Von Weitem erfasst die Kamera bildfüllend eine Hauswand mit zahlreichen Fenstern, um dann langsam auf eines von ihnen zuzufahren. Das Anwesen liegt South Bronx von New York, die Handlung spielt in jenem ungemein heißen Sommer des Jahres 1977, der schon mehrmals brodelnder Hintergrund für Filme war. Die Wohnung ist groß, aber unaufgeräumt und heruntergekommen. Überall liegen Bücher herum. Die schmutzigen Fenster lassen nur wenig Licht durch, während die Nachrichten im Radio vor „Son of Sam“, dem berüchtigten Killer, warnen.
Die Schriftstellerin June Leigh (Naomi Watts) lebt in dieser Wohnung, die einmal ihrer Großmutter gehört hat. June leidet an Agoraphobie, sie kann das Apartment nicht verlassen; die Umgebung erschließt sich nur durch Blicke nach draußen. „Wenn ich die Wohnung nicht verlasse, kann ich draußen keinen Schaden anrichten“, sagt sie zu ihrer Schwester Margo (Jennifer Ehle), die uneingeladen zu Besuch kommt. Eine Begegnung, die einen Konflikt aus der Vergangenheit wiederbelebt. June hatte vor Jahren ein Buch geschrieben: „Der Patriarch“. Darüber kam es zum Bruch mit der Familie; der Vater, unfreiwilliger „Titelheld“ des Romans, nahm sich das Leben. Wie lange das her ist, erfährt man nicht. Doch seitdem lebt June hier, in Angst vor der Außenwelt. Diese drängt jetzt vehement in ihr Leben. Ein überlautes, schrilles Türklingeln durchbricht gelegentlich die Stille, doch an der Gegensprechanlage gibt niemand Antwort.
Die Wohnung als Schutzraum und Gefängnis
Autor und Regisseur Alistair Banks Griffin hält sich strikt an die örtliche Beschränkung der Handlungsprämisse. Fast der gesamte Film spielt in der Wohnung, nicht einmal den Hausflur kann June betreten; von außen klingen nur Polizeisirenen, Prügeleien oder handfeste Streitereien der Nachbarn nach oben. Dem Production Design von Kaet McAnneny kommt darum eine besondere Bedeutung zu. Inmitten all der Bücher- und Zeitungsstapel, überquellender Müllsäcke, verstaubter Winkel und ungeputzter Ritzen, dem ungespülten Geschirr in der Küche und dem dreckigen Bad kann man es nur schwer aushalten; die drückende Hitze, festzumachen an den ständigen Wetternachrichten im Radio, den durchgeschwitzten T-Shirts von June und ihrer Atemlosigkeit, tut ein Übriges. Nicht einmal eine Fliege überlebt hier.
Gelegentlich lockern Besucher die Monotonie des Alltags auf. Neben Margo sind dies ein Lebensmittelbote, der nur auf seinen Vorteil bedacht ist, ein zunächst verständnisvoller, dann aber zudringlicher Cop, den June wegen der Klingelbelästigung gerufen hat, und ein selbstbewusster Callboy, der vielleicht eine Lösung für Junes Probleme hat: Das Klingeln sei ein Ruf, nach draußen zu gehen und sich seinen Ängsten zu stellen.
Stromausfall, Plünderungen, Hausbrände
Griffin hält sich genau an das Chaos und die Gewalt der historischen Ereignisse jenes Sommers: Stromausfall, Plünderungen, Hausbrände. Die Kamera von Khalid Mohtaseb fängt die nervösen Schatten und das unruhige Licht beängstigend ein. Und doch lässt einen „Stunde der Angst“ seltsam kalt. Das liegt gewiss nicht an Naomi Watts. Eindrucksvoll verkörpert sie die angsterfüllte, einsame und verarmte Frau, die sich selbst so viele Grenzen auferlegt hat und darum beständig mit ihren eigenen Ängsten kämpft. „Die Welt gibt einem nur zurück, was man ihr gegeben hat“, versucht ein Besucher Junes Dilemma einmal auf den Punkt zu bringen. Doch das ist als Erkenntnis nach 90 Minuten zu wenig. Wer diese zutiefst verstörte Frau ist, warum sie so handelt, was ihre Qualität als Schriftstellerin ausmacht, hat man am Ende nicht erfahren