Monowi, Nebraska

Dokumentarfilm | Deutschland 2019 | 80 Minuten

Regie: Lilo Mangelsdorff

In Monowi im US-Bundesstaat Nebraska lebt nur noch eine einzige Frau, die nach dem Tod ihres Mannes weiterhin die örtliche Taverne am Rande des Highways betreibt und auch die örtliche Bücherei am Leben erhält. Die zurückhaltende Studie beobachtet den beschwerlichen Alltag der Frau, aber auch ihr stilles Glück. Auf berührende Weise wirkt das so, als ob sie weiterhin mit ihrem verstorbenen Gatten zusammenleben würde. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2019
Produktionsfirma
Lilo Mangelsdorff
Regie
Lilo Mangelsdorff
Buch
Lilo Mangelsdorff
Kamera
Lilo Mangelsdorff
Musik
Boris Hauf
Schnitt
Lilo Mangelsdorff
Länge
80 Minuten
Kinostart
11.07.2019
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm

Doku über die einzige Bewohnerin einer verlassenen Ortes im US-Bundesstaat Nebraska, die am Rande des Highways eine Taverne und eine Bücherei betreibt.

Diskussion

In Zentralistrien thront auf einem der zahlreichen, wundersam aus der Erde wuchernden Hügel die angeblich kleinste Stadt der Welt: Hum. Der Legende nach soll sie von Riesen aus den Steinen errichtet worden sein, die bei anderen Hügelstädten wie Motovun, Roč und Bale nicht gebraucht wurden. In Hum gibt es knapp 20 Einwohner, drei Straßen und einige Käuze, die aus dem bewaldeten Umland ihre hypnotisierenden Rufe in die Nacht schreien.

In Monowi im US-Bundesstaat Nebraska lebt sogar nur eine einzige Bewohnerin sowie einige Waschbären, Katzen und Hasen. Die Frau trägt den Namen Elsie Eiler und betreibt die „Monowi Tavern“ am Highway 12 irgendwo zwischen Sioux City und Spencer südlich des Missouri River. Wie in Hum fasziniert auch hier das Kleine. Beinahe irreal erscheinen solche Orte inmitten einer unendlich wachsenden Welt. Vor allem im US-amerikanischen Kontext, in dem man immerzu die immense Größe der Landschaft spürt, wirkt ein solcher Ort verloren.

Nichts wird erhalten

Und im Gegensatz zum moderat touristischen Hum ist Monowi auch eine Gemeinde des Verfalls. In den 1930er-Jahren lebten noch über 100 Menschen hier und es gab einen Schienenanschluss. Doch nach und nach verließen die Einwohner die Gegend, bis schließlich nur noch Elsie Eiler und ihr Ehemann dort lebten. Als der vor einigen Jahren starb, blieb die Frau alleine zwischen leerstehenden und verfallenden Häusern zurück. Die USA sei eine Wegwerfgesellschaft, sagt sie einmal. Nichts würde erhalten werden.

Die Dokumentaristin Lilo Mangelsdorff hat sich unter dem an Frederick Wiseman erinnernden Titel „Monowi, Nebraska“ aufgemacht, den Ort und seine Bewohnerin zu besuchen und auf ihre Art dort etwas zu erfahren. Mangelsdorff ist nicht die erste mit dieser Idee. Vor allem Journalisten und Fernsehsender haben sich immer wieder für das Ein-Frauen-Unternehmen interessiert.

Mangelsdorffs äußerst zurückhaltende Studie, die mehr wie ein höflicher Besuch als ein Überfall mit der Kamera erscheint, ist dort am stärksten, wo sie Elsie Eiler und ihrer Arbeit in der kleinen Schenke schlicht und schweigend zusieht. Dann hört und sieht man durch das ewige Surren des Kühlschranks und die etwas holprigen Schwenks hindurch zwar die bescheidenen Produktionsmittel, fühlt dafür aber umso stärker eine tatsächliche Präsenz.

Größere und kleiner Perspektiven

Man hat allerdings auch das Gefühl, dass Mangelsdorff nicht so richtig weiß, was für einen Film sie macht. Die Bilder sind von einer Neugier getrieben, die sich darüber nicht zu viele Gedanken macht. Kino als Begegnung. Manchmal würde man sich ein größeres Panorama wünschen, manchmal aber auch ein kleineres. Größer, weil die Filmemacherin vor manchem halboffenen, leerstehenden Gebäude stehenbleibt und nicht den Blick hinein riskiert. Und auch, weil man kein wirkliches Gefühl für das Umfeld, für gesellschaftliche oder politische Hintergründe bekommt. Kleiner, weil sie sich zwar darauf beschränkt, Elsie in der Taverne zu filmen, aber diesen spannenden Ort nicht detailliert genug zeigt und man überdies den Eindruck hat, dass das Verweilen dort nicht wirklich einen Mehrwert mit sich bringt.

Auch eine flüchtigere Begegnung mit Monowi wäre denkbar gewesen, schließlich behauptet der Film einen Porträtblick, den er am Ende nicht liefert. So könnte der Film durchaus eine verlängerte Episode aus „Route One, USA“ von Robert Kramer oder Ruth Beckermanns „American Passages“ sein.

Freunde, Erinnerungen, die tägliche Arbeit

Am ehesten erinnert „Monowi, Nebraska“ an „The Steel Mill Café“ (2017) von Goran Dević. Der kroatische Filmemacher beobachtet dort anhand eines kaum besuchten Pubs, wie Tourismus und Landflucht das Land fest im Griff haben. Er zeigt die Alternativlosigkeit der Menschen, die früher einmal gut gelebt haben. Mangelsdorff dagegen interessiert sich für das Glück einer einsamen Frau. Ihr Fortleben im Ort scheint mühsam, aber beseelt. Auf eine berührende Weise wirkt das so, als würde sie durch ihr Bleiben in Monowi weiter mit ihrem Mann leben. Das zeigt sich nicht zuletzt an der 5000 Bücher fassenden Bibliothek, die Elsie betreibt. Ihr Mann sei ein großer Leser gewesen, sagt sie.

Tatsächlich verleiht sie immer wieder Bücher, was den Eindruck erweckt, dass durchaus etwas los ist im Niemandsland. Es gibt einige Freunde, alte Erinnerungen, ein von Krankheit bedrohtes Leben und die tägliche Arbeit.

Monowi, Nebraska“ ist zwar ein arg versöhnlicher Film, der aber dennoch zeigt, dass man keine Riesen braucht, um etwas zu errichten und vor allem zu erhalten.

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