The Sting of Death

Drama | Japan 1990 | 115 Minuten

Regie: Kohei Oguri

Nach zehnjähriger Ehe gerät ein Paar in eine tiefe Krise, als die Frau erfährt, daß ihr Mann seit langem eine Geliebte hat. Nachdem er sich ihrer Verzweiflung bewußt wird, beginnt ein qualvolles Ringen um einen Neuanfang. Ein in "reduzierten", minimalistischen Bildern von extremer kompositorischer Strenge eingefangenes Drama, das nichtsdestotrotz ein hohes Maß an innerer Spannung aufbaut. Über die private Lebens- und Liebeskrise hinaus eine grundsätzliche Bestandsaufnahme der japanischen Gesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg und ihrer Orientierungslosigkeit. (O.m.d.U.; Fernsehtitel: "Stachel des Todes") - Sehenswert.
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Filmdaten

Originaltitel
SHI NO TOGE
Produktionsland
Japan
Produktionsjahr
1990
Produktionsfirma
Shochiku/Araki Office
Regie
Kohei Oguri
Buch
Kohei Oguri
Kamera
Shohei Ando
Musik
Toshio Hosokawa
Schnitt
Nobuo Ogawa
Darsteller
Keiko Matsuzaka (Miho) · Ittoku Kishibe (Toshio) · Takenori Matsumura (Shinichi) · Yuri Chikamori (Maya) · Midori Kiuchi (Kuniko)
Länge
115 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert.
Genre
Drama | Literaturverfilmung
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Diskussion
Szenen einer Ehe, die bereits zu Beginn des Films zerbrochen ist. Miho und Toshio sitzen nach zehn Ehejahren vor einem Scherbenhaufen, für den, rein äußerlich betrachtet, der Mann, Toshio, verantwortlich zu machen ist. Toshio war im Zweiten Weltkrieg Kamikaze-Flieger, hatte den sicheren Tod vor Augen, und Miho, ihm in leidenschaftlicher Liebe ergeben, war bereit, ihr Leben bei seinem Tod auch zu beenden. Doch Toshio hat seinen Einsatzbefehl nie ausführen müssen. Jetzt, nach dem Krieg, arbeitet der knapp 40jährige als Universitätsgelehrter, schreibt nebenbei einen Roman, hat Miho geheiratet, mit ihr zwei Kinder - und gleichzeitig seit Jahren eine Geliebte. Als Miho dies erfährt, bricht für sie die Welt zusammen. In tiefer Verzweiflung wankt sie zwischen Unverständnis, Zorn und Aggressionen, nicht zuletzt sich selbst gegenüber, weil sie sich schwere Vorwürfe macht. In quälerischen Gesprächen entlockt sie ihm immer weitere Geständnisse über sein Verhältnis, an denen sie zugleich zutiefst leidet. Toshio ist angesichts ihrer Verzweiflung von tiefer Scham erfüllt, bricht sein Verhältnis ab und versucht, zu Miho zurückzukehren. Doch das Geschehene läßt sich für sie nicht einfach begraben. Nur wenige Momente eines neuen harmonischen Familienlebens blitzen auf, sind eher Zugeständnisse an die Kinder, während Miho zugleich in immer tiefere Depressionen verfällt. Auch der Umzug aufs Land bringt keinen inneren Frieden, keine Versöhnung mit dem Partner, erst recht nicht mit sich selbst. Toshio, der versprochen hat, seine Schuld "abzuarbeiten" und Miho die nächsten zehn Ehejahre zu dienen, gerät selbst an die Grenzen zur (Selbst-) Aufgabe. Schließlich liefert er Miho in eine Nervenheilanstalt ein. Doch was das endgültige Aus zu sein scheint, wird unerwarteterweise zur Geburtsstunde eines möglichen Neuanfangs.

Wie dieser Moment des Neuanfangs, der inneren Bereitschaft beider Ehepartner, zueinander zurückzukehren, inszentorisch eingefangen wird, ist symptomatisch für die Darstellungsweise des Films generell, sowohl für das innere wie äußere Verständnis des Liebes- und Vertrauenskonfliktes als auch für die filmische Konstruktion, mit der der Konflikt aufbereitet wird: Miho ist, wieder einmal, aus der Anstalt entflohen. Äußerlich emotionslos nimmt Toshio dies zur Kenntnis, informiert die Krankenschwestern. Wie in weiten Passagen des Films nimmt sich die Kamera zurück, verharrt in extremer Entfernung und beobachtet in einer Totalen, wie Toshio mit einem langen Stab in einem Teich stochert, offensichtlich überzeugt, jeden Moment auf Mihos Leichnam zu stoßen. Als sie unmittelbar danach - auch im übertragenen Sinne - zurückkehrt, begründet sie dies damit, daß sie ihn habe weinen gehört - ein zu diesem Zeitpunkt geradezu ungeheures Eingeständnis (und Erkennen), weil sie sein Weinen nicht mit ihren Ohren, sondern mit ihrem Herzen, ihrer Seele vernommen hat.

Bis dahin ist der Film ein wahres Wechselbad aus verzweifelten und auch perspektivlosen Eindrücken, eingefangen in "reduzierten", minimalistischen Bildern von extremer kompositorischer Strenge. Die Kamera bleibt starr und überwiegend auf Distanz, registriert die beiden Protagonisten manchmal sogar nur als Schattenrisse, womit sie einerseits drastisch "entpersonalisiert", andererseits in einem Kosmos immenser geistiger Spannung versinnbildlicht werden. In dieser manchmal zermürbenden Folge statischer Szenen ist es oft nur die Körperhaltung, die Auskunft über den inneren Zustand gibt: Miho wirkt zurückgenommen, selbst in der Niederlage unterwürfig, bevor sie dann in exzessiven Momenten explodiert, ohne jedoch zu einer seelischen Balance zu finden. Nur in wenigen Szenen erlaubt sich der Film Nahaufnahmen der Gesichter, meist dann, wenn sich die beiden Personen auf "bessere" Zeiten ihrer Liebe besinnen; es sind dies jedoch statuarische Eindrücke einer rituell überhöhten Liebe, die vom Krieg und dem drohenden Tod geprägt war, sich aber nie unter alltäglichen Bedingungen hat beweisen müssen. Toshios Verhältnis läßt sich, ohne daß dies im Film direkt ausgesprochen oder gar bewertet wird, als ein Akt von tiefer Frustration und Verunsicherung verstehen, als Ausdruck seiner Unfähigkeit, mit der eigentlichen Lebenspartnerin ein geistig lebendiges Verhältnis herzustellen, das auch das Gespräch miteinander einschließt.

Auch die zerstörerische Haltung Mihos sich selbst und Toshio gegenüber ist kein berechneter "Rachefeldzug", sondern Zeichen einer tiefen Orientierungslosigkeit, hervorgerufen durch den radikalen Verlust äußerer Sicherheiten, die Ehe und Familie versprochen haben. Das Ringen der beiden ist weit entfernt von jedem selbstverliebten Geplänkel, vielmehr von existentieller Grundsätzlichkeit: wenn sie wechselweise sterben wollen, weil sie das Dasein nicht mehr aushaken, dann sind dies Kämpfe zweier miteinander um Leben und Tod ringender antagonistischer Kräfte, die doch Teile einer untrennbaren Einheit sind. Was man hierzulande teilweise nur schwer ertragen kann - auch auf Grund der so konsequent strengen "theatralischen" Gestaltung -, dürfte für japanische Lebens- und Denkmodelle von einer immensen Ungeheuerlichkeit sein, weil die gezeigte Ehekrise mehr ist als nur eine "private" Geschichte; sie ist vielmehr eine grundsätzliche, äußerst brisante Bestandsaufnahme sozialer und geistiger Befindlichkeiten im Japan nach dem Zweiten Weltkrieg. Nicht minder "revolutionär" ist dabei wohl auch das Ende zu verstehen: nicht ein von Tradition und Stolz geleiteter "ehrenhafter" Tod steht da, sondern eine tiefempfundene Regung zwischen Mann und Frau, die sie auf ein und dieselbe Stufe stellt - gleich und gleichberechtigt, und erst dadurch bereit und fähig für einen neuen Anfang.
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