Drama | Australien 2019 | 93 Minuten

Regie: Rodd Rathjen

Ein 14-jähriger Jugendlicher aus Kambodscha will in einer Fabrik in Thailand eigenes Geld verdienen, gerät dabei jedoch an einen Menschenhändler und wird auf einem Fischerboot als Zwangsarbeiter gefangen gehalten. Das beklemmende Kammerspiel über ein verdrängtes Kapitel moderner Sklaverei mischt Elemente von Psychothriller und Sozialhorror mit einem authentischen Blick ins tragische Leben von Migranten. Der mit Laiendarstellern besetzte Film verknüpft stumpfe Gewalt und psychischen Terror mit einem klaustrophobischen Setting, in dem die Hoffnung auf einen Ausweg generelle Fragen nach dem Umgang mit Migranten befördert. (Preis der Ökumenischen Jury, „Berlinale“ 2019) - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
BUOYANCY
Produktionsland
Australien
Produktionsjahr
2019
Produktionsfirma
Causeway Films
Regie
Rodd Rathjen
Buch
Rodd Rathjen
Kamera
Michael Latham
Musik
Lawrence English
Schnitt
Graeme Pereira
Darsteller
Sarm Heng (Chakra) · Thanawut Kasro (Rom Ran) · Mony Ros (Kea) · Saichia Wongwirot (Kadir) · Yothin Udomsanti (Danchi)
Länge
93 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama
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Beklemmender Thriller über einen 14-jährigen Jugendlichen, der auf einem thailändischen Fischerboot als Arbeitssklave gefangen gehalten wird.

Diskussion

Das Meer stand einmal für unendliche Freiheit und Grenzenlosigkeit. Doch spätestens seitdem im Mittelmeer ganze Besatzungen von Flüchtlingsbooten ertrinken, löst der Gedanke an die See zwiespältige Gefühle aus. Der australische Filmemacher Rodd Rathjen erzählt in seinem Langfilmdebüt „Buoyancy“ von einer weiteren harten Seite des Meeres. Hier wird es für den 14-jährigen Chakra zum Gefängnis. Der Sohn eines kambodschanischen Reisfarmers darf nicht zur Schule, sondern muss für seine Familie schuften, ohne Aussicht auf Besserung, denn sein ältester Bruder soll alles erben und er später ohne Bezahlung für ihn weiterarbeiten.

Eines Abends schleudert Chakra seinem Vater wütend entgegen, weshalb er so viele Kinder in die Welt gesetzt habe. Chakra will weg, nach Thailand, wo es lukrative Fabrikjobs geben soll. Geld für den Transfer besitzt er jedoch nicht. Das sei kein Problem, sagt der Kontaktmann. Er könne das später abbezahlen. Dass Chakra und seine Mitreisenden einem skrupellosen Menschenhändler aufsitzen, merken sie erst, als sie auf einem Fischkutter landen, der sie nicht zur versprochenen Fabrik bringt. Denn das Boot ist ihr Arbeitsplatz, sie wurden als Sklaven an den Kapitän verkauft und müssen tagein tagaus fischen.

Eine moderne Form des Menschenhandels

„Buoyancy“ seziert viele Seiten des Menschenhandels: die ausgenutzten Träume, die Versprechungen und die Unterdrückungsmechanismen, mit denen die Versklavten gefügig gemacht werden. Chakras väterlicher Freund Kea begehrt von Anfang an auf und wird zum Prügelknaben der Bootsbesatzung, während Chakra versucht, sich beim Kapitän anzudienen, um sich vor zusätzlichen Schikanen zu schützen. Denn der kleinste Fehltritt führt zu drastischen Sanktionen; auf diese Weise dezimiert der despotische Kapitän nach und nach die Anzahl der Sklaven.

Hunger, Misshandlung und Gewalt setzen den Männern nicht nur körperlich zu, sondern auch emotional. Stumpf verrichten sie ihre Arbeit und scheuen jeglichen Blickkontakt. Das Regime auf dem Boot ist so rigide, dass sie sich auch bei den wenigen Landgängen der Crew nicht trauen, sich auch nur einen Schritt vom Boot wegzubewegen.

Auch Chakras sanftes Wesen und seine Menschlichkeit klappen in sich zusammen; nur noch sein animalischer Überlebensinstinkt ist noch vorhanden. Der Kapitän ruft ihn „Tier“ und behandelt ihn auch wie ein solches.

Die Bedrohung ist überall

Die Inszenierung setzt bewusst auf Laiendarsteller und findet in Sarm Heng die Idealbesetzung für Chakra – und ein enormes Talent. Sein Gesicht ist zu Beginn noch Spiegel seines Inneren. Die Aufregung, die Erwartung und die Vorfreude auf ein besseres Leben flackern in seinen Augen, müssen jedoch bald der Erkenntnis weichen, dass er verraten und verkauft wurde. Misstrauen macht sich in jedem seiner Blicke und in seinen Bewegungen breit. Der Spiegel seiner Seele wird nach und nach zum Spiegel jeder noch so kleinen Stimmungsverschiebung auf dem Boot und droht angesichts des Unsäglichen zu versteinern. Heng wird zum emotionalen Anker eines Films, dessen Unbehagen in der Unausweichlichkeit der Bedrohung liegt.

„Buoyancy“ heißt das Sklavenboot, „Auftrieb“. Das klingt nach Spott und Verheißung zugleich und eröffnet für Regisseur Rathjen einen zentralen Konflikt: Denn statt in den Ton eines klassischen Flüchtlingsdramas zu verfallen, inszeniert er den Film als beklemmendes Kammerspiel, als Psychothriller mit Elementen des Sozialhorrors. Die Kamera bleibt immer auf Sichthöhe der Figuren, was die klaustrophobe Stimmung auf dem Boot nahezu körperlich erfahrbar macht. Die Weite des Meeres lastet wie ein Druck auf den Sklaven, lediglich das Piepsen des GPS-Geräts zeugt davon, dass irgendwo weit weg Land sein könnte.

Aus der Wirklichkeit gegriffen

Besondere Brisanz bekommt der Film dadurch, dass Chakra zwar eine fiktionale Figur ist, Rathjen für seine Geschichte jedoch eine Vielzahl an Interviews mit Betroffenen geführt hat. Schicksale wie Chakras sind kein Einzelfall; etwa 200 000 Männer und Jungen, so steht es im Abspann, leisten in Thailand unter menschenunwürdigsten Bedingungen ähnliche Zwangsarbeit in der Fischerindustrie – auch für den europäischen Markt.

Das ist somit in doppelter Hinsicht schwer mitanzusehen, doch die Inszenierung schafft die Balance, stumpfe Gewalt, Psychoterror und Hoffnungsschimmer zu einem packenden Thriller zu verknüpfen. „Buoyancy“ ist so unbequem wie wichtig, weil der Film im Mikrokosmos des Sklavenboots auch die Frage stellt, wie die Weltgemeinschaft mit Flüchtlingen und Migranten umgehen will.

Auf dem Boot liegt eine latente Bedrohung in der Luft, und mit der Zeit spitzt sich die Situation so zu, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sie kippt. Chakra und seine Leidensgenossen liegen regelrecht auf der Lauer, um vielleicht doch einen Moment abzupassen, in dem sie ihre Peiniger überwältigen können.

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