The Intruder

Romain Antony | 26.09.2020

Wir hören Kampfgeräusche in einem Hotelzimmer der oberen Etagen und sehen danach von oben einen Mann, tot im im Swimmingpool liegen. Was schließen wir daraus? Nun, aufgeklärt wird dieser Todesfall nicht. Wie vieles in dem Film. Das muss man einfach schlucken ungeklärt, oder man denkt es sich selbst zu Ende, was allerdings manchmal schwierig ist, weil die einstreuten Informationen widersprüchlich sind. Ich bin natürlich froh, dass dieser übergriffige, stalkende Freund der Hauptdarsteller aus der Riege der Protagonisten verschwunden ist, war wirklich kein Sympathieträger, aber ungeklärter Weise? Die Anfangssequenzen waren nicht uninteressant, hat man doch selten in dieser Übertriebeinheit gesehen, wie Energie raubend es sein kann für Frauen, sich gegen Gockelei, Besitzvereinnahmung und Bevormundung abzugrenzen; ein Lehrstück, um zu kapieren von welcher Sorte Männer sich Frauen fern halten sollten. Eine weitere interessante Idee: die Hauptdarstellerin arbeitet als Synchronsprecherin, muss u.a. vorwiegend Porno – und Horrorfilme synchronisieren, Stöhnen und Angstschreie imitieren in die Tonspur vokalisieren, gehört zu ihrem Achtstundenalltag, manche Szenen werden dabei, bis der richtige Schrecken in der Stimme kreischt, zigmal wiederholt...und dann Inès alias Èrica Rivas Alpträume. Woher die wohl herrühren mögen? Den Plot zitiere ich (leicht verändert) im Folgenden aus Wikipedia, da ja im FD zurzeit 9/20 noch keine Kurzkritik vorliegt: „Die Schauspielerin Inés arbeitet als Synchronsprecherin und singt in einem Chor. Während einer gemeinsamen Urlaubsreise in Mexiko stürzt ihr Lebensgefährte vom Balkon des Hotelzimmers in den Tod. Inés erleidet einen schweren Schock. Zurück in ihrer Heimat Argentinien quält sie sich mit Schlaflosigkeit und heftigen Albträumen. Inés nimmt daraufhin psychiatrische Hilfe in Anspruch und wird medikamentös behandelt. Schon bald hat sie das Gefühl, dass sich die Grenze zwischen Realität und Wahn bei ihr aufzulösen droht. Sie beginnt neben den Albträumen unheimliche Geräusche wahrzunehmen. Diese scheinen direkt von ihren Stimmbändern zu kommen und werden bei der Arbeit im Tonstudio von Mikrofonen aufgefangen. Die Töne stören die Synchronisationsarbeit und gefährden auch Inés’ Stellung als Sängerin im Chor. Die täglichen Qualen prägen auch den Alltag mit ihrer Mutter Marta, mit der sie zusammen lebt. Eines Tages glaubt Inés bei einer Party ihren toten Lebensgefährten vor sich zu sehen. Sie setzt daraufhin das verschriebene Medikament ab. Bei einer Chorprobe macht sie durch Zufall die Bekanntschaft mit dem jungen und einfühlsamen Alberto, der sich ihrer annimmt und sie so akzeptiert, wie sie ist. Die anfänglich glückliche Beziehung zwischen den beiden entwickelt sich aber für Inés bald zu einem wahrgewordenen Albtraum. Sie wird zunehmend paranoid und ist bald davon überzeugt, dass die Gestalten aus den Träumen ihren Körper in Besitz nehmen wollen.“ Die Strategie Zuschauer zu täuschen, die häufig in Mysterythrillern angewendet wird, gab es auch hier. Um Spannung aufrecht zu erhalten und weil die Geschichte zu keiner Plausibilität führen kann, wird verwirrt und mit Widersprüchlichkeiten gearbeitet. Personen werden real als auch irreal dargestellt, als evtl. passager psychisch krank, aber sich ansonsten angemessen verhaltend. Das im Film Sichtbare ist fiktiv. Man kennt solches Vorgehen von Traumerwachszenen. Ein Horrorablauf wird gezeigt, dann schreckt die Person im Bett auf und wir als Zuschauer wissen, uff, wow, das war ja zum Glück nur geträumt. Als Handlungsablauf hätte man diese Skurrilität ja nicht ins Drehbuch einbauen können, als Traumsequenz aber geht so etwas. Was nun, wenn das Aufwachen entfällt? Der Traum geht nahtlos in die nächste Szene über, kein Erwachen im Bett. Was machen wir denn da als Zuschauer, wenn wir die Filmhandlung logisch verfolgen wollen? Wir stehen auf dem Schlauch oder phantasieren uns einen Sinn. Schließlich ist Sinnfindung eine der wichtigsten kognitiven, menschlichen Tätigkeiten, genetisch angelegt. Ist ein Film, der dieses bestreben in der Waage hält ein schlechter oder ein gemeiner Film? Ist El Profugo nun ein Mysteryfilm oder eine Krankengeschichte oder vielleicht doch ein Musical? Wir verlassen den Spielort kopfschüttelnd, rätselnd und missmutig. cf. auch: www.filmekommentieren.wordpress.com