Unter Verdacht (1991)

Krimi | Großbritannien/USA 1991 | 99 Minuten

Regie: Simon Moore

Ein auf halblegale Scheidungsfälle spezialisierter Ex-Polizist und Detektiv findet seine Frau und einen seiner Klienten ermordet in einem Hotelzimmer. Selbst von der Polizei verdächtigt, sucht er Beweise für die Schuld der Geliebten des Opfers. Spannender, raffiniert konstruierter Kriminalfilm, der Elemente der "Schwarzen Serie" Hollywoods souverän in die englische Gesellschaft der späten 50er Jahre transponiert und seine düstere Grundstimmung bis zum Schluß steigert. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
UNDER SUSPICION
Produktionsland
Großbritannien/USA
Produktionsjahr
1991
Produktionsfirma
Carnival/Rank/LWT
Regie
Simon Moore
Buch
Simon Moore
Kamera
Vernon Layton
Musik
Christopher Gunning
Schnitt
Tariq Anwar
Darsteller
Liam Neeson (Tony Aaron) · Laura San Giacomo (Angeline) · Kenneth Cranham (Frank) · Maggie O'Neill (Hazel Aaron) · Alphonsia Emmanuel (Selina)
Länge
99 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Krimi
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Concorde (16:9, 2.35:1, DD2.0 engl./dt.)
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Diskussion
Brighton 1957. Der Polizist Tony Aaron nutzt eine langweilige nächtliche Observation zum Seitensprung mit der Frau des Verdächtigen. Der kommt unerwartet nach Hause, verfolgt das Paar mit der Schrotflinte und wird im letzten Augenblick von Tonys Partner und Freund Frank in Schach gehalten. Bei der überstürzten Flucht des unbekleideten Ordnungshüters entsteht ein Tumult, mehr Polizei erscheint, und schließlich erschießt der gehörnte Ehemann in der allgemeinen Verwirrung einen völlig unbeteiligten Beamten - der Tod kommt unpathetisch und banal. Wer mit derart pechschwarzem, immer leicht zynischem britischem Humor nichts anzufangen weiß, wird "Unter Verdacht" so wenig mögen wie die Filme Peter Greenaways oder der "Monty Pythons".

Simon Moore schöpft bei seinem Kinodebüt gleichzeitig aus eindeutig amerikanischen Quellen. Sein Tony Aaron ist ein legitimer Nachfolger der Detektivgestalten der "Schwarzen Serie" und ihrer literarischen Vorbilder. Zwei Jahre nach der eingangs geschilderten Episode hat er Hazel, die Frau des (inzwischen hingerichteten) Todesschützen, geheiratet und betreibt ein kleines Detektivbüro. Spezialität: Arrangements vorgeblicher Seitensprünge, die den Klienten über die restriktiven Scheidungsvorschriften hinweghelfen sollen. Partnerin in diesem halblegalen Geschäft ist Hazel, die Tony in diversen Hotelzimmern jeweils "in flagranti" mit seinen Kunden ablichtet. Einer dieser Aufträge endet jäh und mit einem Bild des Grauens. Die Leichen Hazels und eines berühmten Malers liegen blutüberströmt auf dem Bett. Makabres Detail: dem Künstler fehlt der Daumen, mit dessen Abdruck er seine Werke signiert hatte.

Während die Polizei mit Ausnahme seines alten Freundes Frank ihren Verdacht sofort auf Tony richtet, startet er auf eigene Faust Nachforschungen bei Selina, der eifersüchtigen Ehefrau, und bei Angeline, der undurchsichtigen Geliebten des Toten. Beide hatten ein Mordmotiv, beide haben ein Alibi. Immer mehr fühlt sich Tony von Angelina angezogen; immer sicherer glaubt er aber auch, ihre Schuld beweisen zu können. Dann wird Tony verhaftet.

Es ist eine schäbige kleine Welt, die Moore nüchtern und präzise entwickelt, schäbig wie das Viertel, in dem Tony ("Ich mag die Prostituierten draußen, meine Mutter war auch Prostituierte.") sein Büro betreibt. Hinter Freundschaften lauert der Verrat, hinter der Liebe Gier und hinter charmanter Unbefangenheit teuflisches Kalkül. Streng im Rahmen des Genres und dabei ungeheuer spannend steuert das Drehbuch konsequent auf den zynischsten aller denkbaren Schlüsse hin. Als Regisseur profitiert Moore dabei ganz offensichtlich von seinen Erfahrungen bei Theater und Fernsehen. Geschickt und selbstbewußt schüttelt er inszenatorische Klischees des "film noir" ab und verpflanzt die gleichwohl "klassische" Geschichte ins ungewohnte, trostlos graue Ambiente Brightons, dessen Seeluft man im Kino bisweilen förmlich zu riechen glaubt. Statt einer respektvollen oder ironischen Reminiszenz an filmische Vorbilder gelingt Moore auf diese Weise die Neubelebung vertrauter Erzählelemente mit konkreten Bezügen zur englischen Gesellschaft der späten 50er Jahre. Anders gesagt: Im Mittelpunkt steht tatsächlich ein schäbiger kleiner Detektiv, nicht der Mythos des schäbigen kleinen Detektivs.

Die Besetzung erweist sich als Glücksgriff. Die Hauptdarsteller Liam Neeson und Laura San Giacomo liefern souveräne Vorstellungen, ohne daß sich eine Star-Aura zwischen Publikum und die Rollen schieben könnte. Den wichtigsten Nebendarstellern bieten prägnante Kurzauftritte Gelegenheiten zur Profilierung. Wieviel vom spröden Charme dieser Figuren die Synchronisation "überleben" wird, sei dahingestellt. Der bislang spannendste und atmosphärisch stimmigste Kriminalfilm des Jahres jedenfalls stammt nicht aus Hollywood. Und Simon Moore liefert ein Debüt besonders vielversprechender Art.
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