Dokumentarfilm | Kanada/Frankreich/Schweiz 2017 | 85 Minuten

Regie: Denis Côté

In essayistischer, eher beobachtender als deutender Form begleitet der Dokumentarfilm eine Handvoll kanadischer Kraftsportler unterschiedlichen Alters, die sich kompromisslos der Ausbildung ihres Körpers gestellt haben. Dabei geht es dem Film nicht um die glamourösen und sportlichen Seiten der Lebenseinstellung „Bodybuilding“, sondern um die Menschen hinter der affektierten Fassade eines oft belächelten exotischen Randgruppensports. Erfrischend unprätentiös zeichnet er das Bild von Bodybuildern als Menschen jenseits oberflächlicher Zuschreibungen. - Ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
A SKIN SO SOFT - TA PEAU SI LISSE
Produktionsland
Kanada/Frankreich/Schweiz
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
Denis Côté/Close Up Films/The Addiction
Regie
Denis Côté
Buch
Denis Côté
Kamera
François Messier-Rheault
Schnitt
Nicolas Roy
Länge
85 Minuten
Kinostart
02.08.2018
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion

Man findet sie immer, wenn das Privatfernsehen in seinen Infotainment-Formaten alljährlich zum Frühjahr die Fitnessstudios für sich entdeckt, um Strandkörper für den Sommer zu promoten. Und man findet sie auch, wenn Privatsender mal wieder meinen, Steroidfreaks oder (männliche) Eitelkeiten im Vormittagsprogramm vorführen zu müssen: Bodybuilder haben kein angenehmes öffentliches Leben zwischen Lachnummer und (heimlichem) Schönheitsideal, zwischen Verspottung und Reduzierung auf ein Sexobjekt. Ständig müssen sie sich vorwerfen lassen, auf halber Strecke zum Sport stecken zu bleiben, wenn sie den Vorgang des ungeliebten, zerfleischenden Trainings ins Zentrum ihres Tuns rücken. Ständig müssen sie dem Vorurteil begegnen, dass hinter dicken Muskeln ein klägliches Hirn stecke. Mit all dem hat Denis Côtés filmisches Essay „A Skin So Soft“ rein gar nichts am Hut. Es ist weder Freakshow noch Jahrmarkts-Kräftemessen. Es bietet keinen argumentativen Befreiungsschlag, aber auch nicht jenes Lifestyle-Gefasel, das man gerne in den hippen Sportfilmen von Surfern, Skatern und „Red Bull“-Aficionados in Form von „Lebensgefühlen“ vernimmt. Hier wird auch nicht einmal indirekt für Brause, Eiweiß oder Aufputschmittel geworben. Warum also dieser Film, in dem man nichts über Trainingspläne oder sexuelle Potenz von Kraftsportlern erfährt? „Ich werde in der zweiten Trainingseinheit noch kotzen“, meint die vor Anstrengung kaum noch zu haltende Kraftsportlerin zu ihrem noch breiteren Trainer und Freund, nachdem sie bereits den „Farmer’s Walk“ mit mehreren 20-Kilo-Scheiben im Gepäck gemeistert hat. „Dann such’ dir aber einen Mülleimer“, so die lapidare Replik. So ist das halt, wenn man an Grenzen geht. Das Dasein eines Kraftsportlers ist kein Ponyhof. Allzu viel Amüsantes bekommt man in „A Skin So Soft“ nicht geboten. Côté hat über seine Handvoll Muskelmänner (die eine Frau ist nur am Rande dabei) einen dezenten, in manchen Augenblicken befremdlichen Film gemacht. Er zeigt seine jungen und auch alten Protagonisten in ihrem Bodybuilder-Alltag, in dem ihre Lebenspartnerinnen zwar vorhanden sind, aber lediglich fürs (kritische) Begutachten, Bildermachen oder schlicht das Vorhandensein im Hintergrund zuständig sind. Ansonsten wird Kraft erzeugt und das sichtlich nicht schmeckende, ungewürzte Hühnchen mit Reis und Avocado schon zum Frühstück in Einheiten von 2000 Kalorien verdrückt. Manches ist im Leben eines Bodybuilders nur mit MP3-Player zu ertragen. Es sind fortgeschrittene Freizeitsportler, überdurchschnittlich gestählte Jungspunde, alternde Kraftklotze, die ins wohlausgeleuchtete, aber auch Tristesse verströmende Bild rücken. Solche, die man im Studio um die Ecke trifft, und solche, denen man des Nachts nicht auf der Straße begegnen möchte. Nett sind sie aber alle – irgendwie. Das ist wohlmöglich das Besondere, das Bemerkenswerte und auch das Sehenswerte an Côtés Film: diese Menschen, die er vor der Kamera ungeschönt das tun lässt, was sie tun, werden entmystifiziert und normalisiert. Ein wenig wie einst bei Ulrich Seidl, sieht man vermeindlich bizarre Menschen, die sich zeigen und dabei nicht unbedingt etwas sagen müssen. Das ist skurril, hat aber vor allem etwas Befreiendes. In den Kellern der kanadischen Provinz werden Muskeln aufgepumpt – und das ist ok so. Wenn der Film dann am Ende alle Protagonisten ein wenig unvermittelt zu einem Sommer-Camp zusammenkommen lässt, deutet sich in ihrem „Einsamer-Wolf“-Dasein plötzlich so etwas wie eine Männerfreundschaft an. Man sitzt zusammen, spielt Gitarre in freier Natur, man begutachtet sich und hebt Steine zusammen. Alles völlig ohne homoerotischen Unterton. Eitel sind sie alle in „A Skin So Soft“, aber dabei völlig bei sich… Muskeln, Tattoos und das Bad in der Bräunungsdusche, ja sogar das Posieren auf der Bühne sind allenfalls Nebenerscheinungen einer Selbstfindung, nicht Protzerei für andere. Irgendwie sind Bodybuilder eben doch nur Menschen wie du und ich.

Kommentar verfassen

Kommentieren