ist. Die Beziehung zwischen den beiden ist sehr aufschlussreich. Sie ist oberflächlich kumpelhafter Natur, aber es artikuliert sich auch eine anrührende Hilflosigkeit, tatsächlich auf beiden Seiten: Ebenso wie Safadi in eine Rolle als Vater hineinwachsen muss, die ihm fremd ist, bemüht sich Don, der Rolle als Sohn – oder Kumpel? – gerecht zu werden. Aber der Vater ist für Don auch das Tor zu einer ihm unbekannten, gespaltenen Welt: Er geht auf eine jüdische Schule, musste erst hebräisch lernen. Das bedeutet trotzdem nicht, dass er die Ansichten des Vaters ungebremst und eins zu eins übernimmt. Eine dritte Generation kommt hinzu, wenn die beiden Safadis Eltern in Nazareth besuchen: Die Mutter ist religiös, der Vater eher weltlicher, beide versuchen sich recht verständnislos in das hineinzudenken, was ihr Sohn macht. Nun hat sich Safadi einen neuen Coup ausgedacht: Er singt nicht wie sonst auf arabisch, sondern auf hebräisch, sein Song „To be an Arab“ richtet sich an die Mizrachim, die aus dem Nahen Osten stammenden, wie Safadi singt: „arabischen“ Juden. Der ironisch-explizite Videoclip hat inzwischen 128.000 Hits auf YouTube, der kontroverse Song wurde zum Sommerhit. „Namrud“ liefert nun auch das „Making-Of“ dazu: Safadi spielt Don zum ersten Mal den Song vor (der äußert sich skeptisch), der Videoclip wird gedreht, dessen Premiere in einer Bar gefeiert. Safadi liest die wütenden Reaktionen aus dem Internet vor. Die Redakteurin eines Fernsehbeitrags meint in einem Interview mit Jowan Safadi einmal, dass er ja nur die Wahrheit sage und warum diese Wahrheit wohl so provokativ sei. Er antwortet: „Wenn der Mainstream die Lüge ist, dann ist die Wahrheit provokativ.“

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