Drama | Zypern/Griechenland 2018 | 96 Minuten

Regie: Tonia Mishiali

Eine Hausfrau mittleren Alters leidet unter ihrem lieblos-groben Ehemann und erträgt stoisch alle Erniedrigungen. Zusätzlich gequält durch die Wechseljahre, lässt sie sich aber von ihrer lebensfrohen Nachbarin zu Tagträumen verleiten, die als Visionen der Rache an ihrem Mann immer gewalttätiger werden. Ein in bitterer Detailgenauigkeit entworfenes weibliches Leidensdrama, das zwischen hartem Realismus und überdrehten Momenten changiert. In der angedeuteten Revolte weckt der Film Erwartungen, ohne diese letztlich einzulösen. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
PAUSE
Produktionsland
Zypern/Griechenland
Produktionsjahr
2018
Produktionsfirma
A.B. Seahorse Film Prod./Soul Prod.
Regie
Tonia Mishiali
Buch
Tonia Mishiali · Anna Fotiadou
Kamera
Yorgos Rahmatoulin
Musik
Julian Scherle
Schnitt
Emilios Avraam
Darsteller
Stella Fyrogeni (Elpida) · Andreas Vasiliou (Costas) · Popi Avraam (Eleftheria) · Marios Ioannou (Arzt) · Georgina Tatsi (Irini)
Länge
96 Minuten
Kinostart
18.06.2020
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Drama um eine von ihrem Ehemann tyrannisierte Hausfrau zwischen Erduldung und Rachefantasien.

Diskussion

Zu viel Hoffnung kann heimtückisch sein. Sie lenkt den inneren Fokus auf die Zukunft um, während sie im Jetzt Missstände akzeptieren lässt: Diese könnten sich ja vielleicht noch ändern, so ganz von allein. Hoffnung kann Passivität und falsche Aussöhnung bedeuten.

Auf Griechisch heißt Hoffnung „elpída“. In dem griechisch-zyprischen Film „Pause“ ist Elpida auch der Vorname der Hauptfigur, die sich mit den Ungerechtigkeiten in ihrem Leben abgefunden zu haben scheint. Gespielt von Stella Fyrogeni, bewegt sich die Hausfrau mittleren Alters im engen Radius zwischen Wohnung, Supermarkt und Malkurs, wo sie sich beim Herstellen akkurater Stillleben hin und wieder eine kleine Auszeit gönnt. Meist sieht man Elpida aber beim Putzen, Kochen und Einkaufen, eingehüllt in Tristesse und einen fusseligen Mantel aus Teddyplüsch. In der Farbpalette des Films überwiegt Mint, Rosé und Hellblau.

Der Ehemann: Ein wahrer Albtraum

Elpidas tyrannischer Ehemann Costas (Andreas Vasiliou) ist ein wahrer Albtraum. Beim Essen sitzt er tief über seinem Teller gebeugt, stopft Nudeln und Würstchen in sich hinein, tunkt das Brot in die fettige Soße, hackt den Salat, schluckt alles hastig hinunter. Mechanisches Kauen und Schmatzen, gefolgt von einer Tasse Kaffee auf ex. Bei allem, was er macht, bleibt Costas seiner Partnerin gegenüber grob und abweisend. Wenn er nach Hause kommt, liebkost er seinen Papagei, ohne Elpida auch nur eines Blickes oder eines Wortes zu würdigen.

Merkt Elpida, dass da etwas schiefläuft? Ja, das tut sie. Sie betrachtet ihren Mann mit einer Mischung aus Angst und Ekel, sieht und hört auch den im leidenschaftlichen Nachbarpärchen verkörperten Gegenentwurf, wirft ihren Blick immer wieder dem jungen Handwerker Andrej (Andrey Pilipenko) hinterher, der längst verstummtes Begehren in ihr wachruft. Nur Elpida selbst ist unscheinbar geworden. In ihrem Leben, das seit Jahren an ihr vorbeizieht, ist sie selbst keine Akteurin, sondern lediglich eine stille Zeugin.

Elend, das auf langer Tradition beruht

Es ist ein typisch weibliches Elend, das die zyprische Regisseurin und Drehbuchautorin Tonia Mishiali in ihrem Spielfilmdebüt mit bitterer Genauigkeit nachzeichnet. Ein Elend, das auf langer Tradition beruht und allzu vertraute Bilder wachruft: Eine Hausfrau, die ihren Mann demütig bedient, ohne jemals Anerkennung für das tägliche Dinge-in-Gang-Halten zu bekommen. Eine Frau, die um Taschengeld betteln muss; die im Haushalt, den sie führt, nichts mitentscheiden darf. Deren Privatraum selbst in der Nacht vor dem lauten, wuchernden Schnarchen des Mannes bedrängt wird.

Frauenspezifisch ist auch der physiologische Zustand, dem Elpida gleich zu Beginn des Films ausgesetzt wird. Hitzewallungen, Erschöpfungszustände, unruhiger Schlaf – alles Begleiterscheinungen der Menopause. Kein Grund für Besorgnis, sagt der Gynäkologe, nachdem er die grotesk lange Symptomenliste emotionslos heruntergerattert hat. Ausdünnung der Haare, Brüchigkeit der Nägel, Mangel an sexuellem Verlangen, Aussetzer des Gedächtnisses et cetera pp.

Wunschbilder schieben sich ein

Der Film hat auch eine überdrehte, humorvolle Seite. Dafür steht vor allem Elpidas kokette Nachbarin Eleftheria (Popi Avraam), auf Griechisch „Freiheit“. Eleftheria strotzt vor Energie, trägt pralle Sporttrikots, schwört auf Schönheitschirurgie. Eine lustige Witwe ist sie, und wahrhaftig befreit: „Weißt du, wie ich mich freue, wenn ich von sterbenden Männern höre?“ Und so schieben sich unter Eleftherias Einfluss hin und wieder Elpidas Wunschbilder in die monotone Bildtextur ein. Wie wäre es, dem Idioten Costas einen Teller Lasagne ins Gesicht zu werfen? Wie wäre es mit einer Kugel in seinen Kopf?

Im Kino schaut man Figuren ausgesprochen gerne beim inneren Erwachen und Wütend-Werden zu. Wir wollen Rachefantasien in der Umsetzung, weil sich diese auch für uns wie eine kleine Befreiung anfühlen. Die Wechseljahre als vielversprechenden Wendepunkt einer weiblichen Biografie zu erzählen, wäre zudem neu und erfrischend. Dinge beim Namen zu nennen, das macht „Pause“ gleich am Anfang. Wie wäre es, die aufgezählten Symptome dann auch wirklich ernst zu nehmen, sie in effektvolle Bilder und geschickte Wendungen zu übersetzen? Die Stimmungsschwankungen, die geistige Verwirrung, den Nachtschweiß! Wie wäre es, die Schwächen einer Frau in Stärken umzuwandeln und zu zelebrieren, den zurückhaltenden Filmfluss durch ihre Unruhe anzustecken? Das wäre großartig, und vieles ist in „Pause“ auch im Ansatz da. Nur möchte der Film dann doch nicht so richtig in Gang kommen, möchte sich nicht auf das Angedeutete einlassen.

An den Verhältnissen rütteln

Einen typischen Spannungsbogen, einen Höhepunkt, eine Lösung am Schluss oder wenigstens ein bisschen Auf und Ab der Gefühle ersehnt man sich hier aber vergeblich. Die Regisseurin Tonia Mishiali wollte mit „Pause“ sicher an den Verhältnissen rütteln, die sie, so die Eigenauskunft, aus ihrer Familie und dem Umfeld nur zu gut kenne. Allerdings kommt dabei ein Frauenfilm heraus, in dem eine Frau in ihrem Unglück durchweg haften bleibt, wie eine Fliege im Spinnennetz. Am liebsten würde man der Hauptfigur zurufen: Raus aus dem falschen Film, Elpida! Du bist frei!

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