Drama | USA 2019 | 137 Minuten

Regie: Destin Daniel Cretton

Ein afroamerikanischer Harvard-Absolvent zieht 1988 in den US-Bundesstaat Alabama und wird Teil der „Equal Justice Initiative“, die auch den Menschen ein gerechtes Strafverfahren ermöglichen will, die sich keinen Anwalt leisten können. Er nimmt sich des Falles von Walter McMillian an, der aus fadenscheinigen Gründen zum Tode verurteilt wurde, und erkämpft seine Freilassung. Der betont nüchterne Film verzichtet auf naheliegende Dramatisierungen, deckt dafür aber den Rassismus und die Willkür der US-Justiz auf. Ein kraftvolles Plädoyer für Gerechtigkeit und Zivilcourage. - Sehenswert ab 14.
Zur Filmkritik Im Kino sehen

Filmdaten

Originaltitel
JUST MERCY
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2019
Produktionsfirma
Endeavor Content/MACRO/Netter Prod./One Community/Outlier Society/Participant
Regie
Destin Daniel Cretton
Buch
Destin Daniel Cretton · Andrew Lanham
Kamera
Brett Pawlak
Musik
Joel P. West
Schnitt
Nat Sanders
Darsteller
Michael B. Jordan (Bryan Stevenson) · Jamie Foxx (Walter McMillian) · Tim Blake Nelson (Ralph Myers) · Brie Larson (Eva Ansley) · Rafe Spall (Tommy Champan)
Länge
137 Minuten
Kinostart
27.02.2020
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Ein Harvard-Absolvent zieht 1988 in den US-Bundesstaat Alabama und kämpft für Menschen, die im rassistischen Justiz-System der USA keine Chance haben.

Diskussion

Was der Unterschied zwischen ihm und den anderen Anwälten sei, wird der Strafverteidiger Bryan Stevenson (Michael B. Jordan) öfters gefragt. Das ist eine berechtigte Frage, denn sie wird von Strafgefangenen gestellt, für die er nicht der erste, sondern bisweilen der fünfte Anwalt ist. Die vier vor ihm haben die Lage ihrer Mandanten nicht verbessert. Warum also sollte ihm das gelingen?

Eine Antwort darauf gibt Stevenson während des ganzen Films nicht. Dafür schaut man ihm beim Arbeiten zu, wodurch man zugleich etwas über die Tätigkeiten seiner Vorgänger erfährt, deren Rechtsverständnis offensichtlich ein anderes ist als das von Bryan Stevenson. Ihr Interesse an Gerechtigkeit beginnt und endet mit der weißen Mittelschicht; jenseits davon, als Pflichtverteidiger von Gefängnisinsassen etwa, kümmern sie sich kaum um Schadensbegrenzung, geschweige denn um echten rechtlichen Beistand.

Bryan Stevenson und die Justizwillkür in der USA

Der Film „Just Mercy“ erzählt also nicht nur die wahre Geschichte des Anwalts Bryan Stevenson und seines beruflichen Engagements, sondern er erzählt auch von der Justizwillkür in den USA. Der Film entstand nach Stevensons Buch „Ohne Gnade“, in dem er von seiner Arbeit für die „Equal Justice Initiative“ berichtet, einen Verein, der armen, zumeist afroamerikanischen Strafgefangenen unentgeltlich juristischen Beistand vermittelt.

Regisseur Destin Daniel Cretton greift die Geschichte des vermeintlichen Mörders Walter McMillian (Jamie Foxx) auf, da sie beispielhaft illustriert, was passiert, wenn ein Afroamerikaner von Harvard nach Alabama zieht, um dort andere Afroamerikaner aus der Todeszelle zu holen.

Walter McMillian gehörte zu den ersten Mandanten von Stevenson, und der führte den Fall durch mehrere Instanzen, bis zu einem skandalösen Ende. Danach war klar, dass es von nun an auch für Todeskandidaten eine Rechtshilfe gab; das Thema hatte die Medien erreicht, der Überraschungseffekt war vorbei. Davor, bei seinen ersten Fällen, hatte Stevenson aber noch am eigenen Leib erfahren, wie aggressiv die weiße Bevölkerung im Süden der USA reagiert, sobald jemand nicht ihre Hautfarbe hat, egal ob Anwalt oder Krimineller.

Ein Sündenbock

„Just Mercy“ ist dem gängigen US-Gerichtsfilm in vielerlei Hinsicht eher unähnlich. Es gibt nur wenige Untersuchungen des Anwalts, mit denen er die Unschuld seines Mandanten aufdecken oder den Tathergang rekonstruieren möchte. Der Zuschauer erkennt von Anfang an, dass Walter McMillian ein Sündenbock ist; Stevenson kann das sogar aus den Polizeiakten herauslesen. Die Wucht des Films entsteht daraus, dass das niemanden kümmert. Polizei und Staatsanwaltschaft wissen, dass McMillian beim Holzfällen im Wald war, als der Mord geschah, für den er verhaftet und zum Tode verurteilt wurde. Doch im Bundesstaat Alabama gilt: Was der eine Schwarze nicht getan hat, wird ein anderer Schwarzer getan haben. Wer genau dafür büßt, ist letztlich egal.

Stevenson geht es darum, gängiges Recht für diejenigen durchzusetzen, die von der gängigen Meinung verurteilt wurden. Er besucht afroamerikanische Gemeinden, fährt in die Haftanstalten, spricht mit den Benachteiligten und Verhärmten. Man blickt in viele Gesichter, die Kamera bleibt lange und nahe auf ihnen. Man kann Verwüstungen darin erkennen, kann sehen, wie hoch das Kinn oder wie gebeugt der Nacken gehalten wird. Die Schauspieler sind entsprechen motiviert, halten die Sentimentalität aber in Grenzen. Man soll nicht weinen beim Zuschauen, man soll wütend werden! Was halbwegs gelingt.

Der Kampf um gleiches Recht für alle

Primär aber ist man verblüfft über die Dreistigkeit, mit der die Justiz missbraucht wird, bis Stevenson kommt und nachhakt. Er begleitet seine Mandanten bis zum elektrischen Stuhl oder in die Freiheit, er kennt das Verhältnis von Erfolg zu Misserfolg. Bevor er kam, heißt es einmal, wurde in Alabama noch nie ein Mann aus der Todeszelle befreit.

Die Ereignisse in „Just Mercy“ liegen 30 Jahre zurück. Es war das Jahr 1988, als Bryan Stevenson nach Alabama ging, um die Todestrakte zu besuchen. In der Zwischenzeit ist ein afroamerikanischer Rechtsanwalt US-Präsident geworden, und die Welt hat sich verändert. Doch Stevenson muss noch immer für ein gerechteres System kämpfen. Ein Film über ihn hat nichts an Brisanz verloren, im Jahr vier der US-Präsidentschaft von Donald Trump.

Kommentar verfassen

Kommentieren